Gruselkabinett 166: Bisclavet, Marie de France (Hörspiel)

Gruselkabinett 166
Bisclavet
Marie de France & Marc Gruppe (Script)
Sprecher: Peter Weis, Jean Paul Baeck, Antje von der Ahe u.a.
Titelbild: Ertugrul Edirne
Titania Medien, 2020, 1 CD, ca. 71 Minuten, ca. 8,99 EUR

Rezension von Christel Scheja

Marie de France (1135-1200) ist wohl die erste bekannte Dichterin Frankreichs. Im Hochmittelalter fiel sie vor allem mit einer Sammlung von Versnovellen auf, von denen wohl „Bisclavet“ zu den bekanntesten gehört. Marc Gruppe hat diese Geschichte nun als Hörspiel adaptiert.


Eric de Bisclavet lebt als ehrbarer Ritter in der Bretagne. Obwohl er sogar am königlichen Hof leben und in der Gunst seines Königs stehen könnte, zieht er es vor, sein Gut zu verwalten und in der Abgeschiedenheit zu leben. Zum Ärgernis seiner Frau hat er ein Geheimnis vor ihr: Er will ihr nicht verraten, warum er sich an den Tagen um den Vollmond herum zurückzieht.

Als sie ihm doch entlocken kann, warum er sich versteckt ist das Entsetzen groß und verleitet sie zu einer grausamen Tat. Denn mit einem Werwolf kann sie nicht länger zusammen sein. Damit aber fängt die Geschichte erst richtig an.


„Bisclavet“ ist bemerkenswert, nicht nur aufgrund des Alters der Geschichte, sondern weil die Autorin gewisse Konventionen bricht, die auch heute noch für viele bestehen. Hauptthema ist die reine und ehrliche Liebe, die Grenzen überwindet und sich nicht um das Aussehen schert, sondern in erster Linie das Herz erkennt. Einer solchen begegnen wir in der märchenhaft angehauchten Mär, die mit Ekel und Verrat beginnt, aber doch noch auf seine Weise ein gutes Ende findet. Und dabei zählt es nicht, dass die liebenden Seelen das gleiche Geschlecht haben, denn die reinen Gefühle sind auch dem Kirchenmann, der Beides mit Wohlwollen beobachtet, recht und billig. Das Ideal der Liebe, wie es in der Minnesänger-Zeit gerne vorgetragen wurde, schimmert auch hier durch und spielt geschickt mit den Doppeldeutigkeiten.

Der Mythos um den Werwolf bietet zwar auch erotische Momente, in der Beziehung der Bestie zu den Menschen zählen aber letztendlich doch ganz andere Dinge, die sehr geschmackvoll in Szene gesetzt werden und einmal mehr deutlich machen, warum die wahren Bestien meistens immer in ganz anderen Gestalten daher kommen.

Die Sprecher tauchen wie immer ganz in ihre Rollen ein und arbeiten die besonderen Seiten ihrer Charaktere heraus, ohne dabei allzu sehr zu übertreiben. Dazu kommt ein passender Klangteppich mit dezent zurückhaltender Musik.

Mystisch, aber auch mit bedeutsamen christlichen Werten versehen kommt „Bisclavet“ daher, das neueste Hörspiel der „Gruselkabinett“-Reihe. Der Werwolf wird hier einmal von einer ganz anderen Seite aus betrachtet, die man nur sehr selten findet - und zudem wird ein Ideal der Liebe in Szene gesetzt, das heute vermutlich Vielen fremd ist.