Sam Sykes: Zehn eiserne Pfeile - Die Chroniken von Scar 2 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 30. April 2021 15:49

Sam Sykes
Zehn eiserne Pfeile
Die Chroniken von Scar 2
(Ten Arrows of Iron, The Grave of Empires 2, 2020)
Übersetzung: Wolfgang Thon
Piper, 2021, Paperback, 638 Seiten, 18,00 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Einst war sie im Dienst des Imperiums als Mächtigste derer, denen Lady Merchant besondere Gaben verliehen hat, unterwegs. Dank ihrer Magie konnte sie ganz alleine Festungen schleifen, Städte erobern und Schlachten entscheiden. Anders als ihre magischen Mitstreiter schien die Nutzung ihrer Gaben sie auch nicht körperlich zu zeichnen.
Bis ihre Freunde und Kollegen auf die dumme, wirklich dämliche Idee kamen, gegen ihre Herrscherin zu rebellieren. Dass die Monarchin einen Sohn, der über keine magischen Talente verfügt, auf den Thron setzen wollte, kam bei ihren Untergebenen nicht gut an. Um dem Verrat zum Erfolg zu verhelfen, brauchten die Renegaten Macht - Macht, die sie aus ihrer eigenen Reihe ziehen mussten… auch wenn dies hieß, einen der ihren zu verraten und seine Macht zu rauben.
Seitdem verfügt Sal über keine Gaben mehr, dafür über einen Zettel mit Namen. Namen von Magiern, die sie damals verraten haben, Namen, die sie in ihren Alpträumen verfolgen - Magier, an denen sie sich rächen will.
Die Liste ist kürzer geworden. Um aber auch den geheimen Aufenthaltsort der restlichen Verräter zu erfahren, brauch Sal Hilfe.
Zwei-einsame-alte-Männer, der größte Freimacher in der Scar, bietet ihr einen Deal an: sie unterstützt sein Vorhaben, bekommt dafür den aktuellen Aufenthaltsort der noch verbliebenen Magier von ihrer Liste. Ein Angebot, das zu gut ist, um es auszuschlagen - zu gut aber auch, dass nicht ein Pferdefuß dran baumeln würde.
Sal soll, zusammen mit anderen Vagranten ein Relikt aus einer vergessenen Zeit, lange vor der jetzigen, stehlen. Ein Relikt, das dem Eigentümer gottgleiche Kräfte vermacht, das vielleicht gar einen Gott beherbergt.
Ein interessantes Ziel - dumm dabei, dass sich eben jenes Relikt an Bord des Flaggschiffs der Revolution befindet. Begleitet von den anderen neun riesigen Luftschiffen schwebt ihr Ziel weit über der Erdoberfläche - doch so etwas kann doch unsere Diebe nicht schrecken und schon gar nicht aufhalten.
Bis, ja bis sie erkennen müssen, dass es nicht nur um das Relikt geht, sondern darum, die Scar selbst umzugestalten.
Zum zweiten Mal entführt uns der Sohn von Diana Gabaldon in die Scar - ein Land, in dem sich zwei territoriale Mächte gnadenlos bekämpfen, in der das Rechts des Stärkeren, das Recht des Brutaleren herrscht.
Wie im ersten Teil der kleinen Reihe - im Original hat der Autor darüberhinaus zwei als eBook veröffentlichte Novellen, die zeitlich vor den Romanen spielen, publiziert - nutzt der Autor wieder die Möglichkeit, seine Protagonistin in der Retrospektive von den Geschehnissen berichten zu lassen. Vorliegend hört ihr ein Heiler und Apotheker zu, der sie aus dem Wrack eines abgestürzten Luftschiffes gezogen hat.
Anders als im Auftaktroman kennen wir unsere Erzählerin mittlerweile, wissen um das Unrecht, das ihr zugefügt wurde und sie geprägt hat. Auch die Scar und die Konfliktparteien sind uns geläufig, so dass der Autor den dadurch frei werdenden Platz nutzt, um uns genauer vom Innenleben der Erzählerin zu berichten. Dabei lässt er auch durchaus nachdenkliche Gedanken um die Zulässigkeit von Gewalt zur Durchsetzung von Zielen einfließen. Heiligt das Ziel wirklich die Opfer, ist Rache ein letztlich für den Geist gesunder Antrieb, haben Menschen die Chance verdient Reue zu zeigen und Vergebung zu erlangen? Fragen, die immer wieder aufploppen und auf die der Verfasser seine Antwort gibt.
Verpackt hat er dies erneut in einen Plot, der rasant, gewaltbetont und wendungsreich daherkommt.
Sal ist weiterhin eine ambivalente Protagonistin. Sie ist unflätig, so manches Mal gedankenlos, stur, rachsüchtig ja brutal, grausam und gnadenlos, dabei oft unbelehrbar und wahrlich keine einfache Erzählerin, der man gerne folgt.
Und dennoch nimmt uns dieser Charakter gefangen. Sie ist unsympathisch aber interessant, ihre Abgründe, ihre innere Verletztheit machen uns ihr Handeln begreifbar, wenn wir selbiges auch nicht unbedingt gutheißen können. Nach wie vor gehen ihr Hass und ihre Rachsucht über ihr persönliches Glück.
Keine einfache, keine stromlinienförmige Lektüre also, doch eine, bei der man nicht ahnt, was einem als Leser auf der nächsten Seite erwartet.
Der Dünndruck sorgt dafür, dass man dem umfangreichen, immerhin mehr als sechshundert Seiten umfassenden Roman sein Volumen äußerlich nicht ansieht. Viele Stunden faszinierender, gebannter Lektüre warten wieder auf den Leser; ein Plot, der sich an die Anhänger der Gritty Fantasy richtet und diesen ein tolles Lese-Erlebnis beschert.