Cixin Liu: Die drei Sonnen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 14. Dezember 2017 19:28
Cixin Liu
Die drei Sonnen
(Three Body, 2008)
Übersetzung: Martina Hasse
Übersetzung des Nachworts des Autors: Jakob Schmidt
Titelbild: Stephan Martinière
Heyne, 2016, Paperback, 592 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31716-1 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Armin Möhle
„Die drei Sonnen“ von Cixin Liu erhielt als erster chinesischer Science-Fiction-Roman den Hugo (2015). Bei aller Relativität eines Publikumspreises kann das auch als ein (kleines) Zeichen des zunehmenden Einflusses der asiatischen Staaten, insbesondere Chinas, in der Welt gedeutet werden. Aber ist damit „Die drei Sonnen“, der das Debüt des Autors im deutschen Sprachraum darstellt, auch im Genre ein herausragender Roman? Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass mit „Die drei Sonnen“ den deutschen Lesern ein Roman aus einem Erdteil zugänglich gemacht wird, aus dem bislang wenig Science Fiction veröffentlicht wurde.
Die Handlung spielt in der Gegenwart, von dem ersten, kurzen Teil abgesehen, einem Rückblick in die Zeit der Kulturrevolution, in der die Physikerin Ye Wenjie einer Intrige zum Opfer fällt. Doch anstatt verurteilt zu werden zwingt die Partei sie wegen ihrer Fähigkeiten zur Mitarbeit an dem Radioteleskop ‚Rotes Ufer‘, wogegen sie sich aber auch nicht wehrt. In der Gegenwart ist die Tochter von Ye Wenjie tot, auch eine Wissenschaftlerin. Sie hat Selbstmord begangen, und ihr Kollege Wang Miao wird von der Staatsmacht dazu gedrängt, sich der Organisation ‚Frontiers of Science‘ anzuschließen. Denn nicht nur Ye Wenjie, sondern auch andere bedeutende Physiker, die sich umgebracht haben, scheinen mit ‚Frontiers of Science‘ in Verbindung zu stehen.
Bei seinen Forschungen zu Nanomaterialien wird Wang Miao mit unerklärlichen Phänomenen konfrontiert. Von Ye Wenjies Mutter Shao Lin erfährt er den wahren Zweck des Radiotelekops ‚Rotes Ufer‘: Es war ein chinesisches SETI-Projekt. Und Shao Lin ist es gelungen, mit einer außerirdischen Zivilisation Kontakt aufzunehmen, einer Zivilisation, deren Sternensystem von drei Sonnen langsam zermalmt und die mehr oder minder regelmäßig zerstört wird und wieder entsteht. Was in dem VR-Games ‚Three Body‘, zu dem auch Wang Miao Zugang erhält, nachgebildet wird. Shao Lin hielt ihre Entdeckung jedoch geheim, sodass die im Untergrund operierende ‚Erde-Trisolaris-Organisation‘ entstand, die sich in zwei Fraktionen spaltete.
„Die drei Sonnen“ ist ein weit gespannter und komplexer Roman, der Einblicke in die chinesische Historie und Gesellschaft gibt, in wissenschaftlicher Hinsicht fundiert, aber immer verständlich ist und mit außergewöhnlichen Ideen aufwartet. Zu diesen zählen als Highlights nicht nur das Trisolaris-System (hinter dem sich Alpha Centauri verbirgt), seine Zivilisation und deren konsequent umgesetzten Lebensbedingungen, sondern auch der Plan der Trisolarier, die Menschheit durch die Zerstörung ihrer Grundlagenforschung faktisch sturmreif zu schießen. Die Raumschiffe der Trisolarier werden 450 Jahre bis zur Erde benötigen, und bei ihrem Eintreffen wären die Menschen den Trisolariern anderenfalls bereits technologisch deutlich überlegen.
Der Autor vertritt in „Die drei Sonnen“ die Auffassung, dass die Menschheit besser nicht außerirdische Zivilisationen auf sich aufmerksam machen sollte. Okay, das ist eine Haltung, die man durchaus einnehmen kann (wenn es dafür nicht schon zu spät ist…) und die sich mit der Historie der Menschheit begründen lässt (technische Überlegenheit führt nicht zu Friedfertigkeit), aber auch anthropozentrisch ist. In „Die drei Sonnen“ führt sie aber nur zu einer weiteren, wenn auch (zumindest teilweise) unkonventionellen Invasions-Story.
„Die drei Sonnen“ ist der Auftakt einer Trilogie; ob ich die folgenden Romane auch lesen werde, halte ich unter diesen Umständen für unwahrscheinlich.