Sandra Schwarzer (Hrsg.): Halloween-Spezial - Magische Kurzgeschichten 4 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 13. Juni 2019 18:42
Sandra Schwarzer (Hrsg.)
Halloween-Spezial
Magische Kurzgeschichten 4
Schwarzer Drachen Verlag, 2017, Taschenbuch, 362 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-940443-64-9 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Das „Halloween-Spezial“ aus der Reihe „Magische Kurzgeschichten“ wartet mit 16 Storys von 10 Autorinnen und Autoren auf, die sich des anlassbezogenen Themas auf vielfältige Weise angenommen haben.
Jasmin Jülicher - „Die Spiegelung des Bösen“:
Tom sieht in den Spiegeln des neuen Hauses merkwürdige Dinge. Sogar sein eigenes Bild beginnt, sich zu verändern. Die nackte Angst packt ihn, aber er findet keine Möglichkeit, mit seinen Eltern über etwas zu sprechen, was er nicht in Worte zu fassen weiß, denn wer würde ihm glauben? Und dann sind Vater und Mutter plötzlich tot.
Jasmin Jülicher - „Die Stimme“:
Rick gefällt die Bauchrednerpuppe überhaupt nicht, die seine Frau Emily auf dem Flohmarkt als Deko-Objekt für ihre Wohnung gekauft hat. Während sie nichts hört, vernimmt er plötzlich immer wieder eine Stimme und wird von Albträumen geplagt. Als er im Internet recherchiert, stößt er auf einige bizarre Morde, die sich in der Gegend vor einigen Jahren ereignet haben - und der Täter besaß eine solche Puppe.
Matthias Schulz - „Der Geist von Dettheim“:
Die abergläubischen Bauern lassen sich leicht von dem fahrenden Händler um den Finger wickeln, so dass sie ihn gut bezahlen für wertlose Amulette und andere Schutzzauber. Doch dann kommt einer aus dem Dorf ums Leben, angeblich ermordet von einem Geist. Um seine guten Kunden nicht zu verlieren, verspricht Berthold, sie von diesem zu befreien.
Jasmin Jülicher - „Ewiger Hunger“:
Der Journalist Zack soll über eine unbekannte Frau berichten, die wer weiß wie lange in einer Ruine gehaust hat und völlig verwahrlost und unterernährt in die Klinik eingeliefert wurde. Er schleicht sich in ihr Zimmer, aber ein Gespräch ist nicht möglich. In ihren Lumpen findet er ein Medaillon, das er einem Antiquar zeigt, der ihm daraufhin eine Geschichte erzählt, die sich vor rund 130 Jahren zugetragen haben soll. Als sie gemeinsam das Krankenhaus aufsuchen, um das Schmuckstück zurückzugeben, stoßen sie überall in dem Gebäude auf Blut, Leichen und…
Jasmin Jülicher - „Atemstillstand“:
Auf der Erde gibt es kaum noch Pflanzen, und der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre nimmt stetig ab. Allein die Privilegierten besitzen die letzten Gewächse, mit denen sie ihre Wohnungen und Sauerstoffgeräte versorgen. Die breite, geschwächte Masse fristet ein kümmerliches Dasein. In den Fabriken arbeiten fast nur noch Homox, Menschen, bei denen Teile des Gehirns zerstört wurden, so dass sie unter diesen lebensfeindlichen Bedingungen einfache Tätigkeiten ausüben können. Allerdings stellt sich bald heraus, dass sie sich den Gegebenheiten anpassen und ihre Gehirne regenerationsfähig sind - und dass sie, anders als die ‚normalen‘ Menschen, auf dieser Erde eine Zukunft haben.
Jasmin Jülicher - „Tod aus dem Wasser“:
Der Insel Ohaia droht eine große Gefahr, die jedoch niemand benennen kann. Obwohl der König es zunächst als Märchen abtut, werden „Riels tausend goldene Schwerter“ aus einem unterirdischen Versteck geborgen und mit ihnen die Soldaten ausgerüstet. Dennoch können sie den Angriff nicht abwehren. Prinz Cian und sein Freund Primo ergreifen die Flucht, nachdem ihnen niemand die Tore des Schlosses öffnet. Ihr kleines Boot wird kurz vor dem rettenden Ufer attackiert.
