Emily Brontë: Sturmhöhe (Hörbuch)

Emily Brontë
Sturmhöhe
(Wuthering Heights, 1847)
Übersetzung: Grete Rambach
Gekürzte Lesung von Rolf Boysen
Hörverlag, 2018, 10 CDs, ca. 666 Minuten, ca. 18,99 EUR, ISBN 978-3-8445-2210-5

Rezension von Irene Salzmann

Emily Brontë (1818-1848) veröffentlichte 1847 unter dem Pseudonym Ellis Bell ihren einzigen erhaltenen Roman „Sturmhöhe“ („Wuthering Heights“) und erlebte nicht mehr, dass der zunächst die Leserschaft schockierende Titel - aufgrund der ausführlichen Schilderung einer Hass-Liebe, von der zwei Generationen in Mitleidenschaft gezogen wurden - ein großer Erfolg wurde und nun zu den Klassikern der britischen Gesellschaftsromane zählt.

Das Hörbuch wurde 1988 vom NDR produziert und vom Hörverlag 2018 veröffentlicht auf 10 CDs in einer aufklappbaren Box. Das gezeichnete Cover von Elisabeth Roth zeigt Heatcliff auf eine Nachricht wartend unter dem Baum, während Catherine bei der Geburt ihrer und Edgars Tochter stirbt.

Für die gekürzte Lesung konnte der Schauspieler Rolf Boysen (1920-2014) gewonnen werden, der unter anderem in „Michael Kohlhaas“, „Die Buddenbrooks“, „König Lear“ und vielen anderen Rollen innehatte und weitere Hörbücher las, darunter Umberto Ecos „Der Name der Rose“, Ernest Heminways „Der alte Mann und das Meer“ und Vergils „Aeneis“. Seine tiefe Stimme, die er den Charakteren anpasst, lässt in „Sturmhöhe“ vor allem Heathcliff lebendig werden.


Mr. Earnshaw, Besitzer des Gutshofs Wuthering Heights, bringt von einer Geschäftsreise ein verwahrlostes Kind mit, das offenbar keinerlei Angehörigen hat. Er lässt Heathcliff zusammen mit seinen leiblichen Kindern Catherine und Hindley sowie dessen Milchschwester Ellen (Nelly) Dean aufziehen. Während die Familie den Neuankömmling ablehnt, wird Heathcliff schnell zum Liebling seines Gönners.

Als die vier älter werden, ändert sich vieles: Nelly ist sich ihrer Position als Angestellte längst bewusst und bestrebt, im Sinne ihrer Herrschaften zu handeln. Catherine, die ein rechter Wildfang ist, freundet sich mit Heathcliff an. Hindley verlässt das Elternhaus und kehrt erst nach dem Tod der Eltern als neuer Besitzer des Guts mit seiner Frau Frances zurück, mit der er einen Sohn, Hareton, hat.

Zufällig lernt Catherine die gleichaltrigen Kinder der benachbarten Lintons von Trushcross Grange näher kennen, Edgar und Isabella. Durch den Umgang mit ihnen wird sie mit den gesellschaftlichen Konventionen vertraut gemacht und entdeckt einen Lebensstil, der Heathcliff verschlossen bleibt und einen Keil zwischen sie zu treiben beginnt. Aus verletztem Stolz heiratet Catherine schließlich Edgar, obwohl sie Heathcliff ebenso liebt wie er sie, woraufhin er zutiefst verletzt sein Glück in der weiten Welt sucht.

Als Heathcliff nach einigen Jahren zurückkehrt, nimmt er Rache an allen, die ihm irgendwann einmal, seiner Ansicht nach, übel mitspielten.

Hindley ist mittlerweile verwitwet, spielsüchtig und verschuldet, so dass Heathcliff mit dem Geld, das er verdient hat, das Gut übernehmen kann. Er zieht Hareton auf seine Seite, da der Junge seinen gleichgültigen Vater nicht leiden mag.

Auch die ruhige Ehe von Catherine und Edgar stört Heathcliff. Er macht sich Isabellas Verliebtheit zunutze und brennt mit ihr durch, weil sie nach Edgars Tod die Erbin des Familienanwesens sein wird. Sehr bald bereut Isabella, alle Warnungen ignoriert zu haben, doch gelingt es ihr, aus der unglücklichen Ehe auszubrechen und bis zu ihrem Tod den gemeinsamen Sohn Linton fern von Wuthering Heights aufzuziehen.

