H. G. Wells: Die ersten Menschen auf dem Mond (Buch)

H. G. Wells
Die ersten Menschen auf dem Mond
(The First Men in the Moon, 1901)
Übersetzung: Jan Enseling
Titelbild und Innenillustrationen: Hauke Kock
Mantikore, 2020, Paperback, 316 Seiten, 13,95 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Was ist das für ein merkwürdiger Mann, der jeden Tag vor sich hinsummend an der Meeresküste nahe des Hauses eines Theaterautors steht und vom Sonnenuntergang unberührt sinniert?

Eines Tages, die Muse ist sowieso nicht freundlich gestimmt, spricht unser der Autor, Bedford mit Namen, den Mann an. Cavor wohnt nicht weit entfernt, den Schornstein seines Hauses nebst Werkstatt sieht man von der angemieteten Hütte Bedfords und denkt über seine wissenschaftlichen Forschungen nach.

Dass der etwas weltfremde Wissenschaftler eine sensationelle Erfindung gemacht hat, begeistert Bedford. Zusammen wollen sie das Cavonit, ein Stoff, auf den die Schwerkraft nicht wirkt, auf seine praktische Umsetzung prüfen und schlussendlich verwerten.

Mittels einer Hohlkugel fliegen sie unter Einsatz des Cavonits zum Mond. Doch statt einen lebensfeindlichen Planeten vorzufinden, stoßen sie auf Schnee, der nach Sonnenaufgang schmilzt und Pilze und Sträucher aus dem Boden schießen lässt.

Kaum haben sie ihre Kugel verlassen, verirren sie sich, machen die Bekanntschaft von Seleniten, ameisenähnlichen Mondbewohnern, die die Beiden (von dem Genuss eines Pilzes berauscht) ins Mondinnere entführen.

Eine abenteuerliche Flucht schließt sich an. Bedford gelingt es, alleine auf die Erde zurückzukehren. Der Erfinder meldet sich noch einmal aus der Gefangenschaft. Über Funk berichtet er von seinem weiteren Schicksal, der Audienz beim Seleniten-Herrscher und der Ungläubigkeit, mit der die Mondbewohner auf die menschlichen Kriege reagieren…


H. G. Wells’ Roman steht ein wenig im Schatten von Jules Vernes „Von der Erde zum Mond“. Hier wie dort, aber auch in diversen Utopien anderer Verfasser, geht es um den Triumph menschlichen Erfindergeists, um die Erkundung des Mondes und letztendlich oft auch um den Kontakt mit den dortigen Bewohnern.

Anders als bei Verne sind unsere beiden Weltraum-Reisende keine Freunde. Auf der einen Seite steht der weltfremde, ja naive Erfinder, auf der anderen der auf seinen materiellen Vorteil bedachte Autor.

Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen aber hat Wells die abenteuerliche Geschichte, die sich auch heute noch durchaus flüssig und spannend liest, auch dafür genutzt, seinen martialischen Zeitgenossen einen Spiegel vorzuhalten. Dass die Mondbewohner über die Kriegstreiberei, über die Begeisterung in den Krieg ziehen zu dürfen verstört sind, ist heute gut nachvollziehbar; war zur Zeit, da Wells den Text verfasste, aber eher selten anzutreffen.

Ingesamt hält der Leser hier einen waschechten, frühen Science-Fiction-Roman in Händen. Es gibt Weltraumfahrten, Begegnungen mit intelligentem Leben außerhalb der Erde, Gefahren und Kämpfe, so dass sich der Roman auch Jahrzehnte, nachdem er geschrieben wurde, noch flüssig liest.