Gruselkabinett 168: Das tote Brügge, Georges Rodenbach (Hörspiel)

Gruselkabinett 168
Das tote Brügge
Georges Rodenbach & Marc Gruppe (Script)
Sprecher: Peter Weis, Michael Che-Koch, Herma Koehn u.a.
Titelbild: Ertugrul Edirne
Titania Medien, 2021, 1 CD, ca. 87 Minuten, ca. 8,99 EUR

Rezension von Christel Scheja

Für die 168. Episode der „Gruselkabinett“-Reihe haben sich die Macher eine sehr interessante Geschichte ausgesucht. „Das tote Brügge“ basiert auf einer Erzählung von Georges Rodenbach (1855-1898), in der klassischen Übersetzung von Friedrich von Oppeln-Bronikowski (1873-1936).


Schon fünf Jahre lebt Hugo Viane in tiefer Trauer um seine Frau in Brügge. Die Menschen bewundern den Mann, der sich bisher keiner anderen zugewandt hat sondern der Verstorbenen immer noch in Liebe zugetan ist und in zwei Zimmern treu ihr Andenken bewahrt. Es scheint, als würde sich nichts daran ändern bis zu seinem Tode, aber dann tritt nach einem Opernbesuch eine junge Tänzerin in das Leben des Witwers. Jane Scott gleicht seiner Frau scheinbar bis aufs Haar - und das verändert alles.

 

Auf den ersten Blick mag die Geschichte nicht wie eine Schauermär wirken, aber auch das macht die Geschichten des 19. Jahrhunderts aus. In der düsteren Romantik dieser Zeit geht es auch um die moralischen Abgründe, die selbst aufrechte Helden in den Abgrund ziehen können - und genau darum geht es auch in „Das tote Brügge“.

Ein wenig schauerlich ist die fanatische Verehrung der Hauptfigur für seine verstorbenen Frau schon, aber gleichzeitig auch seine größte Schwäche, wie sich zeigt. Denn die Erzählung und damit auch das Hörspiel zelebriert seinen Niedergang in allen Einzelheiten - angefangen von der Ächtung durch die Gesellschaft bis hin zum moralischen Verfall. Das Ende scheint dabei offen, ist es aber nicht wirklich.

Interessant ist dabei die stimmungsvolle Atmosphäre, die auf die fromme Umgebung eingeht, etwas was modernen Zuhörern vermutlich fremd erscheint, aber gerade hier den besonderen Reiz ausmacht. Und auch Langeweile kommt nicht wirklich auf, da immer wieder etwas Neues in den fast eineinhalb Stunden passiert.

Die Geschichte scheint wie aus der Zeit genommen und die Sprecher vertiefen diesen Eindruck auch noch auf angenehmste Weise, vor allem Michael Che-Koch, der die Zerrissenheit und den Wahn seiner Figur sehr gut durch den Tonfall darzustellen weiß.

„Das tote Brügge“ ist wieder eines der eher ruhigen Hörspiele der „Gruselkabinett“-Reihe aber nicht minder spannend, zeichnet es doch sehr genau die Abgründe und den Verfall einer menschlichen Seele gefangen zwischen eigenen verzweifelten Leidenschaften und einer frömmelnden Gesellschaft mit streng moralischer Lebensauffassung nach, was durchaus auch gruselig sein kann und darf.