Exotische Köstlichkeiten - Das ultimative Insektenkochbuch, Shami Radia und Neil Whippey mit Rezepten von Sebastian Holmes (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 04. April 2018 19:41

Shami Radia und Neil Whippey mit Rezepten von Sebastian Holmes
Exotische Köstlichkeiten - Das ultimative Insektenkochbuch
(Eat Grub, 2016)
Übersetzung: Christine Heinzius
LV Buch, 2017, Hardcover, 192 Seiten, 24,95 EUR, ISBN 978-3-7843-5477-4
Rezension von Irene Salzmann
Auf der Erde leben nahezu acht Milliarden Menschen. Schon als ihre Zahl im 20. Jahrhundert noch sehr viel kleiner war, gab es das unlösbare Problem, alle ernähren zu können. Trotz moderner Technologien und der durchaus erfolgreichen Suche nach neuen Ressourcen reichen die Möglichkeiten nach wie vor nicht aus, und der Klimawandel verschärft die Situation zusätzlich. Die Folgen erleben wir gegenwärtig in Form der Klima- und Wirtschaftsmigration.
Ernährungswissenschaftler sind daher damit befasst, neue Nahrungsmittel zu finden, die preiswert, schnell und in großer Menge produziert werden können. Dazu gehören beispielsweise Algen und Tang („Jahr 2022… die überleben wollen“…), aber auch Insekten, die in Teilen von Asien und tropischen Ländern schon lange auf dem Speisezettel stehen.
Dass man diese Nahrungsmittel in der westlichen Welt nicht sonderlich schätzt oder mit einem ausgeprägten Gruseln verbindet, liegt zweifellos daran, dass es in diesen Regionen weniger essbare Arten gab und gibt und man etwas, das als Schädling erachtet wird, das man zudem mit Ekel betrachtet, auch nicht essen möchte. Man denke an Kirschen mit Maden - einmal gesehen, dann mag Mancher im Restsommer keine Kirschen mehr essen.
Hier bewahrheitet sich der Spruch: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“. Dabei gibt es auch in Europa Speisen, die nicht jeder mag, beispielsweise in Frankreich Froschschenkel und Weinbergschnecken oder auf dem Balkan Innereien (Kutteln). Umgekehrt werden einige unserer Speisen von anderen Kulturen abgelehnt wie Schweinefleisch (Moslems) und Rindfleisch (Hindus) oder auch die Zubereitung (kein Schächten, große Fleischstücke statt Geschnetzeltes).
Es ist also abhängig von der Kultur, was man isst, und zudem von der Erziehung. Dennoch gibt es Weltenbummler, die fähig sind, über ihren eigenen Schatten zu springen und ungewöhnliche Speisen zu probieren - denn wenn es die Einheimischen essen und mögen, warum sollte es dann nicht auch für den Gast schmackhaft sein? Zumal die Insektenküche oft nicht aus einer Notwendigkeit entstanden ist, sondern eine Bereicherung des ohnehin sehr abwechslungsreichen Speisezettels in jenen Ländern darstellt.
Die Autoren von „Exotische Köstlichkeiten - Das ultimative Insektenkochbuch“ haben sich ausgiebig mit diesem Thema befasst. Der Koch Sebastian Holmes hat viele Länder bereist, die dortigen Spezialitäten kennengelernt und seine Erfahrungen bei der Entwicklung der hier gesammelten Rezepte mit in die Waagschale geworfen.
Beim Lesen hat man immer wieder den Eindruck, dass bekannte Speisen als Vorlage dienten und man nur das eine oder andere durch Insekten ersetzt oder mit ihnen ergänzt hat. Ließe man sie als Zutat weg oder würde sie durch etwas Vertrautes ersetzen, erhielte man ein ganz ‚normales‘ Gericht.
Das Buch schildert eingangs die Motivation der Autoren. Als Einführung in die Insektenküche dienen Erläuterungen, in welcher Form welche Insekten Verwendung finden können, zum Beispiel als Mehl, Püree, Salz, Frittiertes und Gebackenes. Auch die verschiedenen verwertbaren Insektensorten werden vorgestellt - natürlich nur eine kleine Auswahl, denn in jenen Ländern, die traditionell ihre Küche damit bereichern, finden sich sehr viel mehr Arten (nebenbei: auf leckere Spinnen wurde dankenswerterweise verzichtet…).
Der Rezeptteil wartet auf mit „Snacks“, Ideen für „den kleinen Hunger“, „Hauptgerichte“, „Soßen, Dips, Dressing und Pasten“, „Desserts“ und „Cocktails“.
Abgerundet wird mit Menüvorschlägen, Zucht- und Bezugsquellen sowie einem Stichwortregister.
An Rezepten offeriert werden unter anderem „Knusprige Grillen und Pandanusblätter“, „Austern mit Buffalowürmern, Chili und Limette“, „Sahnige Mehlwurm- und Kokosnussnudeln“, „Pastasoße mit Cherrytomaten, Mascarpone und Grashüpfer“, „Insektenknabberstäbchen“, „Beschwipster Kaffee mit Grillenmehl und Kondensmilch“.
Zu jedem Rezept gibt es einige einleitende Worte, eine Portionsangabe, eine Zutatenliste, eine Schritt für Schritt-Anleitung sowie ein ganzseitiges Farbfoto.
Um das Ganze zu konkretisieren, hier das Rezept für eine Portion „Grashüpfer und Malzzuckerporridge“: 40 g kernige Haferflocken in 300 ml Milch erwärmen. 2 geh. EL Malzzucker in einer Pfanne erwärmen. Sobald er flüssig ist, 4 Grashüpfer dazu geben und köcheln lassen. Wenn der Zucker karamellisiert und dicker wird, sind sie nach ca. 3 min/115°C servierfertig. Haferflocken vom Herd nehmen, bevor sie die ganze Milch aufnehmen. Karamellisierte Grashüpfer, eine kleine Handvoll Heidelbeeren und 1 Pr. Zimt darüber geben und servieren.
Obwohl außergewöhnliche Rezepte Hochkonjunktur haben (Wildkräuter, süße Kuchen aus Gemüse, pikante Hauptgerichte aus/mit Obst und so weiter), dürfte es „Exotische Köstlichkeiten - Das ultimative Insektenkochbuch“ schwer fallen, das Lieblingskochbuch des deutschen Bürgers zu werden, denn, ausgenommen einiger Hartgesottener (siehe „Straßenstars“ im hr oder „Dschungelcamp“ im RTL), die Hemmschwelle ist für die meisten noch zu hoch, um solche Speisen mit ‚Ekelzutaten‘ auch nur probieren zu wollen. Ein ‚Survival‘-Kochbuch ist es aber auch nicht, da bloß bestimmte Insekten verwendet werden, die über den Handel erhältlich sind, es aber keine Informationen gibt, wie man sie selbst beschaffen kann.
Von daher möchte man das Buch eigentlich nur jenen empfehlen, die einen sehr niedrigen Ekelfaktor haben, am besten noch Spaß empfinden, wenn sie andere mit solchen Speisen (Surströmming, Mehlwurm & Co.) schockieren können, vielleicht auch Autoren phantastischer Bücher, die sich hier zu etwas abseits von Hiiirrrrnnnn inspirieren lassen wollen - denn noch werden die meisten Hobbyköche und Gourmets bestimmt lieber in die Pizzeria, zum Griechen und Burger King gehen, bevor sie die Insektenküche testen.