Markus Lawo (Hrsg.): Abartige Geschichten - Asylum (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 12. Mai 2021 12:02

Markus Lawo (Hrsg.)
Abartige Geschichten - Asylum
Titelbild: Markus Lawo
Hammer Boox, 2020, eBook, 4,99 EUR (auch als Taschenbuch erhältlich)
Rezension von Elmar Huber
„Keine Ahnung, wie ein normaler Mensch es wagen kann, mitten in der Nacht das sichere Bett zu verlassen, um, sagen wir, aufs Klo zu gehen oder sich ein Glas Milch zu holen, und dabei das Licht nicht einzuschalten. Was da alles passieren kann! Monster, Geister, Ghoule, Ratten, Zombies, Wertiere, lebendige Gemälde, plötzlich ausbrechende Feuersbrünste, plötzlich auftauchende Wasserpfützen am Boden, Eindringlinge jedweder Art. Ich würde das nicht riskieren. Ist schließlich nicht schwer, mal kurz das Licht anzumachen.“ (Simona Turini: „Ich habe Angst im Dunkeln“)
Simona Turini: „Ich habe Angst im Dunkeln“
1918: Marion, die ein Kind von Pfleger Erwin erwartet, und Teresa freunden sich an. Die Abtreibung geht schief.
1968: Ein manisch-depressiver Patient hört das Weinen einer Frau und folgt dem Geräusch bis in den Keller der Anstalt
2018: Die Angstpatientin hat Panik vor der Dunkelheit, und die Geschichten, die ihr das Haus erzählt, machen es nicht besser.
Thomas Williams: „Cannibal Playground“
Terry und Malcolm sind die Männer fürs Grobe, die für ihren Boss regelmäßig jemanden verschwinden lassen. Ein Kind als unliebsamen Zeugen können die beiden nicht gebrauchen, und während sie noch überlegen, was mit dem Knirps anzufangen ist, kommen immer mehr Kinder aus dem Wald. Angeführt von einer durchgedrehten Ballerina und hungrig auf Fleisch.
Andreas Laufhütte: „Das Interview“
Für die neue Rubrik seiner Zeitung soll Erik Dellenberg den ‚Katzenkiller‘ David Hansen interviewen, der in Sanatorium ‚Helfende Hände‘ einsitzt. Dabei findet der Journalist mehr heraus, als ihm lieb ist. Was er von Hansen erfährt, wird sein Leben verändern.
Dagny S. Dombois: „Monsterzeit“
Wegen Burn-out hat sich der Fernsehmoderator David selbst in eine entsprechende Spezialklinik eingebucht. Das Innere des Sanatoriums straft jedoch das noble Äußere Lügen. Was er hier erlebt, gleicht einem Albtraum, und sein Aufenthalt gestaltet sich unfreiwillig sehr viel länger, als geplant. Dabei muss er sich doch zu Hause um jemanden kümmern.
Moe Teratos: „Franky“
Franky war immer für seine Kumpels da. Doch als es ihm selbst schlecht ging, waren alle zu beschäftigt, um sich für ihn Zeit zu nehmen. So entwickelt Franky einen Racheplan, verpackt in einen Abenteuer-Urlaub. Gemeinsam mit seinen ‚Freunden‘ will er eine Nacht in einer verlassenen Irrenanstalt verbringen und ihnen mit vorbereiteten Spezialeffekten einheizen.
A. M. Arimont: „Das Gleichgewicht des Wahnsinns“
Pfleger Bob hat eine Schwäche für die schwachsinnige Izzy, die ihm in ihrem entrückten Zustand hilflos ausgeliefert ist. Doch der hünenhafte Boyd gibt auf Izzy acht und versteht ganz genau, was Bob getan hat. Er stellt das Gleichgewicht des Wahnsinns wieder her.
Ky van Rae: „Hörst du sie schreien?“
Julias Selbstmordversuch ist nicht von Erfolg gekrönt. Die Mächte des Schicksals haben noch andere, hoffnungsvollere Pläne mit ihr.
Emely Meiou: „Leviathan“
Für seinen x-ten Fluchtversuch muss der Dämon Leviathan abermals büßen. Ein erneutes Fest für die sadistischen Folterknechte in der unterirdischen Irrenanstalt.
Markus Lawo: „Nachtwache“
Ein stetes Klopfen aus der Leichenhalle veranlasst den Nachtwächter nachzusehen, was dieses Geräusch verursacht.
Faye Hell: „Dirty Strays - Von Menschenfressern und Blutsaugern“
Elisabeth Wagner hat sich für ihre Doktorarbeit einen heftigen Fall ausgesucht. Hershel Davis hat seinen Bruder ermordet und nahezu vollständig verspeist. Die Gespräche mit dem Kannibalen verlaufen zunächst in eine voraussehbare Richtung, doch dann erfährt Elisabeth, was in der verhängnisvollen Nacht tatsächlich passiert ist.
Elli Wintersun: „Ver-rückt“
Als hätte die Psychiatrie-Krankenschwester Yvonne nicht schon mit ihren Patienten genug zu schaffen, muss sie zuhause noch ihren arbeitslosen und nichtsnutzigen Ehemann bedienen. Ein Zustand, in dem es nur noch einen Tropfen braucht, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.
Markus Kastenholz: „Darkham: Purpur“
Ohne Erinnerung dämmert sie in einem Sanatorium in Darkham vor sich hin. Ein wehrloses Opfer von Ärzten und Schwestern. Dann kommen die Erinnerungen zurück. Erinnerungen an die Göttin Bastet, an ihre Freunde, die Helden-Brigade von Darkham und an ihren letzten Kampf. Und sie erkennt in den übrigen Patienten die anderen Helden der Brigade.
