Dennis E. Taylor: Alle diese Welten (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 12. Juni 2019 20:00
Dennis E. Taylor
Alle diese Welten
(All These Worlds, 2017)
Übersetzung: Urban Hofstetter
Heyne, 2019, Paperback, 380 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31932-5 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Gunther Barnewald
Was bisher in den ersten beiden Romanen der Trilogie geschah:
Nach seinem Tod wurde der Physiker und reiche Software-Entwickler Bob Johansson zu einer kybernetischen Intelligenz umgewandelt, die sich selbst replizieren kann (wobei durch kleine Abweichungen ständig neue Persönlichkeiten entstehen) und die in der Lage ist, zum Beispiel Raumfahrzeuge zu steuern, zu bauen und weiter zu entwickeln.
Bob gelingt es, den Weltraum zu bereisen und neue Welten zu entdecken, was auch dringend notwendig ist, hat sich die Menschheit inzwischen durch Krieg fast vollständig aufgerieben und unseren Heimatplaneten völlig ruiniert.
So entstehen Archen, mit denen Bob und seine „Klone“ den Rest der Menschheit zu den Sternen verschiffen, um sie dort auf geeigneten Welten anzusiedeln. Zudem gelingt es Bob, eine Technik zu entwickeln, die zeitlose Kommunikation im Universum ermöglicht, so dass er sich mit all seinen „Kopien“ ohne Zeitverlust vernetzen kann.
Außerdem entdecken die vielen Bobs auch andere intelligente Zivilisationen, darunter aber leider auch eine äußerst aggressive, die alle anderen Intelligenzen nur als Nahrung betrachtet und schon einige andere Völker ausgelöscht hat.
Als diese auf die Menschheit (beziehungsweise deren Reste) und vor allem die ganzen Bobs aufmerksam werden, ist bald klar, dass das Schicksal der letzten Menschen und auch aller Bobs am seidenen Faden hängt...
Die Fortsetzung von „Ich bin viele“ und „Wir sind Götter“ ist ebenfalls erneut spannend und unterhaltsam geraten. Erneut liest sich die Geschichte weg wie nichts, die ständigen Brennpunkte der einzelnen Erzählstränge lassen erneut kaum Langeweile aufkommen. Leider ist jedoch im Abschlussband der Trilogie der Spannungsbogen dem Autor etwas missraten, denn gegen Ende gibt es eine erhebliche „Stauchung“ und die Handlung kommt recht abrupt zu ihrem Ende, lässt zudem noch einen Handlungsstrang (Stichwort: „Der durchgeknallte Brasilianer“) offen.
Wer die ersten beiden Bände mochte, wird auch vom Finale nicht enttäuscht sein. Wer jedoch etwas mehr hinter die Kulissen schaut, gewinnt den Eindruck, der Autor selbst habe etwas das Interesse an dem von ihm geschaffenen trivialen Universum verloren. So gibt sich Taylor keinerlei Mühe, die feindlichen Aliens etwas näher zu beschreiben, die Bobs verzichten auf deren genauere Erkundung, denn für alle Probleme gibt es ja noch immer die beliebte „Holzhammer-Methode“, hier mal wieder enervierend prägnant in Szene gesetzt. Leider fehlt dem Ganzen dadurch jedwede Klasse, das Niveau fällt.
Überhaupt fehlt dem Autor die Finesse, die Ambivalenz, die gute Fiktion oft ausmacht. Bei Taylor ist jede Figur immer nahezu sofort als gut oder böse zu identifizieren, Duelle zwischen diesen beiden Seiten enden immer, wenn auch manchmal nach erheblichen Verlusten, so wie es die Moral erfordert mit Happy End. Das Ganze schmälert die Spannung und ist leider sehr vorhersehbar.
Insgesamt ist die Trilogie spannendes, und vor allem zu Anfang auch intelligentes Lese-Futter, dem jedoch bald die Luft ausgeht und das, bedingt durch seine Trivialität, schnell zu vorhersehbar wird, um den Leser wirklich aus dem Sessel zu hauen. Gäbe es, neben den unendlich genialen Bobs, auch noch andere sympathische, fähige und vor allem überhaupt erwähnenswerte Protagonisten, dann wäre die auf Dauer nahezu unerträgliche Egozentrik (oder hier vielleicht noch besser weil altmodisch und übertrieben: der Egozentrismus) der Geschichte nicht so dominant und enervierend. Schade, dass Taylor nicht mehr aus der Geschichte herausholen konnte.
Aber wahrscheinlich ist diese Trilogie der ideale Spiegel für die heutige Generation Selfie, Egoshooter oder Ich-und-sofort (also die Generation Ego), in der kein Bedürfnisaufschub mehr geleistet werden kann und die eigenen Wünsche gnadenlos im Mittelpunkt stehen. Junge Menschen, vor allem Nerds, werden die Trilogie lieben und verehren.
Bei Fredric Brown gab es 1951 wenigstens noch viel Selbstironie im Universum des gnadenlosen SF-Fans („What mad Universe“, dt. als „Das andere Universum“), bei Taylor nur viele Anspielungen und ein klein wenig Humor. Immer unterhaltsam und spannend, aber bei allzu konkretem Blick hinter die Kulissen leider nahezu unerträglich unreif und trivial. Schade! Da wäre mehr drin gewesen!