Sergej Lukianenko: Die Wächter - Nacht der Inquisition - Die neuen Abenteuer der Wächter 3 (Buch)

Sergej Lukianenko
Die Wächter - Nacht der Inquisition
Die neuen Abenteuer der Wächter 3
(Участковы, 2015)
Heyne, 2016, Paperback, 578 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31653-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Armin Möhle

„Nacht der Inquisition“ ist der dritte und letzte Roman, der im „Wächter“-Universum des russischen Autors Sergej Lukianenko angesiedelt ist, aber genau wie die anderen nicht von ihm verfasst wurde (auch wenn auf dem Cover nur Lukianenko selbst angegeben wird - in den Impressen der Bände finden sich die tatsächlichen ‚Co-Autoren‘). Außerdem erschienen „Licht und Dunkelheit“ (Teil 1; Heyne, 2015) und „Dunkle Verschwörung“ (Teil 2; Heyne, 2016), nachdem Lukianenko mit seinem letzten und sechsten „Wächter“-Roman „Die letzten Wächter“ (Heyne, 2015) einen gelungenen Schlusspunkt unter seinen außergewöhnlichen Zyklus über die „Anderen“ setzte.

 

Sie sind magisch begabte Menschen, die neben und unerkannt von der übrigen Bevölkerung leben, sich in „Lichte“ und „Dunkle“ aufteilen, und die, um einen unendlichen Krieg zwischen ihnen zu vermeiden, einen Vertrag geschlossen haben, der die Regeln für ihre Aktivitäten festlegt. Das funktioniert aber nur, weil sie sich gegenseitig kontrollieren, und zwar in den Nacht- und Tagwachen.

Es ist natürlich legitim, wenn ein Autor seine Schöpfung auch zur Mitarbeit von Kollegen freigibt. Seltsam mutet jedoch die Praxis an, die mutmaßlich tatsächlichen Autoren fast komplett zu verschweigen. Im Fall von „Nacht der Inquisition“ Alex de Clemenchié. Immerhin nutzt er die Möglichkeiten, die ihm ein Roman bietet, der abseits der Haupthandlungsstränge, die Lukianenko kreierte, angesiedelt ist.


So spielt „Nacht der Inquisition“ in der Sowjet-Zeit (es wird kein Jahr genannt, verschiedene Hinweise lassen jedoch auf die 50er Jahre des vergangenen Jahrhundert schließen) und in Sibirien, vor allem in dem Dorf Lichter Keil, in der Dorfmilizionär Fjodor Kusmitsch Denissow für Ordnung sorgt. Denissow ist ein schwacher Lichter, der sich nicht der Nachtwache angeschlossen hat. Und so spürt er schnell, dass sich in seinem Dorf (und seiner Umgebung) magische Konflikte zusammenbrauen. Sein Schwiegersohn Nikolay entpuppt sich als Dunkler, und sein Enkelsohn Danilka wird für die Inkarnation eines mächtigen Schamanen gehalten. Und die Dunklen beginnen damit, dem Leiter der Nachtwache der Kreisstadt das Leben schwer zu machen.


„Nacht der Inquisition“ vermag in den ersten beiden Teilen vor allem durch eine authentische Schilderung des alltäglichen Lebens in sibirischen Dörfern und Städten jener Epochen zu punkten, ohne dadurch langweilig zu werden. Auch Denissow weiß als Protagonist zu überzeugen. Er hält sich von den Wachen fern, löst Konflikte nicht durch Magie, sondern mit Besonnenheit, Erfahrung und Kommunikation. Und der Plot, der im dritten Teil seinen Höhepunkt erreicht, wird sorgsam aufgebaut. Aber gerade dieser Teil, der teilweise wieder in magischen Krawall ausartet (der bereits in „Dunkle Verschwörung“ negativ auffiel), stellt einen seltsamen Gegensatz zu der vorangegangenen, unprätentiösen Handlung dar.

Trotzdem vermag „Nacht der Inquisition“ den enttäuschenden Vorgängerband „Dunkle Verschwörung“ mühelos und deutlich zu übertreffen. Der Roman ist atmosphärisch dicht, kratzt nicht nur an der Oberfläche des „Wächter“-Universums, sondern fügt diesem neue Facetten hinzu (wie bereits „Licht und Dunkelheit“).

Wer nach dem Abschluss der „Wächter“-Serie durch Sergej Lukianenko wieder in die Welt der Lichten und der Dunklen eintauchen will, ist mit die „Nacht der Inquisition“ gut bedient. Aus welchem Grund der Roman in der deutschen Übersetzung „Nacht der Inquisition“ betitelt wurde, bleibt rätselhaft. Die Inquisition überwacht ihrerseits die Nacht- und Tagwachen, wird in „Nacht der Inquisition“ aber nur am Rande erwähnt. Eine Rolle spielt sie darüberhinaus nicht. Aber das ist, zugegeben, nur ein Nebenaspekt.