Edgar hätte ihn gern bei sich behalten und mit seiner und der verstorbenen Catherines Tochter, die ebenfalls Catherine getauft wurde, aufwachsen lassen, doch Heathcliff fordert die Herausgabe seines Sohnes, um über ihn nach Edgars Ableben an das Linton-Gut zu gelangen durch seine Verheiratung mit Catherine.


Die Geschehnisse, die zwei Generationen der Earnshaws und Lintons ins Unglück stürzen, werden nicht direkt und als zusammenhängende Geschichte von der Autorin erzählt, sondern in eine Rahmenhandlung eingebettet, die kurz vor und nach dem Ende des Dramas spielt. In dieser lernt der neue Pächter Mr. Lockwood, der sich auf von Trushcross Grange eingemietet hat, die eigentümlichen Bewohner von Wuthering Heights kennen und erfährt in erster Linie von Nelly, was sich zugetragen hat - und so auch der Leser oder Hörer.

Heathcliff erscheint wie ein Kuckuckskind, das der gutherzige Mr. Earnshaw arglos in sein Nest beziehungsweise Haus holte. Für die Dinge, die dann passieren, ist er blind und bevorzugt stets den Findeljungen, was schließlich Hindley aus dem Haus treibt und ihn ins Elend stürzt. Die sich entwickelnde Zuneigung zwischen Heathcliff und Catherine zerbricht an beider Stolz, doch weder Edgar noch Isabella können die jeweiligen Lücken füllen. Sie werden ebenfalls ein Opfer der verzehrenden Hass-Liebe, die Catherine und Heathcliff verbindet. Leiden müssen gleichermaßen die Kinder aus Ehen, die nur einseitig aus Liebe und aus Berechnung und Rache geschlossen wurden. Catherine, Linton und Hareton sind Cousine und Cousin und werden skrupellos von Heathcliff benutzt und gegeneinander ausgespielt.

Nelly ist die involvierte Beobachterin, die zu helfen versucht, aber gegen den Egoismus, den Starrsinn, die Unvernunft und den Hass dieser Menschen wenig ausrichten kann. Heathcliff bleibt vom Anfang bis zum Ende die treibende Kraft, und selbst in Momenten der Trauer kann man wenige Sympathien für ihn empfinden. Er mag Opfer, vor allem aber Täter sein, und jene, die er verfolgt, sind zunächst Täter aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen, ohne wirklich böse zu sein, dann aber die Leidtragenden eines grenzenlosen Hasses.

Die Hass-Liebe nimmt zum Ende transzendente Züge an. Der Gedanke an Catherine steckt in Heatcliff wie ein heimsuchender Geist, denn er hat sie nie losgelassen. Beide wollen zusammen sein, wenn nicht im Leben, dann im Tod. Die Menschen ihres Umfelds spielen keine Rolle. Es kommt also, wie es kommen muss - und ein Happy End gibt es bloß für jene, denen es gelingt, der Hass-Spirale zu entfliehen, zu verzeihen und neu anzufangen.

Der Roman/das Hörbuch ist sehr intensiv und wurde mehrfach verfilmt, wobei die Version von 1939 mit Merle Oberon, Laurence Olivier und David Niven die bekannteste sein dürfte, da sie einige Male im Fernsehen gezeigt wurde. Auch einige Musiker nahmen sich des Stoffs an, darunter Kate Bush auf ihrem Debüt-Album „The Kick Inside“, 1978.

Auch fast zweihundert Jahre später lässt die Geschichte das Publikum nicht kalt. Die Figuren sind nicht wirklich sympathisch, weil sie zu egoistisch agieren und man sich nicht mit ihren identifizieren kann. Man empfindet zwar Mitleid, aber das hält sich in Grenzen oder kippt, sobald die Opfer zu Tätern werden und Unschuldige leiden lassen.

Weder die Charaktere noch die Handlung folgen gängigen Normen, so dass die Geschichte wirklich ungewöhnlich verläuft und noch heute beeindruckt.

Ein Titel, den jeder kennen sollte!