Thomas Thiemeyer: Korona (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 13. Oktober 2010 15:30
Thomas Thiemeyer
Korona
Knaur, 2010, Hardcover, 512 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-426-66291-5
Carsten Kuhr
Afrika. Mit diesem Begriff verbindet der Europäer wild-romantische Landschaften, sei es Urwald, Steppe oder Wüste, die Big Five und reiche Bodenschätze. Afrika, dieser Begriff steht aber auch für Kolonialismus, Versklavung von Millionen von Menschen schwarzer Hautfarbe, für rücksichtslosen Umgang mit der Natur und ungezügelte Ausbeutung der Rohschätze.
Für den verantwortungsvollen Umgang mit dem Land und seinen Bewohnern bleibt kaum Raum, schließlich lässt sich daraus kein Kapital schlagen. Dennoch nehmen Forscher aus aller Herren Länder den Kampf gegen die Windmühlenflügel auf, versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die bedrohten Arten zu schützen und deren Leben zu erforschen.
Amy Walker ist eine solche Idealistin. Zusammen mit einem internationalen Team von hochkarätigen Wissenschaftlern erforscht sie in einem der Quellgebiete des Nils die letzten dort lebenden Gorilla-Familien. Vor Kurzem erst ist der Leiter der Expedition verschollen, da bekommt sie von ihrem Finanzier auch noch einen früheren Gefängnisinsassen aufs Auge gedrückt. Nicht genug damit, dass skrupellose Verbrecher Jagd auf die Gorilla-Babies machen, um sie meistbietend zu verkaufen, sie kaum weiß, wie sie die Arbeit alleine bewältigen soll, sich eigentlich auf die Suche nach ihrem verschwundenen Chef William Burke machen sollte, nun darf sie also auch noch Betreuerin für einen Ex-Knackie Ray Cox spielen. Dass dieser eigentlich ein ganz netter Typ ist noch dazu fachlich kompetent zu sein scheint, mindert ihre Ablehnung zunächst nur unwesentlich. Schlechtes Timing eben, zumal der Gegend, in der sie ihre Gorilla-Familie studieren, ein Unwetter bislang unbekannten Ausmaßes bevorsteht. Dank einer ungeheuren Sonneneruption geschieht gar Ungeheuerliches in der abgeschiedenen Urwaldregion.
Ein Tor öffnet sich, ein Wurmloch, das durch Raum und Zeit in eine andere Welt führt. Hier, auf einem Hochplateau kommen, unsere Wissenschaftler wieder zu sich. Und hier entdecken sie nicht nur Spuren des verschollenen Burke, sondern auch seltsame physische Phänomene. Metalle, die frei in der Luft schweben, Gorillas, die bekleidet und offensichtlich intelligent hier leben, schwebende Segelschiffe, die von mit diesen verfeindeten Amazonen bemannt werden und sich als Nachkommen der verschwundenen Kitara-Hochzivilisation entpuppen.
Im Verlauf der turbulenten Ereignisse erweisen sich die Primaten als die zivilisiertere Spezies, zumal Amy und Ray auf Dr Burke stoßen – doch dieser hat sich verändert – markant verändert ...
In den letzten Jahren hat sich der Illustrator und Autor Thomas Thiemeyer mit seinen Büchern in die Bestseller-Riege des deutschen Thrillers geschrieben. Neben seinen bei Loewe erscheinenden phantastischen Jugendbüchern verwöhnt er bei Knaur seine Leser mit einfallsreich aufgezogenen Afrika-Abenteuern der phantastischen Sorte und einem heimischen Thriller um die Nebra Scheibe. Vorliegend wendet er sich erneut dem schwarzen Kontinent zu. Ich muss zugeben, dass mich die gebotene Exotik, die seine Afrika-Romanen auszeichnet, immer mehr in ihren Bann schlug als der Brocken im Harz.
„Korona“ beginnt eigentlich ganz in der Realität fußend. Auf den Spuren der Gorillas im Nebel lernen wir unsere handlungsrelevanten Personen kennen, werden Konflikte und Geheimnisse eingeführt und nehmen die Charaktere Gestalt an. Dabei erfahren wir viel Wissenswertes über die bedrohte Tierart und deren Erforscher, aber auch über die Zustände in Zentralafrika. Hier lässt er so Manches über den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und unserer Umwelt in den Roman einfließen.
Nach der Verlagerung der Bühne in die andere Welt geht es dann mitten hinein ins Abenteuer. Großen Gemälden gleich beschreibt Thiemeyer sehr bildhaft, fast cinematisch, das Aufeinandertreffen unserer modernen Wissenschaftler mit den Gorillas und den Nachfahren der einstigen Hochkultur von der Nilquelle. Hier wuchert er ganz sicherlich mit dem Robinson-Crusoe-Pfund, der insbesondere bei der Beschreibung der edlen Wilden, hier in Form der Gorillas, zum Zuge kommt. Mit den prächtigen, fliegenden Seglern, den schwebenden Städten und der Amazonen-Kultur entführt er uns in eine farbenprächtige Kulisse, die insbesondere durch den Kontrast zu der Gorilla-Kultur zwar beeindruckend, gleichzeitig aber auch kalt und überheblich wirkt. Die Auflösung des Geheimnisses um den verschwundenen Professor, den mit Ray Cox ein altes, dunkles Geheimnis verbindet, und dessen Metamorphose zu einem schrecklichen Wesen, sorgt für weiteres Tempo und hält die ohnehin hohe Spannungskurve weiterhin straff gespannt. Sicherlich hätte ich mir gewünscht, mehr über die Welt der fliegenden Fels-Städte und der Gorilla-Zivilisation zu erfahren – hier könnte eine Fortsetzung, die inhaltlich im Bereich des Möglichen liegt aber nicht unabdingbar ist, eine weitere Begegnung mit diesen faszinierenden Plätzen bringen.
Stilistisch angenehm und spannend zu lesen, inhaltlich packend, zeigt Thomas Thiemeyer erneut, dass auch Thriller Made in Germany für Qualität bürgen.