Doris E. M. Bulenda: Gwyrn und Axtkämpfer Saxran - auf erotischer Wanderung zwischen den Welten (Buch)

Doris E. M. Bulenda
Gwyrn und Axtkämpfer Saxran - auf erotischer Wanderung zwischen den Welten
DeBehr, 2019, Paperback, 218 Seiten, 11,95 EUR, ISBN 978-3-95753-610-3 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Tinas Begeisterung, die Faschings- und Kuppelfeier eine Freundin zu besuchen, hält sich in Grenzen. Schließlich erscheint sie doch in einem scharfen Red-Sonja-Kostüm zu der Party, deren Motto die germanische Mythologie ist. Ein attraktiver Typ mit Maske und wenig Kleidung, der sich als Axtkämpfer Saxran vorstellt und wohl ein etwas durchgeknallter Rollenspieler ist, erregt ihr Interesse. Die beiden verlassen die Fete, und obwohl es Tina immer mulmiger wird, kann sie sich dem Mann, der sie recht grob behandelt, nicht entziehen.

Erst als er sie in eine heruntergekommene Hütte bringt und verlangt, dass sie sich ans Bett fesseln lässt, gelingt es Tina, den Bann abzuschütteln und zu fliehen. Als sie wenige Wochen später auf dem Heimweg von drei üblen Kerlen bedrängt wird, ist Saxran wie durch ein Wunder zur Stelle und rettet sie. Als Danke darf er Sex mit ihr haben, denn sie findet ihn immer noch aufregend - aber in ihrer Wohnung und zu ihren Bedingungen.

Nachdem beide feierliche Eide geschworen haben - Tina wird nicht versuchen, Saxrans Maske herunterzuziehen, er wird nicht mehr auf Fesseln bestehen und ihren Anordnungen gehorchen -, muss die junge Frau feststellen, dass ihr Lover überhaupt keine Ahnung hat, wie man seiner Gespielin Lust bereitet. Sie bringt ihm das Notwendige bei, und Saxran erweist sich als gelehriger Schüler. Er erkennt sie als seine Dame an, nennt sie nach seiner verehrten Göttin Gwyrn und verspricht wiederzukommen.

Wer jedoch wiederkommt, sind einige von Saxrans Kameraden, die Gwyrn bitten, mit ihnen zu kommen. Ihr Lover hat die Priesterin des Gottes Karhan beleidigt und soll dafür büßen. Gwyrn köpft die Statue von Karhan, befreit Saxran und flieht mit den Kriegern in deren Quartier. Für diesen Eklat muss sich Gwyrn, die mittlerweile begriffen hat, dass sie sich nicht unter Rollenspielern sondern in einer anderen Welt befindet, einem Gottesurteil stellen.


Doris E. M. Bulenda schickt nach „Der Dämon und das Bauernmädchen“ einmal mehr eine junge Frau in eine ihr fremde Welt, deren Gepflogenheiten sie selbst herausfinden muss, um nicht ständig von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen zu staksen.

Die Handlung des vorliegenden Romans spielt nicht in der Vergangenheit mit Ausflügen in die Dämonenwelt, sondern in der Gegenwart, und die aus der Phantastik bestens bekannten Dimensions- oder Zeittore („Perry Rhodan“,  Gabaldons „Highland“-Saga, Farmers „Die Welt der tausend Ebenen“ etc.) befördern die Protagonistin in ein Fantasy-Reich, das an Helheim erinnern soll. Die Masken, welche Saxran und die anderen Krieger tragen, lassen vermuten, dass es sich um Tote handelt, die nicht nach Walhall gelangten und genauso wie Hel (eine intakte und eine ‚tote‘ Körperhälfte) entstellt sind. Aber dem ist nicht so, und die Heimat der Barbaren verliert auch ganz rasch dieses Germanen- oder „Edda“-Flair.

Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen liefert die Mythologie keineswegs den Background für diese archaische Welt, die eher an einen zeitgenössischen Artus-Film abseits von Hollywood erinnert (weit, weit weg von den sauberen „Rittern der Tafelrunde“ [Robert Taylor, Ava Gardner; 1953] und „Prinz Eisenherz“ [Robert Wagner, Janet Leigh; 1954]), zum anderen nimmt die resolute Protagonistin kein Blatt vor den Mund, scheißt Krieger, Priester und Götter nach Bedarf und mit gängiger Wortwahl zusammen - und kommt immer irgendwie davon, egal, wie heikel die Situation ist.

Gwyrn schläft sich durch viele Betten, angefangen bei Saxran und seinen Kameraden, die sie ebenfalls als ihre Dame verehren möchten - die Krieger haben einen an der Minne orientierten, aber viel pragmatischeren Ehrenkodex, sind aber sehr naiv, unerfahren und devot -, bis hin zu diversen Götter und Göttinnen, die nicht ihren Ursprung in den nordischen Sagen haben, sondern frei erfunden sind. Indem sie ihren Sexpartnern (und vor allem sich selbst) Lust verschafft, verpflichtet sich Gwyrn ihre Bettpartner und beendet so manche langjährige Feindschaft.

Zugegeben, wenn man das Buch zu lesen beginnt, ist man zunächst etwas irritiert, weil Tina/Gwyrn - angesichts der aktuellen Gefahren für Frauen - sehr viel trinkt, mit unbekannten, groben Männern geht und sie reizt, mit wechselnden Partnern inklusive einer Göttin ungeschützten Sex hat etc. Sie wird manipuliert und wehrt sich schließlich dagegen, dennoch bleibt dieses Grundverhalten, was man bloß damit erklären kann, dass eine realistischer angelegte Handlung mit allen Wenn und Aber zu langatmig gewesen wäre, zumal das Hauptanliegen Sex ist (und Buchhelden nur dann entsprechende Probleme haben, wenn es der Autor will).

Infolgedessen präsentiert  Doris E. M. Bulenda ihre Protagonistin als sehr selbstbewusst und frech, was die Männer der Fantasy-Welt, die so etwas nicht gewohnt sind, einschüchtert, vor allem weil sie Frauen extrem verehren. Dadurch schleicht sich ein humoriger, parodierender Unterton in die Geschichte, die Genre-Klischees umdreht und durch den Kakao zieht, angefangen bei den unpraktischen Amazonen-Kostümen mit High Heels (die man von diversen Buch- und Comic-Covers kennt) bis hin zu der halbnackten ‚Tussi‘, die hier mal nicht am Knie ihres Schwert reckenden Beschützer-Barbaren klebt und ihn anschmachtet, weil sie selber in praktischer Kleidung ein Messer schwingt und noch mehr P(p)halli(sche Dinge) zum Schwingen bringt.

Die Autorin offeriert in diesem Roman einen Mix aus reichlich Erotik und etwas Parodie - es ist erotische Fantasy. Da sie es dennoch immer schafft, auch einen gewissen Hintergrund einzubauen, fragt man sich, wenn sie einen Fantasy mit erotischen Einlagen schreiben würde, mehr Platz für den Background hätte und infolgedessen auch eine erweiterte Zielgruppe ansprechen könnte, wie dieser Titel ausfallen würde. Bestimmt noch runder, spannend und unterhaltsam.