Mr. & Mrs. X 1 (Comic)

Kelly Thompson
Mr. & Mrs. X 1
(Mr. & Mrs. X 1-5: Love & Marriage, 2018/2019)
Übersetzung: Carolin Hidalgo
Titelbild: Skottie Young
Zeichnungen: Oscar Bazaldua, Frank D‘Armata
Panini, 2019, Paperback, 106 Seiten, 13,99 EUR ISBN 978-3-7416-1168-1

Rezension von Irene Salzmann

Als eingefleischter X-Men-Fan, der den Abenteuern seiner Lieblingsfiguren gewiss chronologisch folgen möchte, sollte man „Mr. & Mrs. X“ 1 unbedingt nach „X-Men Gold“ 6 lesen, da der vorliegende Band gewissermaßen ein Spoiler ist und den Ausgang der Geschehnisse des anderen Paperbacks verrät.

Wer hingegen dieses bereits gelesen hat, weiß:

 

Die Hochzeit von Kitty Pryde und Piotr Rasputin/Colossus ist geplatzt. Obwohl sich die beiden lieben, waren die Selbstzweifel, ob sie die Erwartungen des jeweils anderen würden erfüllen können, zu groß, so dass Kitty verschwand, bevor die Zeremonie vollendet werden konnte. Daraufhin überraschte Remy LeBeau/Gambit Anna Marie/Rogue mit einem Heiratsantrag, woraufhin sie im Kreis ihrer Freunde getraut wurden.

Um nicht ausgerechnet während der Flitterwochen die Welt retten zu müssen, hat sich das junge Paar ins All zurückgezogen. Doch selbst an einem so einsamen Ort ist ihnen keine traute Zweisamkeit vergönnt. Kitty sendet die beiden aus, von einem Raumschiff ein mysteriöses Objekt zu bergen und zur Erde zu bringen. Dazu kommt es allerdings nicht, denn die Imperiale Garde der Shi‘ar hat Cerise, die Hüterin des ‚Kristalls‘, überwältigt.

Es gelingt Rogue, den Gegenstand an sich zu nehmen und mit Hilfe der Fähigkeit ihrer Gegnerin aus dem Schiff zu phasen - ohne Raumanzug in den sicheren Tod. Gambit ist entsetzt, aber dann verschwindet Rogue urplötzlich. Mit einem Teleporter, der bei ihrer Durchsuchung übersehen wurde, schafft es Cerise, sich und die Gardisten aus dem Schiff zu befördern, woraufhin Gambit mit Hilfe eines Trackers nach Rogue und dem Kristall zu suchen beginnt.

Er findet beide ausgerechnet mit Wade Wilson/Deadpool, der Rogue gerettet hat und ebenfalls hinter dem Objekt her ist, das zerbricht und ein ‚Ei‘ freilegt. Bevor er sich damit aus dem Staub machen kann, taucht eine Gruppe interdimensionaler Kopfgeldjäger, die sich Technet nennen, auf, so dass sich die drei gegen die Übermacht verbünden und glücklich mit dem Ei entkommen. Unerwartet schlüpft eine jüngere Version von Rogue heraus…


Nach den überwiegend ernsten Konflikten, denen sich die X-Men in letzter Zeit stellen mussten, liefert Kelly Thompson („Rogue & Gambit“) mit diesem Fünfteiler ein heiteres Abenteuer, das richtig Spaß macht.

Dafür sorgen eine geballte Ladung Situationskomik und Deadpool, der kurzzeitig drauf und dran war, Rogues neuer boyfriend zu werden - eine wahrlich reizvolle Beziehung, aus der dann leider nichts wurde, weil Deadpool Rogues Avengers-Team nach „Uncanny Avengers“ Vol. 3 Ausgabe 23 verließ. Doch die romantischen Gefühle vergehen nicht so schnell, und Rogue ist das Wiedersehen, insbesondere in Gambits Beisein, sichtlich unangenehm. Das eifersüchtige Hin und Her der drei liest sich äußerst amüsant dank vieler köstlicher Bonmots.

