Akram El-Bahay: Das Schattentor - Ministry of Souls 1 (Buch)

Akram El-Bahay
Das Schattentor
Ministry of Souls 1
Bastei Lübbe, 2020. Paperback, 350 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-404-20965-1 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schreiben das Jahr 1850. In London gibt es Geister - viele Geister, die ihren Weg in die Zwischenwelt nicht finden oder schlicht nicht gehen wollen. Da kommen wir ins Spiel. Gestatten Jack, einer der Soulmen des geheimen Ministeriums für endgültige Angelegenheiten. Wir suchen die Geister, geleiten sie durch die Tore in die Zwischenwelt und müssen dann innerhalb einer Stunde wieder in die reale Welt wechseln, sonst stecken wir fest. Und das wäre so gar nicht gut!

Nun, ich habe ein wenig geflunkert. Soulman bin ich erst, nach meinem erfolgreichen ersten Einsatz. Und der kommt früher, als gedacht.

Als in King’s Cross ein Zugunglück das Leben von mehr als einhundert Arbeiter fordert, sind alle Soulmen im Außeneinsatz. Und just da kommt eine Anforderung von Buckingham Palace. Eine orientalische Delegation wurde gemeuchelt - und ich bin momentan der einzig verfügbare (angehende) Soulman.

Als ich im Sitz der Königin eintreffe, stelle ich fest, dass eines der Opfer, die Tochter des Sultans, noch lebt. Gerade so. Als mich ein merkwürdiges Wesen angreift, mache ich das, was ich auf keinen Fall tun sollte: Ich bringe eine Lebende in die Zwischenwelt und lasse sie länger als eine Stunde dort. Eine schlechte, ganz schlechte Idee - sorgen Lebende in dieser Umgebung doch dafür, dass sich die Zwischenwelt zersetzt.

Nun muss ich also die dort verschollene Prinzessin finden und retten, gegen das dunkle Wesen, einen Ifrit, kämpfen und die Vernichtung der Zwischenwelt rückgängig machen. Gut, dass ich zwei Gefährten an der Seite habe, die mich dabei unterstützen: einen toten Bibliothekar und Zauberer - na gut, fast einen Ex-Kollegen - und Ramses, eine schwarze Katze…


Akram El-Bahay hat bewiesen, dass er ein wahrer Geschichten-Erzähler ist. In seinen beiden bei Bastei Lübbe erschienen Trilogien („Flammenwüste“ und „Die Bibliothek der flüsternden Schatten“) verband er dabei orientalische Mythen und Elemente mit einer mitreißenden Fantasy-Handlung.

Vorliegend entführt er uns im ersten Band des Zweiteilers (der abschließende Band ist für Oktober 2021 in Vorbereitung) nach London zur Zeit Queen Victorias. Das Dampfzeitalter hat Einzug gehalten, der Gestank aus den Elendsvierteln und den Fabriken verpestet die Luft. Assassinen aus den Kolonien verüben Anschläge und mittendrin, eine geheime Behörde, die sich um die Seelen der just Gestorbenen kümmert, die nicht von allein ihren Weg ins nächste Reich finden. Das hat von der Idee schon etwas, verbindet das bekannte Flair der britischen Metropole mit etwas Übernatürlichem und lässt den Leser rätseln, was es mit den Seelen der Zwischenwelt und dem Schatten nur so auf sich hat.

In diese Kulisse hat er dann seine drei Hauptdarsteller gesetzt. Der etwas tollpatschige, zu Beginn nichts richtig machende Jack, der das Herz auf dem rechten Fleck hat. Und Oz, der weltfremde Bücherwurm, der neugierig Wissen sucht. Und schließlich die orientalische Prinzessin Naima, die so gar nicht dem üblichen Schema der naiven Schönen entspricht, sondern aktiv und schlagkräftig - fragen Sie mal Jack und erwähnen Sie einen grazilem Fuß auf seiner Kehle! - um ihre Leben kämpft. Na gut, dann gibt es da noch so ein Katzenvieh - aua, Pardon eine wunderbare, tiefschwarze und majestätische Katze. Besser so?

Tja, und das alles vermengt sich dann zu einem faszinierenden Plot voller orientalischer Geheimnisse, Magie und dem Dasein nach dem Tod.

Bildhaft erzählt der Autor mir seine Geschichte, scheinbar mühelos erscheinen in meinem Kopf die entsprechenden Bilder.

Heimlicher Held des Buches aber ist - nein, nicht die Katze, zumindest zu Beginn nicht, sondern Oz. Ein wissensdurstiger Tagträumer, verschüchtert, dann wieder überheblich, entwickelt er sich zum unverzichtbaren Freund und Helfer der Helden. Jack hat es hier ganz schön schwer, trotz Mitleidsbonus als Waisenkind, beim Leser zu punkten. Überhaupt bleiben er und die Prinzessin - noch - ein wenig zu diffus in ihrer Zeichnung. Hier bietet der zweite Teil die Chance, weitere Details ihrer Charaktere zu zeichnen und sie in sich runder und überzeugender zu machen.

Der Roman beginnt ein wenig verhalten, fast britisch unterkühlt. Mit der Prinzessin und den orientalischen Einflüssen kommt Tempo und Dramatik in die Handlung, die uns mehr und mehr an die Seiten bannt. Warten wir ab, wie El-Bahay in einem Jahr den Plot zu einem in sich runden Ende bringen wird.