Neandertal 1: Der Jagdkristall (Comic)

Neandertal 1
Der Jagdkristall
(Neandertal: Le cristal de chasse)
Text & Artwork: Emmanuel Roudier
Übersetzung: Tanja Krämling
Lettering: Dirk Schulz
Splitter, 2009, Hardcover, 56 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-940864-86-4

Irene Salzmann

Es muss nicht immer Fantasy sein: Emmanuel Roudier interessiert sich für Archäologie und schuf mit „Neandertal“ eine Serie, in der er die aktuellen Kenntnisse über die titelgebenden Frühmenschen verarbeitet hat und dadurch mit einem realistischen, atmosphärisch dichten Szenario aufwartet, das durch passende Illustrationen in erdigen Tönen unterstützt wird.

Laghou ist sehr geschickt und weiß, die besten Werkzeuge und Waffen anzufertigen. Aber er hat ein lahmes Bein und wird darum nicht von den Jägern seines Stammes akzeptiert. Nachdem sein Vater, der Anführer und beste Jäger der kleinen Gruppe, von Langbart, dem Leitbullen der Bisonherde getötet wurde, muss er im Lager bleiben, während die anderen Männer ausziehen, um den Wunsch des Toten nach Rache zu erfüllen. Heimlich folgt Laghou den Jägern und beobachtet Schreckliches. Allerdings kann er niemandem davon erzählen, denn sein Wort hat kein Gewicht, und die Männer würden ihn sofort töten. Ghoibu, der Schamane, ist der einzige, der außer Laghou die Wahrheit kennt und ihm einen Rat gibt. Daraufhin bricht Laghou auf, um auf der Hochebene nach dem Mondclan zu suchen. Allein seine Angehörigen kennen das Geheimnis, wie man aus einem Bergkristall eine besondere Waffe macht. Laghou möchte den fremden Stamm bitten, ihm einen Jagdkristall zu überlassen, damit er seinen Vater und das Verbrechen rächten kann – doch der Weg ist weit, gefährlich, und er weiß nicht, ob er dem Mondclan willkommen ist …

Emmanuel Roudier verbindet ein spannendes Abenteuer mit belegtem Hintergrundwissen beziehunsgweise Theorien, die nicht abwegig sind. Er erlaubt dem Leser, einen Blick auf das Leben der Neandertaler, ihre Glaubenswelt und Bräuche zu werfen. Zusammen mit dem lahmen Laghou, der die schützenden Höhlen verlässt, lernt man eine gefährliche, urzeitliche Welt kennen. Einen Außenseiter zum Helden der Geschichte zu machen, ist längst Gang und Gäbe und durchaus eine gute Wahl. Als moderner Mensch kann man sich viel leichter in Laghou hinein versetzen, da er aufgrund seines Gebrechens seinen Verstand und seine Geschicklichkeit zu nutzen lernte, während sich die Jäger auf ihre rohe Kraft verlassen. Nebenbei wird die Hierarchie im Clan verdeutlicht, die abhängig vom Nutzen ist, den man für die Gruppe hat. Schon bald zeigt sich, dass Laghou trotz seiner Behinderung in der Lage ist, in der Wildnis zu überleben, und er den Mut hat, sich der Aufgabe zu stellen, die der Mondclan ihm auferlegt im Austausch für den Jagdkristall. So bricht er zusammen mit der schönen Mana zu einer noch viel gefährlicheren Reise auf. Der Band endet mit einem Cliffhanger, und man muss schon auf die Fortsetzung(en) warten, will man wissen, was Laghou und Mana zustößt, ob aus den beiden ein Paar wird, ob sie in die Hände der Menschenfresser fallen, ob es ein Heilmittel für die mysteriöse Krankheit gibt, an der viele vom Mondclan leiden, ob Laghou Rache nehmen kann und es für ihn ein Happy End gibt.

Schon früher gab es den einen oder anderen Comic, der im Zeitalter der Neandertaler spielte, zum Beispiel „Tunga“ und „Rahan“. Emmanuel Roudier ist mit „Der Jagdkristall“ ein überzeugender Auftaktband gelungen, der durch eine nachvollziehbare Handlung, glaubwürdige Charaktere und realistische Bilder erfreut. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht!