Fables: Everafter - Es war einmal… 1: Das Pandora-Protokoll (Comic)

Fables: Everafter - Es war einmal… 1
Das Pandora-Protokoll
(Fables: Everafter 1-6, 2016/2017)
Autoren: Dave Justus, Lilah Sturges
Zeichner: Travis Moore, Steve Rolston
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Panini, 2017, Paperback, 148 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-7416-0113-2

Rezension von Irene Salzmann

Nahezu alle Fables haben die Normalo-Welt verlassen, um ein ruhiges Leben in einem der vielen Märchen-Reiche zu führen. Allerdings ist etwas Magie zurückgeblieben, und die Normalos erschaffen plötzlich neue Fables. Damit daraus kein Unheil entsteht - nicht jeder, der sich magischer Kräfte bedienen kann, ist harmlos -, sind einige jener Fables, die schon länger unerkannt unter den Menschen leben, geblieben und überwachen als Mitglieder einer Organisation, die sich Schattenspieler nennt, die Geschehnisse.

Leiter der Schattenspieler ist der undurchschaubare Feathertop, der seine Agenten weltweit operieren lässt, um Informationen zu sammeln, gefährliche Artefakte zu bergen und durchaus auch Personen, die eine große Bedrohung darstellen, zu eliminieren. Zu den Helfern gehören Hänsel, Bo Peep und Peter Piper sowie als Neuzugang Conner Wolf, der Sohn von Bigby Wolf und Snow White.

Der Auftrag, eine junge Hexe, die über enorme Magie verfügt, der Organisation zuzuführen, endet in einem Desaster. Jordan taucht unter, ihr Aufenthaltsort kann jedoch bestimmt werden, und Bo soll sie nach dem Vorfall töten. Dieser Befehl gefällt ihr überhaupt nicht, aber hat sie eine Wahl?

Unterdessen beobachten Peter und Conner eine Diebesbande, die sich auf magische Objekte spezialisiert hat. Um sich zu beweisen, nimmt der Gestaltwandler den Platz eines der Gegenspieler ein und gelangt so zu deren Basis. Zwar gelingt es ihm, Peter zu informieren, doch dann fliegt Conner auf, soll durch Folter zum Reden und anschließend zum Schweigen gebracht werden.


Die beliebte Mystery-Serie „Fables“ und alle ihre Spin-offs sind mittlerweile abgeschlossen. Mit „Everafter - Es war einmal…“ wurde nun eine weitere Reihe gestartet, die in einer veränderten Normalo-Welt spielt, in der neue Fables und Normalos Zugriff auf Magie haben, und einige von ihnen sind äußerst gefährlich wie die kleine Jordan, die eigentlich nur sich selbst schützt und persönliche Verluste ungeschehen zu machen versucht, oder die Diebesbande, die für einen anonymen Auftraggeber mächtige Artefakte zusammenträgt, durch welche Geister beschworen werden, die die Welt und seine Bewohner vernichten sollen.

Die Akteure auf Seiten der Schattenspieler sind Fables, die bisher nur am Rande aufgetreten sind. Feathertop, die Vogelscheuche aus einer moralischen Geschichte von Nathaniel Hawthorne („Feathertop“, 1852), tauchte in der Hauptserie kurz als Begleiter von Snow White auf, die im 17. Jahrhundert in Europa nach Bigby Wolf suchte. Hänsel wurde zum Hexenjäger und arbeitete für Geppetto, dessen sich ausbreitendes Imperium die Fables zur Flucht in die Normal-Welt zwang. Wie sich nun zeigt, ist der Hass auf Hexen immer noch seine Triebfeder, die ihn Befehle ignorieren lässt. Peter Piper und Bo Peep erlebten kleine Auftritte und wurden in „Peter & Max - Ein Fables-Roman“ zum ersten Mal in den Mittelpunkt gerückt. Die illustrierte Novel erzählt die Vorgeschichte des Ehepaars, das harte Zeiten überstehen musste, bis sich schließlich alles für sie zum Guten wendete. Conner Wolf, einer der sieben Welpen von Bigby und Snow, hatte stets das Gefühl, im Schatten seiner Geschwister zu stehen, und ist nun bestrebt zu zeigen, was wirklich in ihm steckt, doch neigt er dazu, sich zu überschätzen, und begeht dann Fehler, die er bloß mit Mühe - oder Hilfe - auszubügeln vermag.

Von daher wird in dieser Serie ein völlig neues Team präsentiert, mit dem man mehr oder minder vertraut ist, dessen Mitglieder aber nie richtig im Fokus gestanden haben. Natürlich gibt es Aha-Effekte, wenn man wenigstens die Hauptreihe kennt, aber auch Newcomer werden sich schnell in dieser Serie zurechtfinden, da man das Wesentliche der Handlung entnehmen kann. Stück für Stück lernt man die Protagonisten besser kennen und taucht mit ihnen in eine Welt ein, die immer gefährlicher wird.

Man erlebt die Geschehnisse in erster Linie aus Sicht der Fables, die mit Magie vertraut sind. Längst gibt es Berührungspunkte zu den Normalos, von denen sich einige selbst mit Zauberei befassen, manchmal bloß spielerisch, oft zum eigenen Vorteil, hin und wieder auch um zu zerstören. Wie jene Menschen mit dieser Entwicklung umgehen, die als Unbeteiligte damit konfrontiert werden (wie Jordans Großmutter) wird praktisch gar nicht thematisiert, als ob es sich noch um Einzelfälle handelt (was spätestens nach der Geisterbeschwörung und den Konsequenzen kaum wahrscheinlich ist).

Im ersten Handlungsbogen, der aus fünf Episoden besteht, werden die Schattenspieler auf zwei Fälle angesetzt, die nichts miteinander zu tun haben und gleichermaßen eine Bedrohung für die Welt darstellen. Es gibt einige Überraschungen, und vielleicht wird irgendwann ein Preis für die Lösungen zu zahlen sein.

Den Schlusspunkt setzt ein Einzel-Abenteuer, in dem ein Magier einen Auftrag übernehmen soll und hereingelegt wird. Feathertop hat seine Hand im Spiel, was ahnen lässt, dass er eigene Ziele verfolgt und keine Skrupel hat, die eigenen Agenten zu opfern. Es spielt auch ein anderer eine unrühmliche Rolle, von dem man das eigentlich nicht erwartet hätte. Das Opfer erzählt seine Geschichte innerhalb einer Rahmenhandlung.

Die Zeichnungen von „Das Pandora-Protokoll“ von Travis Moore („Fables: The Wolf Among Us - Der Wolf geht um“, „Wonder Woman“) sind sehr gefällig, erinnern schon an Superhelden-Comics, mehr als die der meisten anderen Illustratoren. Entsprechend groß ist der Unterschied zu den Bildern von Steve Rolston, die vergleichsweise einfach und comichaft wirken und auch weniger aufwändig koloriert sind. Dass man diesen Wechsel nicht als Stilbruch empfindet, liegt allein daran, dass es sich um zwei eigenständige Geschichten handelt. Außerdem kennt man von anderen „Fables“-Titeln, dass mit einer neuen Story oft auch ein neuer Zeichner kommt und die Qualitätsunterschiede groß sein können.

Gelungener Auftakt einer neuen, spannenden „Fables“-Reihe, für die man keinerlei Vorkenntnisse braucht. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht und ob das zeichnerisch hohe Niveau trotz Künstlerwechsel überwiegen wird.