Michael Schmidt & Achim Hildebrand (Hrsg.) Zwielicht 15 (Buch)

Michael Schmidt & Achim Hildebrand (Hrsg.)
Zwielicht 15
Titelbild: Björn Ian Craig
2021, Paperback, 294 Seiten, 11,99 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Dank Achim Hildebrand und Michael Schmidt erwartet den Freund der Horror-Kurzgeschichte wieder einmal ein wahres Freudenfest. Das neues „Zwielicht“-Magazin, immerhin bereits das 15. seiner Art, liegt vor - und an der nächsten Nummer wird schon fleißig gearbeitet.

Nun kann man zurecht sagen, dass die Weird Fiction in all ihren Ausprägungen das phantastische Sub-Genre im deutschen Sprachraum ist, das sich am aktivsten präsentiert. Beleg dafür ist auch die Vielzahl kleiner, inhabergeführter Verlage, die die Fans mit ihrem Lese-Futter versorgen. Weder im Bereich der Science Fiction noch bei der Fantasy gibt es ein derart weit gefächertes Angebot an Verlagen und mit und in diesen natürlich entsprechende Publikationen.

Dennoch wäre „Zwielicht“ nicht wegzudenken. Als eines der wenigen Magazine offeriert es uns eben nicht nur eine oftmals thematisch zusammengestellte Kollektion von Geschichten. „Zwielicht“ öffnet sich allen Spielarten der dunklen Phantastik ohne jegliche thematische Vorgabe und räumt auch den Artikeln zu und um die unheimliche Literatur einen Platz ein. Egal ob eine Geister-Geschichte, Splatter oder Extreme - alles ist willkommen, wenn es nur gut geschrieben ist. Und um dieses Ziel zu erreichen, lesen die beiden Herausgeber jeweils eine ganz erhebliche Anzahl von Einsendungen, stoßen dabei immer wieder auf neue Stimmen, die zu überzeugen wissen.

Zwölf erzählende Beiträge haben es dieses Mal in das Buch geschafft, davon drei Übersetzungen.


Zum Inhalt:

Martin Schemms „Heimatabend“ bietet uns, klasse recherchiert, eine Geister-geschichte aus Norddeutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts an.

Silke BrandtS „Der vierte apokalyptische Reiter“ geht in der Zeit ein wenig weiter zurück. Ebenfalls sorgfältig recherchiert und atmosphärisch dicht berichtet sie uns von den unchristlichen Taten des Deutschen Ordens im Osten.

Tobias Lagemanns „Nachtschalter“ ist zwar in der Jetztzeit angesiedelt, besticht aber durch eine zunächst in der Realität beginnende Handlung eines Tankstellen-Kassierers in der Nachtschicht, die dann, mehr und mehr, ins Gruselige abgleitet.

Holger Vos’ „Rast der Kraniche“ stellt uns eine Ehefrau und Mutter vor, die einst in ihrem Leben alles anders machen wollte. Bei einem Ausflug ins Moor steht sie am Scheideweg ihres Lebens.

In Christophe Nicolas’ „Der Pitch“ spinnt der Router ausgerechnet während einer Video-Konferenz, in der es um einen existenziellen Auftrag geht - das wäre doch gelacht, wenn die junge Mutter und Projektleiterin den Router nicht wieder online bekommen könnte - und wenn sie das Gerät mit einem ganz besonderen Stoff füttern muss…

Dirk Rylls „Wohin der Grimm der Toten verschwindet“ stellt uns einen gefeierten Regisseur vor - der seine Inspiration einem Abkommen mit etwas Jenseitigem verdankt… doch nun läuft die Frist dieser Vereinbarung ab.

Karin Reddemanns „Ansichtssache“ präsentiert uns eine illustre Runde von Mördern, die in Seancen ihre Opfer beschwören - mit dabei, ein Heiratsschwindler, der niemanden umgebracht hat… noch nicht, zumindest.

In Vincent Voss’ „Das Ordnungsamt und das Hexenhaus“ begegnet uns ein Ordnungshüter, der das Herz auf dem rechten Fleck hat. Seine Vorgesetzten aber meinen, dass Obdachlose keine Rechte haben und ihre Behausungen zerstört werden müssen - selbst schuld, denn die Rache folgt auf dem Fuße.

Martin Mächler erweist in „Verschränktes Schicksal“ dem genialen Erfinder Tesla seine Referenz. Als dieser seine größte Idee, die drahtlose Energieübertragung, einem letzten, ultimativen Test unterzieht, kommt es zu rätselhaften Nebenwirkungen - Kinder fallen ins Koma, Energiewesen scheinen sich zu manifestieren.

Arthur J. Burks „Stalagmiten“ ist ein weiteres Kleinod, dass Pulp-Kenner Matthias Käther in seinem reichen Fundus an vergessenen US-Magazinen ausgegraben hat. Ein archäologisch forschendes Paar stößt in einer tiefen Höhle auf merkwürdig weiße, warme Stalagmiten - Steine, die nicht lange unbeweglich bleiben.

Ralph Williams’ „Kleines Missverständnis“ ist eine weitere Entdeckung Käthers, der beide Geschichten auch übersetzt hat. Ein Handelsvertreter kommt in eine fremde Stadt und hat schlicht spät abends noch Hunger. Die heruntergekommene Kneipe, die er aufsucht, serviert allerdings ganz besonderes Essen.

In Algernon Blackwoods „H.S.H.“begegnet ein Wanderer in einer einsam gelegenen Hütte einem Besucher, der ihm Ehrfurcht einflößt.

Im Sekundärteil warten drei Artikel auf den Leser. Karin Reddemann beschäftigt sich mit Flüchen und in diesem Zusammenhang mit der lang überholten Sichtweise auf Sinti und Roma, Silke Brandt beleuchtet alte, gebrechliche Protagonisten in der dunkle Phantastik und Niels-Gerrit Horz legt eine minutiös recherchierte Bibliographie des Werks August William Derleths vor - eigentlich ein Anstoß, endlich einmal die Solar-Pons-Geschichten gesammelt auf Deutsch aufzulegen.


Insgesamt gesehen einmal mehr ein bunter Strauß an wirklich guten Geschichten, die stilistisch ansprechend gruselig zu unterhalten wissen.