Lev Grossman: Fillory – Die Zauberer (Buch)

Lev Grossman
Fillory – Die Zauberer
(The Magicians)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Stefanie Schäfer
Fischer-FJB, 2010, 618 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-8414-2100-5

Carsten Kuhr

Was benötigt man heutzutage, um einen Fantasy-Bestseller zu schreiben? Nun, eine Gruppe magiebegabter Jugendlicher kommt gut, dazu ein Zauberinternat, in dem eben diese Eleven ausgebildet werden, andere, aus erfolgreichen Büchern bekannte Welten und dunkle Dämonen, die unsere Helden bedrohen, fertig ist das allseits gepriesene Buch.

Hogwarts und Co lässt grüßen, und zu Beginn der Lektüre dachte ich so bei mir, eben wieder einmal einen Potter-Klon in Händen zu halten. Glücklicherweise erwies sich diese Annahme als falsch – essentiell falsch. Zwar beinhaltet das Buch genau dem Rezept entsprechende Ingredienzien, doch der Inhalt, wie auch die sprachliche Ausführung, unterscheiden sich markant von den Werken aus Rowling’ scher Feder.

Doch beginnen wir am Anfang. Quentin, unser Protagonist, ist ein geistiger Überflieger. Seine Mitschüler hat er weit hinter sich gelassen, er ist aber permanent frustriert und unzufrieden. Wo in aller Welt soll er noch Herausforderungen finden, wie seinem Leben einen Sinn geben? Einzig seine abflauende Begeisterung für die Zauberei – Fingerkunststückchen und Taschenspielereien – sowie die fünfbändige Buchreihe aus den 30er Jahren um das fiktive Fantasy-Reich Fillory, das an Narnia erinnert, können ihn aus seiner apathischen Null-Bock-Haltung hervorlocken. Als ihm dann das Brakebills College nicht nur mitteilt, dass die Zauberei tatsächlich existiert, sondern ihm sogar einen Studienplatz offeriert, greift er zu. Die nächsten fünf Jahre wird er zu einem Magier ausgebildet, schließt sich dabei einer Gruppe angehender Zauberer an und findet eine Freundin. Nach dem erfolgreichen Abschluss, einer Menge von zwischenmenschlichen Erfahrungen und Langeweile entdeckt er zusammen mit seinen Freunden, dass Fillory wirklich existiert. Zusammen reisen sie ins Land ihrer Kinderträume nur um zu erleben, dass man sich selbst nicht entrinnen kann ...

Fast zwei Drittel des Romans hat der Autor dem Bericht über den Aufenthalt in Brakebills gewidmet. Und dies liest sich auf den ersten Blick wenig spektakulär. Es geht um Lernen, um das Interagieren in der Gruppe der Studenten, um Selbstfindung und um sich anbahnende gruppen-dynamische aber auch erotische Beziehungen. Das Erstaunliche dabei ist, dass sich dieser Teil – zumindest für mich – als der interessantere Part präsentierte. Hier, in der Zeichnung der – wenigen – Figuren setzt Grossman seine Pfähle. Das sind faszinierend vielfältig gezeichnete Charaktere, die sich glaubwürdig und folgerichtig fortentwickeln, die fehlen und daraus schmerzhaft lernen. Hier zeichnen sich, nach und nach, faszinierende Persönlichkeiten ab, die sich mit den Fragen des Lebens herumschlagen müssen. Neben Drogen- und sexuellen Exzessen, Vergnügungssucht und der allgemeinen Haltlosigkeit der Heranwachsenden, die sich und ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden haben, geht es dabei in erster Linie darum, sich aus der eigenen Langeweile zu lösen, sich zu motivieren und die Prüfungen zu bestehen. Verborgen hinter den vordergründigen Handlungen aber geht es schlicht um die Frage, was man mit seinem Leben anfangen soll, wie man mit den großen Fragen der Existenz umgehen soll. Es sind die Zweifel und Gedanken, die wir alle im Verlauf unseres Erwachsenwerdens gedacht und im Kopf gewälzt haben, ohne endgültige Antworten zu finden, die diesen Teil so lesenswert machen, findet sich der Rezipient doch an die eigene Jugend erinnernd, so manches Mal schmunzelnd über die Naivität der Protagonisten den Kopf schüttelnd wieder. Demgegenüber bietet die Auflösung der Handlung in Fillory mit seinen intelligenten Tieren und den Kämpfen eher altgewohntes Lesefutter ohne wirklich zu verblüffen. Zu offensichtlich sind die Parallelen zu Narnia und Oz, als dass hier wirklich der Reiz des Neuen den Leser an die Seiten bannen würde.

Dem Vernehmen nach arbeitet der Autor an einer Fortsetzung, auch wenn er in vorliegenden Roman schon viel, fast zu viel, hineingepackt und die Handlung eigentlich abgeschlossen hat.