Sabine Strick: Mörderisches Paradies - Ein Fall für Dominique Demesy 1 (Buch)

Sabine Strick
Mörderisches Paradies
Ein Fall für Dominique Demesy 1
dp DIGITAL PUBLISHERS, 2020, eBook, 4,99 EUR (auch als Taschenbuch erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

„Die Abenddämmerung senkte sich über die indische Stadt Delhi. Die halbverfallenen Gebäude der Altstadt wirkten im Zwielicht geheimnisvoll und leicht bedrohlich. In dicken Mauerresten zertrümmerter Festungen wucherte das Unkraut, in kahlen Hallen gewaltiger Grabmäler verklang das Geräusch der Schritte. In den Gewölben von Jagdpavillons nisteten Hornissen. Putz bröckelte von den schwarz gewordenen, pilzdurchsetzten Mauern. Krähen krächzten. Hoch am Himmel kreisten Aasgeier und erinnerten an Tod und Verfall.“

Dominique „Nick“ Demesy arbeitet als Privatdetektiv für die Filiale der Londoner Detektivagentur Stacy & Langmaster im indischen Delhi. Gerade haben er und sein Partner Peter Hestersant einen Routinefall abgeschlossen, da erhält er einen Anruf seiner Ex-Frau Cathérine aus Paris.

Die Bitte, ihre gemeinsame Tochter Jennifer, jetzt, nach dem Abitur, eine Zeitlang bei sich aufzunehmen klingt zuerst wie ein schlechter Scherz. Zwar lebt sich Jennifer gut in Dehli ein und bekommt sogar einen Hilfsjob in der Detektei, doch das Verhältnis zu ihrem Vater ist zunächst von gegenseitiger Unsicherheit geprägt. Dominique lenkt sich mit Arbeit ab, Jennifer leidet unter der Nichtbeachtung und versucht durch Aufsässigkeit und absichtliches Fehlverhalten die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu ergattern.

Als blinde Passagierin begleitet Jennifer Dominique und Peter nach Kaschmir, wo die Detektive in Sachen Drogenschmuggel ermitteln. In einer brenzligen Situation beweist sie Mut und Scharfsinn und kann damit Peter und auch sich selbst das Leben retten. Sie wird selbst als Detektivin angestellt und ermittelt fortan zusammen mit ihrem Vater.

„Jennifer wurde mitgerissen von dem gigantischen Fluss aus dunkeläugigen Fußgängern, deren Köpfe mit Turbanen, Schleiern, Tüchern und weißen Käppchen bedeckt waren. Auf den Bürgersteigen wurden Fahrräder und Rikschas repariert, Barbiere rasierten ihre auf Hockern sitzenden Kunden an der frischen Luft, Schuster besohlten die Schuhe mit Stücken aus zerfetzten Autoreifen. Einige Menschen hatten sich in den Hauseingängen zusammengerollt und schliefen, andere wuschen sich an den öffentlichen Wasserhähnen. Manche hockten sich mit dem Rücken zur Menge in die Straßenrinnen und erleichterten sich dort völlig ungeniert oder schnäuzten lautstark einfach auf den Boden…“


Mit „Mörderisches Paradies“ legt Sabine Strick die ersten Abenteuer von Privatdetektiv Dominique Demesy vor, der gemeinsam mit seiner Twen-Tochter Jennifer an exotischen Schauplätzen ermittelt.

Der Anfang, die Annäherung von Dominique und seiner ihm fast fremden Tochter, die mittlerweile eine junge Frau ist, gestaltet sich etwas holprig. Nachdem jedoch die Fronten und Gefühle geklärt sind und Dominique die Rolle des übervorsichtigen Beschützers abgelegt hat, erkennen beide, dass sie gar nicht so unterschiedlich sind. Zwischen Vater und Tochter entwickelt sich eine innige Freundschaft, die sogar so weit geht, dass beide ihre Bettgeschichten nicht voreinander verheimlichen. Überhaupt sind dieser durchgehend liberale Umgang mit Moral und die damit einhergehenden Charakter-Zeichnungen ein großer Pluspunkt des Romans. Und Sabine Strick schafft es souverän, alle sich damit anbietenden Peinlichkeiten zu vermeiden; die Autorin hat diese heikle Gratwanderung erstaunlich gut im Griff.

Im Grunde ist „Mörderisches Paradies“ eine ganze Sammlung von Abenteuern, die Dominique und Jennifer mal länger, mal kürzer und mit wechselnden Mitstreitern an diverse Schauplätze in und um Indien führen. Im „Palast der Winde“ in Jaipur ist ein Versicherungsbetrug im Gange, in einem Dorf im Himalaya müssen einem untergetauchten pakistanischen Politiker wichtige Papiere überbracht werden, in Benares sollen Dominique und seine neuen Kollegin einen Maharadscha beschützen, in der Drogen- und Lasterhölle Bombay gilt es, zwei verschwundene Industriellensöhne zu finden. Ein sehr privater Fall führt die Detektive sogar bis in die russische Taiga, wo sie für Dominiques Schwägerin ein Familienrätsel lösen müssen.

Aufgefüttert sind diese Episoden mit diversen horizontalen Handlungsfäden, die das Ganze gekonnt zusammenhalten und die Hauptfiguren Schritt für Schritt weiterentwickeln. Zusätzlich eingebettet sind die Abenteuer in eine Rahmenhandlung, die Dramatisches erahnen lässt. Dort erfährt man, dass der Detektiv diese Geschichten auf dem Krankenbett erzählt, mehr oder minder im Morphiumrausch, und es steht wahrlich nicht gut um ihn. Außerdem wird angedeutet, dass ihn Jennifer in diese Lage gebracht hat.

Hier bleibt der Roman auch offen und bietet einen Anknüpfpunkt für die Fortsetzung „Tödliche Nächte“, die bereits im Februar 2020 erschienen ist.

Exotische Schauplätze, lebendige Charaktere, ungewöhnlicher Handlungsaufbau, episodenhaft und gleichzeitig durchweg spannend. Große Klasse, Sabine Strick.