Kull 1: Das Schattenkönigreich (Comic)

Arvid Nelson
Kull 1
Das Schattenkönigreich
(Kull #1-6, 2009)
Titelbild von Will Conrad und Andy Brase
Zeichnungen von Will Conrad
Farbe von Jose Villarubia
Aus dem Amerikanischen von Bernd Kronsbein
Panini, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 148 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86607-367-8

Irene Salzmann

Kull ist eine Figur des Autors Robert E. Howard – wie auch der sehr viel bekanntere Conan, sein weibliches Pendant Red Sonja (die erst von den Comic-Künstlern zu seiner Zeitgenossin gemacht wurde), Solomon Kane und andere. Er wurde bereits 1929 erschaffen, erlebte aber nur wenige Abenteuer in „Weird Tales“ und machte schnell Platz für Conan (tatsächlich wurde eines von Kulls Abenteuer, das der Verleger abgelehnt hatte, umgearbeitet zur ersten „Conan“-Story). In den 1970er Jahren erlebte Kull im Zuge des breiten Interesses an „Conan“-Comics eine Wiedergeburt, bei der er jedoch weiterhin im Schatten des anderen Helden stand. Nach drei Anläufen wurde der Titel wieder eingestellt (1989).

Erst 2008 erinnerten sich die Comic-Autoren und -Zeichner ein weiteres Mal dieser Figur, und auch Dark Horse präsentiert die neuen Abenteuer im Kielwasser der erfolgreichen „Conan“-Graphic Novels. Das vorliegende Paperback beinhaltet die Episoden „Kull“ 1 – 6 (Vol. 4), basierend auf Howards Klassiker „Das Schattenkönigreich“. Autor der Adaption ist Arvid Nelson („Rex Mundi“, „Red Sonja“), die Illustrationen stammen von Will Conrad („Serenity“, „Conan“).

Viele, viele Generationen vor dem hyborischen Zeitalter war Atlantis ein hochzivilisiertes Großreich. Doch seine Blüte ist nun vorbei, die Atlanter sind in die Barbarei zurückgefallen, und die Herrscher jüngerer Völker bestimmen die Geschicke der bekannten Welt. Trotz ihres Wissens und ihrer starken Armeen haben sie Kull von Atlantis dennoch nichts entgegenzusetzen. Er unterwirft das mächtige Valusien und krönt sich zum König. Die meisten Überlebenden hassen den Usurpator, da sie befürchten, dass er das tyrannische Regime seiner Vorgänger fortsetzen will. Tatsächlich bemüht sich Kull, die Bräuche seiner neuen Heimat anzunehmen, Diplomatie und Milde walten zu lassen und nur mit dem Schwert zu regieren, wenn es kein anderes Mittel gibt.

Trotz aller Vorsicht wäre Kulls Herrschaft bereits nach wenigen Tagen beinahe vorbeigewesen, denn Feinde, die nicht vor dem Einsatz von Gift und Magie zurückscheuen, haben längst die Festung infiltriert und die Getreuen des Atlanters unterwandert. Hilfe erhält Kull ausgerechnet von den Pikten, den Erzfeinden seines Volkes, da Ka-Nu, der Oberste Ratgeber des Pikten-Königs, Kull für das kleinere Übel als den Schlangenkult hält und anerkennt, dass der neue Herrscher Valusiens ein besserer Verbündeter sein wird als jene, die vor ihm auf dem Thron saßen.

Ka-Nu entsendet Brule, einen seiner Krieger, um Kull zu warnen und ihm zur Seite zu stehen – und das keinen Moment zu früh, denn die Anhänger der Schlange sind bereits unterwegs, um Kull zu ermorden und ihn durch einen der ihren zu ersetzen…

Wer „Conan“ und „Red Sonja“ schätzt, wird an „Kull“ ebenfalls viel Freude haben. Auch der Atlanter ist ein kerniger Barbar, der einerseits ein guter, zivilisierter König sein möchte, andererseits aber genau weiß, wann er zum Schwert greifen muss. Immer wieder finden sich kleine Szenen, die seine Einstellung und seine Gratwanderung zwischen Gewalt und Diplomatie beschreiben, was ihm eine individuelle Note verleiht, durch die er sich von anderen Sword & Sorcery-Helden (insbesondere Conan) unterscheidet. Kämpfe und Action sind dennoch reichlich vorhanden, ohne zum Selbstzweck zu verkommen, denn Kull weiß Probleme auch durch Verstand und List zu lösen.

Seine Gegner sind – in diesen Episoden – weniger die unzufriedenen Fürsten, die er unterworfen hat, sondern die Anhänger des Schlangenkultes, eine einflussreiche Religion und ein uralter Mythos zugleich, über den Kull mehr und mehr erfährt, aber nicht so viel, dass alle Fragen beantwortet würden. Die Geschichte ist zwar in sich abgeschlossen, doch das Thema wird voraussichtlich auch die weiteren Bände beherrschen und sicherlich noch für einige Überraschungen gut sein: Was verbirgt der Nuntius hinter seiner Maske? Welche Bewandtnis hat es mit dem ‚Auge des Schreckens‘, das sich nun in Kulls Besitz befindet?
Obwohl sich die Handlung um eine zentrale Figur, um Kull, rankt, ist dieser nicht übermächtig, sondern auf die Hilfe anderer angewiesen, und er nutzt auch die Kenntnisse seiner Verbündeten. Zwar bleiben diese mit Ausnahme von Brule weitgehend im Hintergrund, aber sie bereichern die Geschehnisse sinnvoll und unaufdringlich. Auf unnötige Details wird verzichtet, und doch ist die Handlung komplex, packend und reizvoll.

Ansprechende, realistische und dynamische Illustrationen runden den Comic gelungen ab. Es gelingt Will Conrad, Kull als Kämpfer und als Taktiker überzeugend darzustellen. Besonders erfreuen die vielen Feinheiten, mit denen die Hintergründe und opulenten Gewänder versehen sind.

„Kull“ 1 ist ein viel versprechender Auftaktband zu einer neuen Fantasy-Serie, die sich durchaus mit „Conan“ und „Red Sonja“ messen kann. Auch die Gestaltung des Bandes – Paperback mit Klappenbroschur, Kunstdruckpapier, Cover-Galerie, Hintergrundinformationen, rund 150 Seiten für knapp 17.00 EUR, ein in sich abgeschlossenes Abenteuer, das keine Vorkenntnisse verlangt – ist sehr gefällig, entspricht sie doch der der anderen Graphic Novels.