Theresa Hannig: Die Unvollkommenen (Buch)

Theresa Hannig
Die Unvollkommenen
Bastei Lübbe, 2019, Taschenbuch, 400 Seiten, 10,00 EUR, ISBN 978-3-404-20947-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Paula Richter, von allen immer nur Lila genannt, lebt in der Bundesrepublik Europa jenseits des Jahres 2050. Als sie, nach einem schon im Keim erstickten Anschlagsversuch auf den dortigen Herrscher Ercan Böser, wieder aus der modernen Strafanstalt entlassen wird, wo man im bewusstlosen Zustand Jahre vor sich hin vegetiert, ohne es zu bemerken, schreibt man das Jahr 2057.

Lila wird in ein modernes Gefängnis verlegt, wo sie den Rest ihres Lebens in einer Art Sicherheitsverwahrung verbringen soll. Der ehemalig Kühlungsborn genannte Gebäudekomplex ist mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet und besitzt auch ein großes Freigelände am Ostseestrand.

Obwohl es unmöglich erscheint, gelingt Lila durch einen anderen Gefangenen die Flucht. Wieder draußen erkennt sie, dass moderne Roboter immer mehr Einfluss auf die Gesellschaft gewonnen haben, während Roboterkörper, die von Bewusstseinen von Menschen beseelt sind, die Macht übernommen haben. Einer dieser Menschen, ein potenzieller Mitverschwörer Lilas von dereinst namens Samson Freitag, scheint der neue Messias aller zu sein. Er hat wohl sogar Ercan Böser entmachtet.

Samson Freitag gelingt es, alle Bewusstseine der Menschen, der Roboter und die aller menschlich Beseelter zu manipulieren und fernzusteuern.

Lila ist entsetzt und wehrt sich, zumindest so lange, bis sie selbst durch Chip-Imlantate „optimiert“ wird. Dann erschließt sich ihr eine neue Welt, in der sie sich dauerhaft wie auf nahezu nebenwirkungsloser Wohlfühldroge vorkommt. Nur der eigene Wille und die Freiheit scheinen nichts mehr zu zählen, man ist mit allem glücklicher und zufriedener als früher, der Wille zum Widerstand wird mehr und mehr geschleift. Als verschiedene Putschversuche gestartet werden, die das System beseitigen sollen, verliert Lila bald den Überblick und wird in einen mächtigen Strudel gezogen, der die Kultur und Zivilisation in Europa zu vernichten droht...


Hannigs Roman ist durchaus spannend und wimmelt auch von klugen Ideen, die jedoch leider nicht immer in aller Konsequenz durchdacht werden (Zum Beispiel bezüglich einer Vernetzung der menschlichen Bewusstseine zu einer Schwarmintelligenz).

Während die Charaktere eher blass bleiben und auch die Atmosphäre wenig überzeugt, besticht die Geschichte vor allem durch ihren intellektuellen Kitzel. Die verschiedenen Ebenen der Verschwörung, die beteiligten Verschwörerparteien und die Implikationen der hier durchgeführten Bewusstseinsmanipulationen nötigen dem Leser durchaus viel Aufmerksamkeit und Konzentration ab.

Trotzdem ist das Buch erstaunlich unterhaltsam geraten und lässt sich durchgängig gut lesen.

Sicherlich kein Thema für jeden Leser und sicherlich muss man schon sehr fokussiert sein, um dem Ganzen zu folgen. Wer diesen Weg jedoch geht, der erhält einen intellektuell anregenden Roman wie man ihn leider eher selten findet.