Stella Gemmell: Die Stadt des Unsterblichen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 15. November 2017 16:12

Stella Gemmell
Die Stadt des Unsterblichen
(The Immortal Throne, 2016)
Übersetzung: Wolfgang Thon
Titelbild: Isabelle Hirtz
Blanvalet, 2017, Paperback, 768 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-7341-6021-9 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Seit Generationen führt die Cité einen Krieg gegen die sogenannten Blauhäute. Die Zahl der Toten auf beiden Seiten ist unermesslich, die Ressourcen schwinden und die Stadt verfällt zusehends. Durch Verrat wird die Cité vom Feind erobert, der unsterbliche Kaiser und viele seiner Gefolgsleute werden ermordet, darunter angeblich auch Marcellus, der Rivale von Araeons Witwe Archange, die den Thron besteigt.
Aus den Gegnern werden sehr schnell Verbündete, denn aus dem Norden nähert sich eine gewaltige Armee, deren Krieger den Tod nicht fürchten und überlegene Waffen mit sich führen. Die vereinten Truppen werden aufgerieben, und wer noch am Leben ist, schützt die Mauern der Cité, doch ist es bloß eine Frage von Tagen, wann die schwächelnden Verteidigungslinien überrannt werden.
Archange könnte ihre Stadt mit dem Gulon-Schleier retten, aber er wurde gestohlen, und selbst wenn sie ihn rechtzeitig zurückbekäme, ist nicht sicher, ob die zerstrittenen Serafim-Familien gewillt sind zusammenzuarbeiten, zumal das mächtige Artefakt auch ein Risiko darstellt.
Um es gleich vorwegzunehmen: „Die Stadt des Unsterblichen“ ist ein ganz schön dicker und zäher Schinken, der dem Leser viel Ausdauer abverlangt, vor allem wenn er wenig Spaß an Kämpfen, Kriegen sowie der Gewaltaffinität der Soldaten hat, die nichts anderes als das Schlachtfeld kennen und sich ihrem Auftrag mit Leib und Seele verschrieben haben. Man erfährt nicht einmal, warum diese Kriege geführt werden. Tatsächlich werden die Zusammenhänge auf wenig spektakuläre Weise erst auf den letzten Seiten enthüllt als nachgeschobene Erklärung für das vorherige rund 750-seitige Gemetzel.
Vor dieser martialischen Kulisse werden zahlreiche Einzelschicksale beleuchtet, die mehr oder minder wichtig für die Entwicklung der Handlung sind und in der dritten Person aus ihrer Perspektive berichten. Nicht jeder Charakter, an den man sich über eine längere Zeit gewöhnt und den man sympathisch zu finden beginnt, überlebt. Ihr Tod im Kampf wird oft fast nebensächlich abgehandelt, und selbst die uralten, mächtigen Serafim, die mitunter spezielle Talente besitzen und nicht so leicht umzubringen sind, finden ganz plötzlich ein gewaltsames Ende.
Natürlich geht es um Macht, um den Thron und, wie sich später herausstellt, die Formung einer Gesellschaft, die sich nicht weiterentwickeln darf, weil der Fortschritt zu ihrem Untergang führen würde. Da diese Restriktion nicht funktioniert, bekämpft die Cité die Menschen in den fortschrittlicheren Ländern, die sich verteidigen und die Diktatur in der großen Stadt abschaffen wollen. Zwar wird die Cité erobert, und Archange will nicht in die Fußstapfen ihres Vorgängers treten, aber andere Serafim begehren ebenfalls den Thron und den Gulon-Schleier und streben eine andere Gesellschaftsform an.
Als Hauptfigur kristallisiert sich der junge Rubin Guillaume Kerr heraus, der Marcellus als Spion dient. Obwohl er seinem Lord treu ergeben ist, beginnt er, je mehr er erfährt, alles, woran er geglaubt hat, kritisch zu hinterfragen. Zwar tragen viele weitere Personen ihr Scherflein zum finalen Höhepunkt bei, doch kommt ihm darin eine besondere Rolle zu, und er erkennt schließlich die Zusammenhänge und was zu tun ist.
Stellenweise kommt immer mal ein wenig Spannung auf, sodass man sich trotz vieler Durststrecken zum Weiterlesen entschließt - man ist ja doch neugierig, was aus den Protagonisten wird und was die Hintergründe sind. Ein echtes Happy End, ahnt man, wird es nicht geben,
Etwas merkwürdig ist die uneinheitliche Namensgebung auch innerhalb geschlossener Bevölkerungsgruppen mit derselben Sprache. Die Schilderungen von den Schrecken des Krieges sind realistisch, hässlich und derb.
Wenn man mit endlosen Kampfhandlungen nichts anzufangen weiß - dann Finger weg von diesem Buch! Schätzt man hingegen den Mix aus epischer Fantasy und ein wenig SF mit vielen Military-Elementen, sollte man in dem Band etwas blättern, um sicher zu gehen, ob man sich die vielen Toten wirklich antun will. Ein Äquivalent zu „Game of Thrones“ ist der Titel nicht.