D 1: Lord Faureston (Comic)

D 1
Lord Faureston
(D, Tome 1: Lord Faureston)
Text: Alain Ayroles
Zeichnungen: Bruno Maïorana
Farben: Thierry Leprévost
Übersetzung: Tanja Krämling
Lettering: Dirk Schulz
Splitter, 2010, Hardcover, 64 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-152-8

Frank Drehmel

Wir schreiben Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Forscher und Entdecker Captain Richard Drake ist aus dem Sudan nach Good Old England zurückgekehrt und muss nun in den Clubs und den Ballsälen der gehobenen viktorianischen Gesellschaft seine Abenteuer zum Besten geben.

Eines Tages lernt er auf einer dieser „High-Society-Veranstaltungen“ Miss Catherine Lacombe kennen, eine junge, selbstbewusste und sehr direkte Lady, die den alten Haudegen durch ihr enervierendes Auftreten gleichermaßen provoziert wie anzieht. Doch noch bevor sich die beiden näherkommen können, entführt ein junger, dandyhafter Geck – Lord Faureston – Miss Lacombe erst zum Tanz und dann in den Garten. Einem alten irischen Sprichwort folgend versucht der Forscher zunächst, die „Niederlage“ im Kreise seiner Freunde mit Champagner zu ertränken, bekommt dann jedoch am Rande mit, wie eine seltsame Gestalt durch den herrschaftlichen Garten schleicht, in dem Faureston und die Miss verschwunden sind. Böses ahnend stürzt er – ganz Held! – dem Unbekannten hinterher und kann gerade noch verhindern, dass dieser der bewusstlosen jungen Frau eine Pflock ins Herz schlägt.

Schnell stellt sich der Täter als ein Mister Jones heraus, ein kleiner schwächlicher Buchhalter, der nach eigenem Bekunden einen Vampir – eben jenen Lord Faureston – jagt, welcher seine Frau getötet haben soll. Drake findet die Geschichte, die ihm Jones auftischt zwar amüsant, glaubt jedoch kein Wort. In den folgenden Tagen verliert der Captain Jones' Anliegen aus den Augen, da er sich mit anderen Dingen herumplagen muss: nicht nur, dass sein Werben um Miss Lacombe eher mühsam vonstatten geht, da ihm mit Lord Faureston ein gewiefter, charismatischer Nebenbuhler die „Beute“ streitig macht, auch die Finanzierung seiner nächsten Expedition will nicht so recht vorankommen; dennoch lässt ihn das Vampir-Thema nicht los und er beginnt die Lektüre des „Tagebuchs eines Untoten“, verfasst von einem gewissen Graf D..

In einer der nächsten Nächte begegnen sich in einer nebligen Gasse unter dem gelben Licht der Gaslaternen Drake, Betty Billington – die Cousine Miss Lacombes – sowie Mister Jones. Während Betty dem liebestollen Captain einen Brief Catherines aushändigt, überzeugt Jones, der Betty für Miss Lacombe hielt, den Abenteurer davon, dass seine Herzensdame in tödlicher Gefahr schwebt. Gemeinsam begeben sie sich zum Haus des Arztes, der die Autopsie einer kürzlich unter seltsamen Umständen verstorbenen Dame durchführte, die ihrerseits Kontakt mit Lord Faureston gehabt hatte …. und finden die ausgeweidete Leiche des Mediziners.

Freunden des leichten, frankobelgischen Comics werden die drei Kreativen hinter dieser neuen Serie – Alain Ayroles, Bruno Maïorana, Thierry Leprévost – wegen des humoristischen Geniestreichs „Garulfo“ ein Begriff sein. Nun, nach mehr als 10 Jahren, haben sich die drei Comic-Schaffenden erneut zusammengefunden, um mit einem weiteren Bravurstück ihr Können unter Beweis zu stellen. Ganz auf Höhe der Zeit rankt sich ihre Geschichte diesmal um den Vampir-Mythos, wobei der Untote selbst eine eher ephemere, nicht greifbare Gefahr darstellt, da das Hauptaugenmerk auf menschlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Eigentümlichkeiten liegt und nicht auf viktorianischem Horror oder Splatter.

In seiner Geschichte, die mit einigen Wechseln der Erzählperspektive lebendig konstruiert ist, seziert Alain auf sehr amüsante, humorvolle Art und Weise in geschliffenen Dialogen und fein durchdachten Szenen nicht nur das Bürgertum und die Bohème der nach Sensationen lechzenden, gelangweilten englischen Gesellschaft, sondern entwirft mit Drake auch eine interessante Hauptfigur, die hin- und herschwankend zwischen Anpassung – Catherine wirft ihm an einer Stelle sogar Anbiederung vor – und Revolte eine zugleich mürrische, derbe wie auch feingeistige Attitüde an den Tag legt. Gegen den starken, sehr präsenten Drake verblasst der Gegenspieler, Lord Faureston, dessen Auftreten ein Anflug von „Lestat de Lioncourt“ umspielt, gewollter Weise nicht nur äußerlich.

Mit seinem exzellenten Gespür für Posen, Mimiken und Timing setzt Maïorana nach „Garulfo“ Ayroles humorvolle, witzige Story erneut kongenial in Bilder um, welche einerseits durch ihre zeichnerische Leichtigkeit, andererseits nicht zuletzt dank Leprévosts stimmiger Koloration durch ihre Atmosphäre zu begeistern wissen. Ein Highlight stellt hier Drakes Besuch in einem Zigarrenrauch geschwängerten Club dar, bei dem der Leser die Dunstschwaden, die Dekadenz und das elitäre Getue der Gentlemen geradezu körperlich spüren kann.

Fazit: Eine unterhaltsame Annäherung an das Vampir-Thema, die neben der grandiosen Visualisierung vor allem durch den Humor sowie die skurrilen, bürgerlichen Protagonisten überzeugt. Ein weites Highlight im Splitter-Verlagsprogramm.