Donato Carrisi: Der Todesflüsterer (Buch)

Donato Carrisi
Der Todesflüsterer
(Il Suggeritore, 2009)
Aus dem Italienischen von Christiane von Bechtolsheim und Claudia Schmitt
Titelgestaltung von Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Autorenfoto von Elisabetta Catalano
Piper,, 2010, Taschenbuch, 494 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-492-25770-1

Irene Salzmann

Donato Carrisi studierte Jura und konzentrierte sich im Rahmen seiner Ausbildung besonders auf Kriminologie und Verhaltensforschung. Vorübergehend war er als Anwalt tätig, doch dann beschloss er, Drehbücher für Kino- und Fernsehfilme zu schreiben – mit Erfolg. „Der Todesflüsterer“, ein Thriller, ist sein Roman-Debüt und fußt auf seinen umfassenden Kenntnissen über Polizeiarbeit, Forensik, Täterprofile und so weiter.

Ein grauenhafter Fund erschüttert die Bevölkerung: In einem Wäldchen werden die amputierten Arme von sechs jungen Mädchen gefunden, die seit einer Weile als vermisst gelten. Auch die Ermittler sind geschockt und befürchten, dass der Täter mit seinem bösen Spiel gerade erst begonnen hat.

Mila Vazquez, die bereits erfolgreich einige Vermisstenfälle hatte lösen können, wird an die Mordkommission ausgeliehen. Die Vorgesetzten hoffen, dass sie das zuletzt entführte Kind, das vermutlich noch am Leben ist, rechtzeitig aufspüren kann. Die neuen Kollegen sind zunächst wenig begeistert von der unverhofften Verstärkung für ihr Team, doch Mila wahrt von sich aus Distanz, selbst dann noch, als sie von den meisten endlich akzeptiert wird.

Schließlich taucht die erste Leiche auf und mit ihr ein Verdächtiger. Gerade noch rechtzeitig durchschauen die Beamten die Masche des wahren Täters, der ihnen einen anderen Verbrecher lieferte – und es bleibt nicht nur bei dem einen. Während durch eine gefährliche Schnitzeljagd Delikte aufgedeckt werden, die ungelöst in der Ablage gelandet waren oder von denen niemand etwas geahnt hatte, werden die Ermittler mit ihren eigenen Traumata konfrontiert und kommen dem hochintelligenten Mörder kein bisschen näher. Und unaufhaltsam läuft die Zeit für das sechste Mädchen ab …

„Der Todesflüsterer“ ist mehr als nur ein Thriller. Eigentlich sind es viele Kriminalfälle die von einem perfiden Drahtzieher, der sich im Hintergrund hält, geschickt miteinander verwoben wurden. Der Sonderermittlerin Mila Vazquez, dem Profiler Goran Gavila und ihrem Team gelingt es nach und nach, die Botschaften zu verstehen, die ihnen der Unbekannte auf mannigfaltige Weise übermittelt. Sie erkennen auch, dass er sie auf die Spuren von anderen Verbrechern führt, doch es sind die dunkle Punkte in ihrer eigenen Vergangenheit, die er ans Licht holen will, wobei Borderline noch eine der harmloseren Ausprägungen ist. Zusammen mit den Ermittlern erlebt der Leser das pure Grauen. Was mit sechs vermissten Mädchen anfängt und auf einen Serienmörder verweist, steigert sich zu einem persönlichen Albtraum für jeden der Beteiligten, und keiner bleibt ungeschoren. Erst am Ende schließt sich der Kreis, und es wird verraten, wer der Choreograph der schrecklichen Tragödie ist und wie er sie inszenieren konnte. Aufmerksame Leser erhalten durch den Prolog einen ersten Fingerzeig, und auch der italienische Titel lässt Spekulationen in die entsprechende Richtung zu. Obwohl die angeschnittenen Themen alles andere als schön sind und einige Szenen splattrige Züge tragen, vermag das Buch zu fesseln. Der Autor schreibt routiniert, beschönigt nichts und überzeugt vor allem durch die sachlich und detailgetreu geschilderte Polizeiarbeit, die vielschichtigen Charaktere und den genialen Plan des Täters. Das Ende ist angemessen.

Schätzt man die Thriller der jüngeren Generation, in der vor allem die Ermittlungen im Vordergrund stehen und die Fakten Stück für Stück wie ein Puzzle zusammengetragen werden, bis die Lösung deutlich ist, dann wird man von „Der Todesflüsterer“ bestens unterhalten. Man sollte aber auch starke Nerven haben, denn die Schicksale der Opfer gehen einem nahe, und auch den Splatter muss man verkraften können.