F. Paul Wilson: Angriff (Buch)

Horror Taschenbuch 27
F. Paul Wilson
Angriff
Adversary Zyklus 5
(Reprisal)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Plogmann
Titelillustration von Istock
Festa, 2010, Taschenbuch,, 432 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-092-0

Carsten Kuhr

Zwanzig Jahre sind vergangen, seit der Leser in „Erweckung“ die Wiedergeburt Rasaloms, des Streiters für die Anderheit, miterleben musste. Damals hat ein mutiger Priester, der treu und fest zu seinen Überzeugungen stand, den Widersacher fast vernichtet – etwas, das Rasalom nicht vergessen und schon gar nicht verzeihen kann.

Als Fünfjähriger hat der Wiedergeborene ganze Bibliotheken verschlungen, danach macht er sich mittels geschicktem skrupellosen Finanzmanipulationen daran, sich mit dem nötigen Kapital auszustatten und sich mit einem neuen respektablen Lebenslauf zu versehen. Aus Angst vor Glaeken, dem rothaarigen Kämpfer, mit dem er seit Millenien um das Schicksal der Welt, die wir Erde nennen, kämpft, hält er sich mit seinen Weltuntergangsplänen noch zurück, nicht wissend, dass Glaeken seine Kräfte eingebüßt hat und als alter Mann in Manhattan sein Dasein an der Seite einer von Alzheimer heimgesuchten Frau fristet. Doch dies gibt ihm Zeit und Muße, seine perfide Rache an Priester Bill Ryan voranzutreiben. Ein Schicksalsschlag nach dem anderen widerfährt dem Priester. Einer der ihm unterstellen Waisenjungen wird grausam gemartert und untot zurückgelassen, man verdächtigt Priester Bill als vermeintlich pädophilen Täter. Wann immer der seiner Ämter und Würden beraubte frühere Priester sich in den folgenden Jahren auf der Flucht einem Telefon nähert, beginnt es zu bimmeln, und ein kleiner, verzweifelter Junge bittet, ihn vor der Folter eines Kinderschänders zu erretten. Jahre später liegt der Junge leidend und lebendig als Leichnam in seinem unmarkierten Grab und wartet weiterhin auf Erlösung von seinen Qualen. Im lichterloh brennenden Haus der Ryans sterben Bills Eltern. Bill selbst flieht nach North Carolina. Doch auch hier kommt er nicht zur Ruhe. Seine unschuldige Freundin Lisl wird nicht nur sexuell verführt, sondern auch zum Bösen verleitet. Spät, zu spät erst, erkennen die Opfer, wer hinter den Geschehnissen steckt, und es kommt zur direkten Konfrontation der Beteiligten...

Schilderten „Das Kastell“ (Festa 1514), „Die Gruft“ (Festa 1517) und „Die Gabe“ (Festa 1522) die Vorgeschichte des ewigen Kampfes der beiden Wesenheiten um die Erde, führt die anschließende Trilogie, deren zweiten Band Frank Festa in deutscher Erstveröffentlichung vorlegt, die Auseinandersetzung zu einem Abschluss. In „Erweckung“ (Festa 1524) erlebten wir mit, wie der besiegt geglaubte Rasalom in einem Plot, der ein wenig an Levins „Rosemaries Baby“ erinnerte, wiedergeboren wurde. Vorliegend beobachten wir dann die weitere Entwicklung Rasaloms. Dabei zieht sich der Autor geschickt von seinem Antagonisten zurück, beleuchtet diesen durch die Augen seiner Opfer. In drei Teile untergliedert schildert uns Wilson zunächst das Leben des Ex-Priesters, bevor er im Mittelteil auf die Vergangenheit eingeht um dann im Finale einen überaus dramatischen Höhepunkt zu setzen.

Nach einem auch aus diesem Grund recht verhaltenen, tempoarmen Start, in dem der Rezipient ein wenig verwirrt versuchte, die beschriebenen Geschehnisse mit den vorhergehenden Bänden in Einklang zu bringen, nimmt der Plot dann Tempo auf. Und Wilson fährt in der Folgezeit eine beeindruckende Anzahl eindrucksvoller Personen auf. Mit Ausnahme der die ganze Handlung hindurch blass und flach bleibenden Lisl gelingt es dem Autor, oftmals mit wenigen Absätzen, uns seine Charaktere nahezubringen. Sei es der geschundene Ex-Priester Bill, der verbissen den vermeintlichen Täter jagende Polizist Renny, der vereinsamte Forscher Everett, sie alle rühren uns ob ihres Schicksals an, sind glaubwürdig und lebensecht gezeichnet. Keiner von ihnen ist ein Held im traditionellen Sinne. Strahlemänner, die in „kam, sah und siegte“-Manier triumphieren, sucht man bei Wilson glücklicherweise vergebens. Seine Protagonisten sind immer Menschen, die vom Schicksal gebeutelt werden, die unter den Geschehnissen leiden, deren Leben aus seiner Bahn geworfen wurden. Oftmals werden sie von den Geschehnissen förmlich überrollt, treiben hilflos im Strom, versuchen aber trotzdem an ihren Überzeugungen festzuhalten. Insofern ist der „Adversary“-Zyklus auch ein flammendes Fanal dafür, für das einzustehen, was man als rechtens erachtet. Seine Überzeugungen zu vertreten, auch und gerade, wenn es nicht ins angesagte Zeitdenken passt, moralisch integer zu agieren-- etwas, das gerade in unserer Zeit oftmals fehlt.

Passend dazu gesellt sich der grundlegende Ansatz, der den „Adversary“-Zyklus wie auch die „Repairman Jack“-Romane, deren Fortsetzung bei Festa geplant ist, vom Gewohnten unterscheidet. Der Kampf Gut gegen Böse wird zwar ins Auge gefasst, dabei aber werden die Mächte, die sich hier bekriegen, als Wesenheiten beschrieben, denen die Menschen als solches schlicht egal sind. Weder der Andersheit noch dem Verbündeten geht es primär um die Bewohner des blauen Planeten, sie agieren in eigener Machtfülle und im ewigen Kampf gegeneinander, von denen ein kleiner, unwichtiger Teil auch auf der Erde stattfindet. Ihre Streiter sind ihnen herzlich egal, deren Opfer und Mitbewohner des Planeten interessieren sie nicht. Damit rückt Wilson anders als viele seiner Kollegen die Perspektive zurecht und bindet seine Handlung in ein glaubwürdiges Konzept ein.

Vorliegender von Michael Plogmann sehr einfühlsam übersetzter Roman bereitet dabei das Feld für die endgültige Auseinandersetzung zwischen Rasalom und seinem Gegner. Als solcher steht er erstaunlich eigenständig, bietet, nach einem etwas verhaltenen Beginn, eine immer bedrückender wirkende Bedrohung, die den Leser förmlich an die Seiten fesselt.