Lars Hannig - „Versteckspiel im Grabhügelhaus“:
Endlich erfüllt sich Eliots Wunsch, und er darf während der Ferien ins ‚Wacky Fun Camp‘. Doch die Freude wird bald getrübt, denn ein anderer Junge hat ihn sogleich auf dem Kieker und macht ihm den Aufenthalt zu Hölle. Obendrein haben die Eltern vergessen, die Eintrittskarte zum Vergnügungspark zu buchen, und als er eine gewinnt, bekommt er sie prompt von dem Schläger abgenommen. Dennoch verschafft sich Eliot Zutritt, aber Butch folgt ihm und treibt ihn in die Enge. Unerwartet bekommt er Hilfe von Lilith, die ihn für einen der ‚ihren‘ hält, womit Eliots Probleme noch längst nicht gelöst sind.
Doris E. M. Bulenda - „Der Zahnarzt“:
Auf einer Halloween-Party lernt die Protagonistin einen attraktiven und charmanten Mann kennen, mit dem sie den Flirt in intimerer Umgebung gern fortsetzen möchte. „Der Zahnarzt“ und ‚die Krankenschwester‘ begeben sich in seine Praxis, wo er die Maske fallen lässt, kaum dass sie auf dem Behandlungsstuhl sitzt und auf diesem von Klammern fixiert wird. Mit dem fiesen Bohrer nähert er sich der Wehrlosen.
Doris E. M. Bulenda - „Im Nebel“:
Ein Ritt auf der Stute Gitti führt Conny in einen Teil des Waldes, der ihr unbekannt ist. Grund dafür sind Baumfäll-Arbeiten, die sie zwingen, eine andere Route zu wählen. Allmählich wird es Abend, Nebel zieht auf, und etwas Unheimliches scheint darin zu lauern.
Olga Baumfels - „Horrorclowns zu Halloween in Handorf“:
Sandra sorgt sich um ihren Sohn, der mit dem Rad zu einer Halloween-Party fährt und erst spät nach Hause zurückkehren will. Als sie mitten in der Nacht erwacht, ist er noch nicht da, aber ein Horrorclown, der sie bedroht und behauptet, der Junge sei überfahren worden.
Lisann Fuchs - „Ein unerwarteter Besuch“:
Wieder mal kommt Darlas Mann nicht nach Hause, obwohl er weiß, dass die Tage um Halloween sie beunruhigen. Als ein Camper sie um Wasser bittet, lässt sie ihn in die Wohnung und verbringt sogar eine Liebesnacht mit Jay, die er ihr auf ganz spezielle Weise vergelten will.
Veronika M. Dutz - „Das Geheimnis von Fredericksburg“:
Leon, ein Journalist, soll in einer mysteriösen Angelegenheit recherchieren. Dabei begegnet er einer wunderschönen Frau, Calliope, die überrascht ist, welche Wirkung der Fremde auf sie ausübt. Einige Tage später sehen sie einander in einer Kneipe wieder. Vom Wirt erfährt Calliope, dass der Gast zu viele Fragen stellt und dabei womöglich ihrem Geheimnis gefährlich nah gekommen ist.
Janina Breidt - „Château – Der Mitrat“:
Tim dringt in eine Burgruine ein, obwohl ihn eine Stimme, die ihn Vincent nennt, warnt, dass er fliehen soll. Er begegnet einem Mädchen, mit dem er durch das Gemäuer hetzt, als merkwürdige Geräusche erklingen, die ihnen folgen. Allmählich beginnt er, sich zu erinnern.
Wolfgang A. Gogolin - „Der Sünde Kern“:
Die Mönche auf der Insel Kritias hören die Stimme Gottes und verkündeten sein Wort den Gläubigen. Bis das Findelkind Leandros, nun ein junger Mann, sich eine Frau nimmt. Er wusste nicht, dass auch für ihn das Gebot gilt, keusch zu leben und keine Frau auf die Insel zu bringen. Jetzt ist Gott fort, und ein anderer erscheint.
Chèle Deni . „Des Teufels Auslese“:
Die Seele des Verstorbenen will an ihrem Leben im Diesseits festhalten. Darum sucht der Geist eine Hexe auf, die ihm angeblich Schutz gewähren wird, wenn er ihr überlässt, was sie begehrt. Prompt wird der Geist betrogen.
Doris E. M. Bulenda - „Geteilte Seele“:
Einer einsamen Frau fällt buchstäblich ein Dämon vor die Füße, der sie nach Hause bringt und dort nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Er bietet ihr einen Handel an: Wenn sie ihm verspricht, dass sie ihm nach ihrem Tod ihre Seele überlässt, wird er bis zu diesem Tag ihr Beschützer, Diener und Lustsklave sein. Weil sie Mitleid mit dem Dämon hat, überlässt sie ihm ihre halbe Seele und wünscht sich, dass er sie freiwillig ab und zu besucht. Nachdem er jedoch bekam, was er wollte, verschwindet er. Unverhofft kehrt die verschenkte Seelenhälfte zurück, aber die Frau weist sie ab, denn sie hat ihr Wort gegeben, das sie halten will, auch wenn der Dämon sie offenbar hereingelegt hat.
