Bradley, Alan: Flavia de Luce – Mord im Gurkenbeet (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 13. Februar 2010 00:00
Alan Bradley
Flavia de Luce – Mord im Gurkenbeet
(The Sweetness at the Bottom of the Pie)
Aus dem Englischen übersetzt von Gerald Jung und Katharina Orgaß
Titelillustration von lacopo Bruno
Penhaligon, 2009, Hardcover, 384 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3027-3
Von Irene Salzmann
Flavia de Luce ist ein aufgewecktes zehnjähriges Mädchen, das zusammen mit seinem verschrobenem Vater und zwei älteren Schwestern auf dem Buckshaw-Anwesen lebt. Besonders großes Interesse bringt sie dem Chemie-Labor eines Vorfahren, den dazugehörenden Fachbüchern und der Geschichte der Gifte entgegen.
Als Flavia eines Morgens im Gurkenbeet einen Sterbenden vorfindet, dessen letzten Worte »Vale!« lauten, informiert sie umgehend die Polizei. Die Beamten verscheuchen sie natürlich vom Tatort und verhaften den Vater als bequemsten möglichen Täter. Daraufhin beginnt Flavia zu ermitteln, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Tatsächlich hatte der Unbekannte am Vorabend einen Streit mit dem Vater – aber dass dieser ein Mörder sein soll? Niemals!
Ihre Fragen führen Flavia zur Aushilfs-Bibliothekarin, die einen Jahrzehnte alten Groll gegen den Vater und einige seiner Mitschüler hegt, denn sie lastet ihnen den angeblichen Selbstmord ihres Onkels an. Dieser war passionierter Philatelist und gab sich die Schuld daran, dass einem Kollegen durch einen Schuljungenstreich eine besonders wertvolle Briefmarke verloren ging.
Flavia forscht weiter, bis ihre Neugierde sie schließlich selber in tödliche Gefahr bringt …
Laut Klappentext ist Alan Bradley Jahrgang 1938 und widmet sich seit 1994 dem Schreiben: Bei »Mord im Gurkenbeet« handelt es sich um seinen viel gepriesenen Debüt-Roman. Besucht man die Homepage des Autors, stellt man fest, dass Flavia de Luce bereits eine recht große Fan-Gemeinde hat und weitere Bücher folgen werden. Und auf die darf man wirklich gespannt sein!
Zunächst hat man den Eindruck, ein Buch zu lesen, das um 1900 spielt, denn die altkluge Titelheldin bedient sich einer Ausdrucksweise, die besser in jene Zeit passt als in das Jahr 1950 – die Titelillustration zeigt zudem ein Mädchen in dunkler, altmodischer Kleidung, die man Mitte des vergangenen Jahrhunderts längst abgelegt hatte. Der Eindruck wird auch genährt durch die typische Steifheit der Briten, das abgeschiedene Leben am Rande einer kleinen Ortschaft, die konservativen Erziehung und den etwas gestrig wirkenden Vater, der so manche ›moderne‹ Errungenschaft wie das Telefon oder das Auto nur bedingt akzeptiert.
Trotzdem findet man sehr schnell Zugang in Flavias Welt. Das Mädchen erzählt von sich und den Streichen, die sie ihren Schwestern spielt, sowie von ihren ungewöhnlichen Hobbys. Damit ist der Grundstein für die weitere Handlung gelegt, und man versteht, warum sie beim Anblick der Leiche nicht in Panik verfällt, woher sie die Courage nimmt, überall ihre Nase hineinzustecken, weshalb sie nicht die Nerven verliert, als sie in Gefahr gerät. Dabei reagiert sie wirklich überaus abgebrüht und erwachsen für eine Zehnjährige.
Obwohl das schon fast zu viel des Guten ist, nimmt man es weder dem Autor noch Flavia übel. Tatsächlich bezieht die Geschichte ihren besonderen Reiz gerade aus den Eigenarten der Hauptfigur, die eine gute Beobachterin ist, die richtigen Fragen zu stellen weiß, sich durch Überlegen der Lösung eines Problems nähert. Auf den reißerischen Klappentext »Die genialste Giftmischerin …« hätte man besser verzichtet, denn zum einen trifft diese Aussage die Handlung überhaupt nicht auf den Punkt, denn Flavia ist keine LUCrEzia Borg(FLAV)IA, und das Buch hat diese Form der Werbung überhaupt nicht nötig.
Geschickt führt der Autor den Leser durch seine Geschichte. Flavia setzt Puzzlestück um Puzzlestück zusammen und klärt auf diese Weise mehr als ein Verbrechen auf. Das Ende ist spannend inszeniert, zumal die Protagonistin trotz ihrer Klugheit ein Kind bleibt, das nicht jedes Problem allein bewältigen kann. Die letzten zwei Seiten sind dann auch … typisch britisch.
Krimi-Fans, die ungewöhnliche Ermittler schätzen und keine krawallige Action brauchen, werden viel Spaß an dieser Lektüre haben. »Mord im Gurkenbeet« ist trotz der jungen Hauptfigur gewiss kein Kinderbuch, sondern ein spannender Roman, der zum mittüfteln einlädt und den ganz eigenen Charme besitzt, der zum Beispiel auch Filme wie »Rebecca« oder »Das Haus der Lady Alquist« auszeichnet.