Kim Harrison: Totgeküsste leben länger – Madison Avery 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 18. Juli 2010 18:20
Kim Harrison
Totgeküsste leben länger
Madison Avery 1
(Once Dead, Twice Shy)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Sandra Knuffinke und Jessika Komina
Titelillustration von Maria-Franziska Löhr
Loewe, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 294 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-7855-7141-5
Carsten Kuhr
Madison Avery kann nicht aus ihrer Haut. In der Schule als Mad Madison gemobbt, ihr Spitzname sagt schon alles, sorgt ihr Vater dafür, dass der Sohn eines Kollegen mit ihr zum High-School-Abschlußball geht und sie so nicht wieder als einsames Mauerblümchen außen vor bleibt. Als sie das spitzbekommt, ist sie verständlicherweise stinksauer.
Als sich ein umwerfender Latino an sie heranmacht, der mit ihr tanzt und sie küsst, ist sie hin und weg. Klar, dass sie nicht nein sagt, als Kairo sie nach dem Ball nach Hause fahren will. Dass er den aufgemotzten Wagen dann in den Graben lenkt ist noch nicht das Schlimmste. Als er ein Schwert zieht und ihr Herz durchbohrt, weiß Madison, dass sie einen Fehler gemacht hat, einen großen, und jetzt ziemlich in der Bredouille sitzt! Sie wacht im Leichenschauhaus wieder auf und stellt erstaunt feststellt, dass sie dank eines Medaillons, das sie Kairo geklaut hat, weiterhin auf Erden wandelt. Mit Barnabas bekommt sie dann einen Engel an die Seite gestellt, der ihr helfen soll, sich in der übernatürlichen Welt zurechtzufinden. Dumm ist dabei nur, dass Kairo weiterhin hinter ihr und seinem Medaillon her ist, sie keinerlei Talent für die Kräfte der weißen Engel zeigt und mit ihrer impulsiven Handlungsweise ein ums andere Mal die vorherbestimmten Wege des Schicksals durchkreuzt ...
Kim Harrison ist dem Freund der Urban Fantasy in erster Linie durch ihre bei Heyne erscheinende "Rachel Morgan"-Reihe ein Begriff. Dort bietet sie spitzige, actionbetonte Unterhaltung rund um eine Welt, in der deren übernatürliche Wesen ihr Coming-Out hatten und zusammen mit den Menschen die Städte bevölkern. Unter ihrem wahren Namen Dawn Cook verfasst sie erfolgreiche Fantasy-Trilogien (dt. bei Blanvalet).
Vorliegendes Werk, dem Reihentitel nach wohl einmal mehr der Auftakt einer neuen Serie, wendet sich an ein jüngeres Publikum. Es geht weniger martialisch zu, stattdessen weist schon die Auswahl der 17-jährigen Ich-Erzählerin den Weg: Teenager und junge Erwachsene sollen angesprochen werden. So geht es um Schulprobleme, um die Reibereien mit den getrennt lebenden Eltern, die Schwierigkeiten in der Hierarchie der Klasse einen Platz zu finden ohne sich selbst dabei aufgeben zu müssen und natürlich auch ein wenig um Romantik. Verbunden werden diese alltäglichen und damit nachvollziehbaren Probleme der Zielgruppe mit einer amüsant und nett zu lesenden, abwechslungsreichen Handlung. Zusammen mit Madison machen wir uns also auf, die Puzzleteile zusammenzusetzen, und im chaotischen Geschehen einen Sinn zu suchen. Dass sie dabei einem netten Jungen begegnet, dass sie ihren Schutzengel fast zur Verzweiflung treibt, trägt zum hohen Tempo des Romans bei.
Schwachpunkt des Buches sind die Gestalten. Abgesehen von der Hauptperson bleiben diese diffus, nehmen kaum Gestalt an. Und auch Madison selbst bleibt als Persönlichkeit merkwürdig flach. Obwohl wir im Verlauf des Buches so einiges aus ihrem Leben erfahren, gut nachvollziehen können, wie sie als Einzelgängerin, die sich dem Diktat der Masse nicht einfach beugen will, angefeindet und ausgegrenzt wird, kommt kaum Nähe zu ihr auf. Hier hat die Autorin sich zu sehr auf die letztlich recht kompliziert aufgezogene Handlung konzentriert, deren Auflösung zwar überraschend die losen Enden zusammenführt, allerdings nicht gänzlich überzeugt.