Daniel Suarez: Daemon – Die Welt ist nur ein Spiel (Buch)

Daniel Suarez
Daemon – Die Welt ist nur ein Spiel
(Daemon)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann
Rowohlt, 2010, Paperback, 640 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-499-25245-7

Carsten Kuhr

Er war einer der Heroen aller Nerds. Der Mann, der aus dem Nichts die Computerspiele im modernen Stil erfand. Jetzt ist er an einem inoperablen Gehirntumor verstorben, die weltweite Fangemeinde seiner Online-Games OTR („Over the Rhine“) und „The Gate“ trauert um ihren Messias. Doch dann geschieht im Silicon Valley plötzlich Mysteriöses. Menschen werden ermordet, alle Hinweise deuten auf den Verstorbenen Mathew Sobol als Täter.

Das FBI, der örtliche Ermittler, die NSA sie alle tappen zunächst im Dunkeln. Dann wird langsam das Ausmaß der Bedrohung deutlich. Sobol hat eine KI von sich gut verteilt auf tausenden von Computern im Netz programmiert, die als Daemon Furcht und Terror zu verbreitet – und er erreicht sein Ziel.

Aus den PC-Rollenspielen war er es gewohnt seine Zocker zu manipulieren. Jetzt zeigt er, dass dieselben Mechanismen, sorgfältig vorbereitet und ebenso raffiniert wie durchtrieben in Szene gesetzt, auch in der Realität funktionieren. Dass dabei Menschen ihr Leben lassen, Karrieren zerstört und Schicksale beeinflusst werden nimmt Sobol nicht nur in Kauf, sondern kalkuliert dies gnadenlos in seine Pläne mit ein. In den weltweiten Losern unserer Gesellschaft, denen, die sich mit Zocken ihre Zeit vertreiben, die von der Gesellschaft geächtet werden, findet er seine willfähigen Helfer. Endlich nimmt sich Jemand ihrer an, bietet ihnen nicht nur eine Heimat und Zuspruch, sondern das Gefühl, zu einer Familie zu gehören.

Als erstes nimmt der Dameon sich die organisierte Internetkriminaliät aufs Korn. Hier, bei Pornoseiten-, Glücksspielanbietern und Spam-Versendern erschließt er sich regelmäßige Einnahmen, bevor er die großen NASDAQ-Firmen aufs Korn nimmt. Nur zu bald wird deutlich, dass in einer vernetzten Welt, in der fast alles über Computer bedient und am Laufen gehalten wird, derjenige das Sagen hat, der die Programme beeinflussen kann. Und wer kann dies besser, als ein intelligentes Programm?

Was ist dies für ein Roman, den Rowohlt in einer Paperback-Ausgabe in seinem Taschenbuch-Programm bei rororo dem Leser offeriert? Ein packender Thriller, eine Warnung vor den Gefahren des Internets, ein Action-Knaller, ein Buch über eine gigantische Verschwörung, über soziale Randgruppen und über den Versuch eines Mannes, die Weltherrschaft an sich zu reißen – und dies nach seinem körperlichen Ableben. Das passt eigentlich so gar nicht in das sonstige Verlagsangebot, das eine Ausrichtung mit literarischem Anspruch anstrebt. Doch so falsch ist Daniel Suarez bei Rowohlt nicht.

Zwar liest sich der Roman, der erste Teil eines Zweiteilers, dessen abschließender Teil unter dem Titel „Darknet“ im Frühjahr 2011 in Vorbereitung ist, wie ein packender Action-Knaller, inhaltlich wird, versteckt zwischen den packenden Zeilen, aber viel Gesellschaftskritik geübt.

Dabei geht der selbst aus der PC-Branche stammende Autor versiert und kundig auf aktuelle Entwicklungen ein. Er warnt vor den Gefahren, die sich durch die zunehmende Vernetzung unserer Gesellschaft und blinde Fortschrittsgläubigkeit ergeben, zeigt aber auch ein erschreckend realistisch wirkendes Bild einer öffentlichen Ordnung, die persönliche Schicksale gnadenlos dem vorgeschobenen Allgemeinwohl opfert. Ein Allgemeinwohl aber, das durch das jeweilige Bankkonto beeinflusst wird, in der politisch-soziale Schichten unauffällig aber wirksam die öffentliche Meinung beeinflussen, ja steuern. Die sich mehr und mehr öffnende soziale Schere zwischen Arm und Reich, die Haltlosigkeit der Jugend, die trotz Ausbildung ohne echte Chancen bleibt und sich deshalb entweder radikalisiert oder sich rein dem Genuss verschreibt, wird genauso angesprochen, wie der Verfall des Gefühls für das was Rechtens ist. In den Killerspielen, aber auch an der Börse, wird trainiert ohne Moral oder Gnade zu zeigen, Egoismus als alles überstrahlende Gut anzubeten, eine Haltung die sich direkt mit den Krisen unserer Zeit verbinden lässt. Das Szenario, das Suarez aufbaut wirkt (bei aller Phantasie) erschreckend vorstellbar und real, so dass es kein Wunder ist, dass der Roman zunächst im Eigenverlag und im Internet debütierte, bevor der begeisterte Zuspruch eine Veröffentlichung im etablierten Literatur-Business möglich machte.

Dass die Logik ein paar Mal auf der Strecke bleibt, dass der Autor in den Action-Szenen so manches Mal ein wenig übers Ziel hinausschießt – das trifft aber auf Bestsellerautoren Matthew Reilly oder James Rollins auch zu – sei erwähnt, geht aber letztlich angesichts der Rasanz, mit der die Handlung voranstürmt, unter. Stilistisch mit vielen Metaphern behaftet, packt das Geschehen den Leser, lässt diesen bis zum vorläufigen überraschenden Schluss nicht mehr aus seinen Krallen.

Eine Bemerkung zum Schluss sein mir noch erlaubt – die Übersetzung aus der Feder der Tad-Williams-Übersetzerin Cornelia Holfeler-von der Tann ist ausgezeichnet.