Colja Nowak: „Sanitarium“
Einzig sein Selbstmordversuch scheint eine Gemütsregung bei seinen Eltern hervorzurufen, die ansonsten wie die Zombies nebeneinander her leben. Nun liegt er im Sanatorium, vollgepumpt mit Medikamenten, zur Reglosigkeit verdammt und damit ein dankbarer Wirt für das merkwürdige Insekt, das die Zelle mit ihm teilt.
Julia Meyer: „Leidenschaft in Rot“
Der junge Pfleger Ben würde zu gern einmal einen eingehenden Blick auf Bella, den jungen, rothaarigen Neuzugang im Frauentrakt, zu werfen. Halb aus Neugier, halb einem sirenenhaften Ruf folgend, gelingt es ihm, in ihr Zimmer zu kommen, wo er seine gute Kinderstube vollends vergisst. Ein verhängnisvoller Fehler.
Jutta Wölk: „The Butcher“
Splatter-Fan Frankie träumt davon, einen Körper so richtig auseinanderzunehmen, im wahrsten Sinne des Wortes. Es gelingt ihm, vier Mitglieder eines Horror-Forums zu überreden, sich mit ihm zu treffen. In einer verlassenen psychiatrischen Anstalt will er seine Phantasien endlich Wirklichkeit werden lassen.
Dante Nekro: „Am Ende die Wahrheit“
Die Stadt Dornholm wird von einer bizarren Mordserie heimgesucht. Ganze Familien werden ohne erkennbare Gegenwehr getötet, die Körper geöffnet, Herzen und Innereinen entnommen. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Mehr noch, als die Mordserie plötzlich endet und von einer Reihe ungewöhnlicher Diebstähle abgelöst wird. Wird es den Beamten jemals gelingen, diese Verbrechen aufzuklären?
A. C. Hurts: „Der ewige Albtraum des Max W.“
Von den brutalen Albträumen eines Patienten erregt und inspiriert, schreitet Pfleger Holger, um diese wahr werden zu lassen, zur blutigen Tat. Wer würde dem Irren schon glauben, dass nicht er seine Freundin abgeschlachtet hätte, nachdem er sogar davon geträumt hat.
Bernar LeSton: „Ein inneres Bedürfnis“
Drei Tage vor der Wiedereröffnung des Oakwood Asylums testen Dr. Sol und sein Peiniger schon einmal die Folterinstrumente aus, die dort zur Verfügung stehen.
„Diese Akte würde ihr Gedichtband sein. Das menschliche Böse wusste ihre Nerven zu beruhigen, das Abartige ihre nervöse Seele zu streicheln. Sie war angewiesen auf die Grausamkeit von Fremden, wollte sie Ruhe oder Inspiration finden. Das Studium der klinischen Psychologie war ihr Wunderland.“ (Faye Hell: „Dirty Strays - Von Menschenfressern und Blutsaugern“)
Markus Lawo, umtriebiger Autor und Cover-Künstler, hat seine Beziehungen spielen lassen und mit „Abartige Geschichten - Asylum“ eine Konzept-Anthologie vorgelegt, in der man sich durch die von verzweifelten Schreien und mannigfaltigen Gerüchen erfüllten Gänge verschiedener psychiatrischer Anstalten bewegt. Als Herausgeber konnte er dafür einige namhafte Kolleginnen und Kollegen gewinnen, die sich in den letzten Jahren im Thriller- und Phantastik-Bereich etabliert haben. Zu jedem von ihnen ist den Geschichten ein „Aufnahmeprotokoll“ von Prof. Dr. Lawo vorangestellt. Coole Idee!
Den Titel „Abartige Geschichten“ als Vorgabe genommen, dazu die Psychiatrie als Schauplatz, die dem Horror-Fan überwiegend als Ort unmenschlicher Experimente bekannt ist, und man hat eine Steilvorlage für allerlei unappetitliche Kurzgeschichten, in denen der Wahnsinn haust.
Einige Verfasser lassen sich davon etwas zu sehr leiten und stellen Originalität eher hintan, anderen gelingt es, die bluttriefenden Einzelheiten in durchaus interessante und überraschende Storys zu gießen und dem Gemetzel damit einen Sinn zu geben. Dabei verweilen einige Geschichten in der Realität, andere wandern hinüber ins Phantastische.
Doch finden sich dazwischen auch Beiträge, die überraschend leise Töne, jenseits von Blut, Gedärmen, Menschenfresserei und durchgeknallten Killern, anschlagen („Ich habe Angst im Dunkeln“, „Hörst du sie schreien?“, „Das Gleichgewicht des Wahnsinns“) oder die mit ihrem rotzigen Ton einfach Spaß machen („Dirty Strays - Von Menschenfressern und Blutsaugern“, übrigens die Fortsetzung der preisgekrönten Kurzgeschichte „Cock Sucking Vampires from Hell“). Markus Lawo selbst steuert eine kleine Vignette bei, die sogar ganz lässig und leicht mit der Erwartungshaltung des Lesers spielt.
Das gelungene Cover wurde ebenfalls von Markus Lawo realisiert. Sehr passend!
Wie es bei Anthologien meist der Fall ist, zünden bei jedem Leser andere Geschichten besonders gut oder gar nicht. Auf jeden Fall gibt das Thema Einiges her, und die Zusammenstellung ist abwechslungsreich geraten. Weitere „Abartige Geschichten“ dürfen gerne folgen.