Bei der Lektüre fällt auf, dass die wenigsten Geschichten tatsächlich einen Bezug zu Halloween haben („Der Zahnarzt“, „Horrorclowns zu Halloween in Handorf“, „Ein unerwarteter Besuch“, „Des Teufels Auslese“), und selbst diese hätten sich vor dem Hintergrund eines anderen Ereignisses wie Karneval, Wintersonnenwende oder ähnlichem ereignen können. Um dennoch eine angemessene Atmosphäre zu erzeugen, verlegten die Autoren ihre Storys in den Herbst, der für Nebel, das frühe Einbrechen der Dunkelheit, Verfall und Moder (Natur) steht.
Desweiteren werden gern klassische Figuren des fantastischen Genres aufgegriffen wie der umherirrende Geist („Der Geist von Dettheim“, „Ein unerwarteter Besuch“, „Château - Der Mitrat“, „Des Teufels Auslese“), der Zombie („Ewiger Hunger“, „Atemstillstand“), der verrückte Wissenschaftler („Der Zahnarzt“), der Vampir („Im Nebel“, „Das Geheimnis von Fredericksburg“), der Dämon („Geteilte Seelen“) und andere Fabelwesen („Tod aus dem Wasser“).
Doch auch der zeitgenössische Horror wird berücksichtigt und könnte seine Vorbilder in bekannten Filmen und Büchern haben: „Die Spiegelung des Bösen“ („Mirrors“, „Shining“), „Die Stimme“ („Chucky - Die Mörderpuppe“), „Versteckspiel im Grabhügelhaus“ („Alice Cooper - Die letzte Versuchung“), „Horrorclowns zu Halloween in Handorf“ („Es“), „Der Sünde Kern“ (der ewige Kampf von Gut und Böse).
Selbst Schlagzeilen, die in den Medien präsent waren oder sind, haben Eingang gefunden wie die leichte Manipulierbarkeit der Massen („Der Geist von Dettheim“), Klimawandel („Atemstillstand“), Mobbing („Versteckspiel im Grashügelhaus“), das geschmacklose Erschrecken und Bedrohen von Passanten durch ‚böse Clowns‘ („Horrorclowns zu Halloween in Handorf“).
In der Summe ergibt sich daraus eine bunte Mischung mit Überschneidungen bei den Motiven, die sich weniger durch Originalität als durch Abwechslungsreichtum auszeichnet. Die Geschichten sind überwiegend unter Mystery, Horror, Dark Fantasy beziehungsweise Urban Fantasy einzuordnen, seltener unter Heroischer Fantasy und SF. Bei den Protagonisten handelt es sich in der Regel um normale Menschen, hin und wieder auch um Phantasie-Wesen, die durch besondere Umstände aus ihrem Alltag gerissen und mit einer Bedrohung konfrontiert werden, der sie in einigen Fällen entkommen können und in anderen nicht oder auf die eine überraschende Lösung durch einen Kompromiss gefunden wird.
Was (besonders) gefällt, ist natürlich Geschmacksache. Titel, die etwas länger in der Erinnerung bleiben, mögen zum Beispiel „Atemstillstand“ sein, in dem ein auswegloses Szenario geschaffen wird, das im weiteren Sinn an „Soylent Green“ und „Die Dämonischen“ beziehungsweise das Remake von Letzterem, „Die Körperfresser kommen“, erinnert; „Versteckspiel im Grashügelhaus“, das gleich mehrere klassische Figuren (verrückter Wissenschaftler, Vampir und so weiter) mit einer Neil-Gaiman-Story und dem Thema Mobbing auf doch ganz witzige und stilistisch gelungene Weise verknüpft; und „Geteilte Seelen“, das im Ansatz die Frage aufwirft, ob es Seelen wirklich gibt, dann aber, dem eigentlichen Motiv der Geschichte geschuldet, die Handlung in den Mittelpunkt rückt und diese mit Werten wie Ehrlichkeit, Dankbarkeit und tiefen Gefühlen besetzt. Abgerundet wird die Anthologie durch eine kurze Vorstellung der Autoren.
Die Titelillustration von Michael Schwarzer sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert der Reihe „Magische Kurzgeschichten“, wurde sie mittlerweile doch schon bei acht Bänden verwendet, wenn auch unterschiedlich koloriert.
Dark-Fantasy-Freunde, die sowohl Spaß an Geschichten mit klassischen Grusel-Figuren als auch an Anspielungen auf moderne Gestalten und Motive haben, sollten einen Blick in diese abwechslungsreiche Anthologie werfen.