John Gwynne: Ungnade - Die Getreuen und die Gefallenen 4 (Buch)

John Gwynne
Ungnade
Die Getreuen und die Gefallenen 4
(Wrath - The Faithful and the Fallen 4, 2017)
Übersetzung: Wolfgang Thon
Blanvalet, 2018, Paperback, 832 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-7341- 6122-3 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Calidus ist seinem Ziel nah: Er hat die Feste Drassil erobert, in seiner Hand befinden sich fast alle der sieben Kostbarkeiten, die benötigt werden, um Asroth, die Verkörperung des Bösen, und seine Kadoshim mit ihren eigenen Körpern in diese Welt zu holen, während die Anhänger von Elyon, die sich um Corban geschart haben, kaum noch auf Rettung hoffen dürfen, denn sie wurden getäuscht.

All die Legenden um die „Schwarze Sonne“ und den „Strahlenden Stern“, die Champions von Asroth, dem Verderber, und Elyon, der Erlöser, erweisen sich als eine Farce, eingefädelt von dem Ben-Elim Meical, der Corbans Entwicklung lenkte, um die Feinde zu einem überstürzten Angriff zu verleiten, damit die Welt überhaupt eine Chance gegen das Böse hat.

Corban ist angesichts der Enthüllung, dass er nicht der Strahlende Stern ist, weil die Prophezeiung eine reine Erfindung ist, genauso erschüttert wie sein Gegenspieler Nathair, der sich ebenfalls für den Retter hielt, bis ihm Calidus eröffnete, dass alle seine Taten zu Asroths Wohlgefallen waren. Corban verrät seinen Anhängern die Wahrheit und überlässt ihnen die Entscheidung, welche Konsequenzen sie daraus ziehen. Zu seiner Überraschung wollen sie ihm weiterhin folgen, sehr wohl wissend, dass sie sich nirgends verstecken können, sollte Asroth siegen. Nathair ist bereits zu weit den Pfad des Bösen gegangen, um umkehren zu können, und fügt sich in sein Schicksal.

Drassil und das Gelände um die Feste wird erneut zum Brennpunkt, als Corbans zusammen gewürfeltes Heer verzweifelt angreift. Es ist jedoch bloß eine Ablenkung, denn die Heilerin Brina, die die Magie der Giganten studiert hat, glaubt, durch die Vernichtung der sieben Kostbarkeiten Asroths Fleischwerdung verhindern zu können. Zusammen mit Corban und einigen Getreuen gelangen sie über geheime Pfade in die Feste und beginnen die Beschwörung. Zu spät erkennen die Eindringlinge die Falle - und Asroth manifestiert sich.


Der vierte und letzte Band von „Die Getreuen und die Gefallenen“ bringt eine sehr blutige Geschichte zu Ende. Wie man es spätestens seit „Game of Thrones“ gewohnt ist, schildert John Gwynne ganz bewusst die hässlichen Seiten eines Krieges, in den die jungen Männer anfangs noch in dem Glauben zogen, sie kämpften für ihre und die Ehre ihres Landes sowie für das Gute. Sehr schnell begreifen sie, als sie ihre Freunde sterben sehen, dass es letztendlich nur um das nackte Überleben geht. Und gestorben wird reichlich, insbesondere die Sympathieträger, von denen es sehr viele gibt, werden arg dezimiert.

Als Leser nimmt man Anteil am Schicksal vieler Charaktere. Einige mochte man von Beginn an, andere wuchsen einem erst im Laufe der Zeit ans Herz, nachdem sie auf die ‚richtige‘ Seite wechselten, und weiteren entzog man das Mitgefühl, wenn sie sich zu immer grausameren Taten hinreißen ließen. Alle haben sich auf die eine oder andere Weise weiter entwickelt. Aus den Kindern und Jugendlichen wurden verantwortungsbewusste junge Frauen und Männer, aus den Mentoren Ratgeber im Hintergrund, welche die Leistungen ihrer Schützlinge würdigen.

Allein an zwei Punkten stört man sich ein wenig: Zum einen werden die ‚Bösen‘, vor allem Calidus, im vorliegenden Buch immer böser und völlig facettenlos beschrieben, als habe der Autor selbst keine Freude mehr an diesen Figuren. Zum anderen verteidigen sich die ‚Guten‘ relativ problemlos gegen übermächtige Feinde. Galten die Giganten Kadoshim und Draaken zunächst als fast unbesiegbar, wandelten sie sich immer mehr zu Gegnern auf Augenhöhe, denen man mit der richtigen Technik oder vereint beikommen kann. Das wirkt schon etwas zu simpel, aber vier Bücher voller Metzelei mussten irgendwie ihren Abschluss finden, so dass es hinnehmbar ist.

Das Ende gestaltet sich in etwa so, wie man es erwartet hat. Jeden ereilt sein Schicksal, viele sind tot, einige haben überlebt. Es ist wie ein Generationenwechsel. Die Jungen nehmen die Plätze der Alten ein, die früheren Feindseligkeiten zwischen Menschen und Giganten sowie den Bewohnern verschiedener Reiche sind beigelegt, es besteht die Chance, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen, über der nicht länger die Bedrohung durch archaische Mächte schwebt.

„Die Getreuen und die Gefallenen“ bietet in vier Bänden eine spannende, hochdramatische Lektüre, die in den Bann zu ziehen vermag. Allerdings wird man, ähnlich wie bei „Game of Thrones“, des vielen Schlachtens bald müde, so dass man sich überwinden muss, nach dem nächsten Buch zu greifen. Hat man erst einmal mit dem Lesen begonnen, möchte man jedoch wissen, wie es weitergeht. Die Erwartungen werden erfüllt, der Autor liefert eine überzeugenden Fantasy-Saga…, aber dann ist man nach der letzten Seite froh, dass das Sterben endlich vorbei ist.