Darüberhinaus bringt die Autorin Charaktere ins Spiel, die man lange nicht mehr gesehen hat. Zwar hatten die Imperiale Garde, Deathbird und die Starjammers immer mal den einen oder anderen Auftritt, doch Cerise und die skurrile Gruppe Technet, beide Schöpfungen des britischen Künstlers Alan Davis, waren nach Einstellung der Serie „Excalibur“ kaum mehr in Erscheinung getreten. Sehr schön ist, dass Oscar Bazaldua die Charaktere so darstellt, wie man sie noch in guter Erinnerung hat, wobei es ihm gelingt, ihnen dieselbe elegante und sympathische Ausstrahlung zu verleihen wie vor mehr als 30 Jahren Alan Davis.

Auch der Gag mit ‚Mini-Rogue‘ ist ein schöner Einfall, denn das, was aus dem Ei schlüpft, wird von dem geprägt, was es als Erstes erblickt, und tatsächlich entwickeln sich zwischen Rogue und Xandra sehr schnell freundschaftliche, fast schon Mutter-Kind-Gefühle. Was es mit Xandra auf sich hat, liefert die Erklärung, weshalb jeder hinter ihr her ist und für seine Zwecke missbrauchen oder viel Geld für sie bekommen möchte. Nun wird auch klar, weshalb die Sicherheit des Kindes auch für die X-Men so wichtig ist.

Am Schluss kommt es zum entscheidenden Showdown, bei dem alle, die Xandra beschützen wollen, einander - und auch dem Mädchen und seiner erstaunlichen Macht - blind vertrauen müssen, um die Auseinandersetzung zu beenden, bevor es Tote gibt.

Eingebettet in vordergründige Action- und Fun-Szenen sind die tiefen zwischenmenschlichen Gefühle der Beteiligten, insbesondere die von Rogue und Gambit.

Beide lieben sich seit Jahren, und es schien, als würden sie nie richtig zusammenkommen, weil Rogue nicht in der Lage war/ist, ihre Absorbtionskräfte zu kontrollieren. Hautkontakt war und ist immer nur dann möglich, wenn diese Fähigkeit durch einen Mutanten oder entsprechende Technik unterdrückt wird (in der kurzen Zeit, in der Rogue über die Kontrolle verfügte, waren beide getrennt). Auch jetzt trägt sie stundenweise ein Halsband, um sich Gambit nähern zu können. Dann wird Rogue unverhofft von Xandra vor die Wahl gestellt, ob sie sich von ihr diesen Teil des Gehirns entfernen lassen möchte, um ein normales Leben führen zu können.

Auch das gegenseitige Vertrauen spielt für das Paar eine wichtige Rolle, gerade weil es immer wieder zu schlimmen Vertrauensbrüchen kam, die unter anderem in „Rogue & Gambit“ von beiden aufgearbeitet wurden. Im reuigen Bewusstsein, dass jeder von ihnen Fehler begangen und den anderen verletzt hat, wollen sie es künftig besser machen, doch Wollen ist nicht Können, und wenn es um das höhere Ziel, die Konfliktbeendigung ohne Tote, geht, ist es mitten im Kampf oft unmöglich, dem Partner seinen Plan zu erklären. Dass keine böse Absicht dahintersteckt, sich zu einer Verzweiflungstat zu entschließen und den anderen nicht einzuweihen, ist schwer zu verdauen und eine Hürde, die beide wahrscheinlich immer wieder überwinden müssen. Immerhin stellen sich Anna Marie und Remy ihren Problemen und wollen es versuchen, während Kitty und Piotr im letzten Moment gekniffen haben.

Ein toller SF-Story-Arc mit vielen faszinierenden Charakteren, der Action, Comedy, Romance und Tiefgang vereint, dazu sehr schön gezeichnet ist. Genau so sollen Comics sein!