Kai Meyer & Lisanne Surborg: Imperator (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 30. Mai 2021 14:12

Kai Meyer & Lisanne Surborg
Imperator
Knaur, 2021, Paperback, 400 Seiten, 14,99 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Vorhang auf: London in den Swinging Sixties . Anna lebt hier, doch seit ein paar Monaten hat sich ihr so behütetes, unbeschwertes Dasein verändert. Ihre Mutter wurde ermordet, und die Gesetzeshüter hatten den Schuldigen schnell gefunden. Seitdem darf Anna einmal in der Woche im Gefängnis anrufen um mit ihrem Vater zu sprechen. An die Tat selbst hat dieser keine Erinnerung mehr.
Jetzt sucht die junge Frau, fast noch ein Mädchen, nach Ortsveränderung. Sie will die tragisch-traumatischen Ereignisse hinter sich lassen, ihr Leben wieder selbst bestimmen und in den Griff bekommen. In Rom, beim Bruder ihres Vaters der als Paparazzo arbeitet, will sie neu durchstarten. Nachdem sie selbst auch schon durch den Sucher geblickt und den Auslöser gedrückt hat, versucht sie sich selbst als Sensationsjägerin. Ihr Onkel führt sie in der Kreis der Sensationsjournalisten ein und ein legendärer Paparazzo nimmt sie unter seine Fittiche, als sie sich in die Welt der Sterne und Sternchen, der abgehalfterten ehemaligen Hollywood-Stars und der Schönen und Reichen begibt - einer Welt, in der Mysteriöses vorgeht.
Hier sucht sie nicht nur den wahren Mörder ihrer Mutter, sie kommt auch einer Gefahr auf die Spur, die mit einem alten Weltreich in Zusammenhang steht.
In einem zweiten Handelsstrang folgen wir einem etwas anrüchigen Privatdetektiv, der den Mord an Fausto, einem Maler, aufklären soll - eine Tat, die Ritualcharakter hat, eine Tat, die dunkel motiviert sein könnte.
Kai Mayer verfasste die Vorlage zum gleichnamigen Audible-Hörspiel, dem das Label bereits eine zweite Staffel gegönnt hat. Nach dem großen Erfolg des mehrteiligen Hörspiels entschloss man sich bei Knaur, eine Textversion der Handlung zu publizieren. Nachdem Kai Meyer mit anderen Projekten mehr als ausgebucht war, suchte und fand er in Lisanne Surborg eine Autorin, der er zutraute, die Vorlagen in ein spannend zu lesendes Buch umzusetzen.
Beide entführen den Rezipienten ins Rom der 60er Jahre. Eine italienische Hauptstadt, die damals ein wenig anders daherkam als man es gemeinhin vermutet und als die man sie heute kennt.
Sicherlich, die allseits um sich greifende Korruption und die Krake des organisierten Verbrechens suchen auch heute noch die Stadt am Tiber heim, die Zeiten aber als Rom dem Jetset und den in Hollywood Ausgemusterten als Party-Hochburg diente, sind vorbei. Die Via Veneto war der Laufsteg der Eitelkeiten. Hier traf man sich, wurde gesehen, bewundert und trug seine Skandälchen nach außen. Das Leben atmete Dekadenz, Drogen und Exzesse gehörten hier zum Alltag und Paparazzi verdienten sich mit skandalträchtigen Schnappschüssen gerne schon einem ein Jahresgehalt. Daneben darbten die Arbeiter in ihren Unterkünften, die Bruchbuden glichen, nagten am Hungertuch und träumten von Revolution.
In diese faszinierende, atmosphärisch dichte Kulisse haben die beiden Verfasser dann ihren Plot platziert. Eine Handlung, die sich um einen Mord rankt, in der Verschwörungen und dunkle Mächte vorkommen und in der Figuren immer wieder neue Facetten offenbaren und überraschen.
Dabei greifen die Autorin und der Autor auf durchaus gängige Stereotypen zurück; die korrupten Mächtigen, die zur Durchsetzung ihrer Interessen bereit sind ohne jegliche Gewissensbisse gegen Recht und Ordnung zu agieren, das ist nichts Neues.
Besser gefallen hat mir da die rasant aufgezogene Jagd durch Roms Nachtclubs, Filmstudios, Straßencafés und die geheimen Versammlungsräume und Paläste.
Sehr dosiert zieht in die Handlung dann das Übernatürliche ein. Das hat den großen Vorteil, dass es durch diese zurückhaltende Darstellung viel bedrohlicher und unheimlicher wirkt, als würde es ins grelle Schlaglicht gezerrt.
Was dem Buch ein ganz klein wenig abgeht, das ist die sonst bei Kai Meyer so übliche herausragende Charakterzeichnung. Viele der Figuren bleiben ein wenig flach, so Manches am Ende offen - wie gesagt, ein zweiter und voraussichtlich auch ein dritter Teil werden folgen.