Karen Chance: Dämonisch verführt (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 28. September 2010 20:14
Karen Chance
Dämonisch verführt
(Midnights Daughter)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Andreas Brandhorst
Titelillustration von Larry Rostant
Piper, 2010, Taschenbuch, 396 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-492-29198-9
Von Carsten Kuhr
Karen Chance hat uns bislang mit ihrer Prophetin Cassie Palmer unterhalten. In der von ihr geschaffenen übernatürlichen Urban-Fantasy-Umwelt hat sie mit rasanten Abenteuern und viel Action gepunktet. Die Serie orientiert sich dabei an den angesagten Vampir-Reihen, ohne dass das Erotisch-Zwischenmenschliche zu sehr in den Vordergrund gerückt wäre. Während andere Autorinnen dabei oft den Fehler begehen, ihrer Erzählerin zu lange treu zu bleiben, immer wieder schalen Aufgüsse derselben Plots zu präsentieren, sattelt Chance bildlich gesprochen auf ein neues Pferd um.
Geht man nach dem Waschzettel, so erwartet den Leser eine prickelnde Geschichte der „sexiest Halbdämonin alive“. Das hört sich zwar griffig und halbseiden an, ist, gelinde gesagt, aber Bullshit – und das ist auch gut so! Statt uns also eine abgedroschene Vampirromanze aufzutischen, bleibt Chane sich treu. In den Mittelpunkt stellt sie eine Halbvampirin, eine sogenannte Dhampirin. Das kennen wird doch irgendwo her – ja, das Ehepaar Handee hat uns bei Lyx mit entsprechenden Geschichten – allerdings im Dark-Fantasy-Bereich – erfreut und Jeaniene Frost glänzte bei Blanvalet mit der Dhampirin Cat.
Ähnlich wie bei Frost hat auch unsere Erzählerin ihre liebe Mühe mit den untoten Verwandten väterlicherseits. Im Verlauf ihres fünfhundertjährigen Daseins hat sie tausende von Vampiren gepfählt und sich nicht nur in deren Kreisen, sondern auch unter den Magiern einen Namen gemacht. Umso erstaunter ist sie, als sie ihr sonst bestenfalls ignorierender Vater, immerhin ein Meistervampir, um Hilfe bittet. Es geht darum, seinen Bruder, der aus der Gefangenschaft entkommen ist, zu stellen. Dass es sich bei dem Geflohenen ausgerechnet um Drac alias Dracula handelt, und dass sie zudem noch einen Helfer, oder doch eher einen nervigen Aufpasser, zur Seite gestellt bekommt, macht den Auftrag nicht einfacher ...
Der Rahmen der Handlung ist uns aus der „Cassie Palmer“-Serie bekannt. Auch wenn man diese nicht gelesen hat, wird man der Handlung folgen können und spannend unterhalten werden. Auf der anderen Seiten erhöht sich der Reiz der Lektüre natürlich, wenn man bekannte Gestalten und Orte aus einer anderen Perspektive erneut zu Gesicht bekommt. Statt also zu viel Zeit und Raum auf den Weltenentwurf verwenden zu müssen, kann sich die Autorin ganz ihrer neuen Protagonistin widmen. Nach einem rasanten Start erfahren wir, nach und nach eingestreut in die Geschehnisse, mehr vor der scheinbar jungen Dame. Ausgegrenzt, missachtet ja angefeindet musste sie ihr ganzes Leben im übermächtigen Schatten ihres Erzeugers verbringen. Dass sie ein ambivalentes Verhältnis zu diesem, einem der mächtigsten Vampire der Welt, hat, kann man gut nachvollziehen. So ist ihre Art zu leben, ständig am Rand der Vernichtung zu balancieren, auch ein Schrei danach, wahrgenommen zu werden. Als ihre Freundin entführt wird – nein, sie ist nicht lesbisch, wie schon gesagt, konzentriert sich Chance auf die rasante Handlung – lässt sie sich um diese zu retten breitschlagen, entgegen ihrer inneren Überzeugung ihrem Vater zu helfen. Dabei klingt unterschwellig aber natürlich auch der Wunsch mit, wahrgenommen und anerkannt zu werden. Das rührt den Leser, gleichzeitig ist man beeindruckt, wie sie den unsterblichen Geschöpfen ein ums andere Mal zeigt, was eine Harke ist.
Viele Kampfschilderungen, rasante Jagden, Magie und ein ganz klein wenig Romantik vereinen sich zu einem kurzweiligen, aufgrund der sehr angenehmen Übersetzung von Andreas Brandhorst flüssig und packend zu goutierenden, Lesevergnügen ohne großen Tiefgang aber mit jeder Menge Dhampir-Power.