Baker Street Tales 2: Sherlock Holmes und der geheimnisvolle Mr. Scrabb, Barbara Büchner (Buch)

Baker Street Tales 2
Sherlock Holmes und der geheimnisvolle Mr. Scrabb
Barbara Büchner
Hrsg.: Alisha Bionda
Titelbild und Innenillustrationen: Shikomo
Arunya, 2015, eBook, 2,99 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Als er das sagte, kam mir zu Bewusstsein, was ich kurzfristig völlig vergessen hatte, nämlich, dass wir uns im äußersten Winkel eines riesigen, vollkommen menschenleeren Hauses befanden, am Rande eines Labyrinths toter Zimmer mit verhangenen Möbeln. Mir lief ein unbehaglicher Schauer über den Rücken.“

In der Nähe des ehemaligen Mädcheninternats Glencreacht House wird angeblich mehrfach ein unheimliches Wesen gesichtet, das aufgrund seiner Erscheinung „Mister Scrabb“ - eine Mischung aus Spinne und Krabbe - getauft wird. Bereits fünfzig Jahr zuvor, als Glencreacht noch genutzt wurde, soll es in der Gegend zu ähnlichen Sichtungen gekommen sein. Erst nach einer Typhus-Epidemie in dem Internat schien „Mister Scrabb“ verschwunden.

Wie es der Zufall will, ist einer von Watsons Kriegskameraden, Jock McKellen, nun Verwalter des abgeschieden gelegenen Gebäudes, was in erster Linie bedeutet, das verlassene Haus gegen Landstreicher oder Störenfriede zu bewachen. Neugierig geworden, entschließt sich Watson zu einem Besuch bei Jock McKellen, doch fühlt sich der Besucher in dem Gemäuer zunehmend schlechter, so dass er bald wieder abreist.

Zurück in London taucht Watson in die Historie von Glencreacht House ein, die wenig Erbauliches zutage fördert und offenbar eher vom Aberglauben und Fremdenhass der damaligen Zeit diktiert wurde.

„Über Mister Scrabb hatte der „Führer durch das ländliche Lancashire“ nichts zu sagen, aber dass die Spanier nach Meinung der Einheimischem auf die eine oder andere Weise mit dem Teufel im Bund gewesen waren, daran ließ er keinen Zweifel. Zu verdächtig waren das menschenscheue Dasein, die seltsame Immunität gegenüber allen politischen Gefahren, das unerschöpfliche Gold, die privaten nächtlichen Begräbnisse - und die Tatsache, dass praktisch alles, was die Familie Ramirez brauchte, auf Schiffen über die Irische See und dann in geschlossenen Wagen nach Glencreacht geschafft wurde, oft zu nächtlicher Stunde.“


Ebenso wie J. J. Preyer („Baker Street Tales“ 1“ ist auch dessen Landsfrau Barbara Büchner kein Neuling in Sachen Sherlock Holmes. Inzwischen gehen drei (Episoden-) Romane um den Meisterdetektiv auf das Konto der Österreicherin (aktuell „Sherlock Holmes und der Höllenbischof“, Fabylon).

„Mr. Scrabb“ ist nun kein klassischer Sherlock Holmes-Fall, da Holmes und Watson - letzterer ist sogar deutliche präsenter - mehr oder weniger nur Zaungäste der Ereignisse sind.

Nichtsdestoweniger hat Barbara Büchner eine phantastisch-stimmungsvolle Novelle mit deutlichem Grusel-Faktor abgeliefert. Wenn Watson mit seinem Freund des Nachts durch das verlassene Anwesen streift - das alte Haupthaus ist noch sehr viel besser in Schuss als die jüngeren Anbauten - und die bizarre Skulptur auf dem Dach jeden Moment zum Leben erwachen könnte, das ist schon Gänsehaut-Feeling pur und eine der großen Stärken der bekennenden Horror-Autorin.

Aus einer klassischen Grusel-Geschichte könnte auch der zweite Akt der Geschichte stammen, in dem die Historie des Hauses beleuchtet wird. Nicht nur, dass das Gebäude von einem spanischen Günstling Mary Tudors erbaut wurde, auch sonst kocht die Gerüchteküche der Zeit förmlich über, und auch der Bischoff weiß Erschreckendes über den Bau von Glencreacht House zu berichten. Von ganz und gar unheimlichen Dingen ist hier die Rede, von einer unerklärlich schnellen Fertigstellung des Hauses, dessen Mauersteine von entweihten Kirchen stammen sollen; von geheimen und unheiligen nächtlichen Begräbnissen, von ausschweifenden Feiern, von unerklärlichem Wohlstand der fremdländischen Bewohner usw.

So hat Barbara Büchner unterm Strich gar keinen Krimi sondern eine historische Haunted-House-Novelle verfasst, in der zufällig Sherlock Holmes und John Watson auftreten.

„Sherlock Holmes und der geheimnisvolle Mr. Scrabb“ ist kein Sherlock Holmes-Krimi im erwarteten Sinne aber eine atmosphärisch dichte Schauer-Erzählung klassischen Zuschnitts mit Gänsehaut-Garantie.