Valerian Çaithoque: Amizaras Diarium 1893 AD (Buch)

Valerian Çaithoque
Amizaras Diarium 1893 AD
Amizaras, 2017, Hardcover, 500 Seiten, 29,80 EUR, ISBN 978-3-98144214-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schreiben das Jahr des Herrn 1893. In einem kleinen Theater in London gastiert außerhalb der Saison ein Panoptikum des Ungewöhnlichen. Zauberkünstler, Illusionisten und Scharlatane geben sich ein Stelldichein, doch diesmal ist alles anders. Veranstalter wie Zuschauer sind ob des gebotenen Spektakels mehr als zufrieden, das Angebot, seinen Obolus zurückzuerhalten nimmt keiner derer, die sich die Show angesehen haben, in Anspruch. Dabei präsentieren der Forscher und Lebemann Herold, seine Tochter und ein Samurai nur einen 1891 im indischen Kasumpura ergaunerten riesigen Sarkophag nebst Inhalt.

Dass in dem hermetisch abgeschlossenen Sarg, der mit einer Flüssigkeit gefüllt ist, ein riesiges humanoides Wesen mit sieben Fingern ruht, wäre noch nicht das Verstörendste. Dass das Wesen die schwarzen Augen öffnet und mit den Besuchern geistig Kontakt aufnimmt führt zu Panik und einer Massenflucht. Einzig der angehende Schwarzmagier Aleister Crowley und der Entfesselungskünstler Harry Houdini bleiben im Theater.

Sie alle wurden von etwas auserwählt, das weit älter ist als die Menschheit – die letzten Überbleibsel einer uralten Hochkultur; und Ariach, unsterbliche, engelartige Wesen schicken sich an, ihre undurchsichtigen Ränke zu spinnen - ohne dabei auf die Menschheit Rücksicht zu nehmen…

 


Seit dem Erscheinen des ersten Bandes der „Amizaras-Chroniken“ haben sich die Bücher zu Bestsellern entwickelt. Geschuldet ist dies, neben der faszinierend anderen Urban-Fantasy-Handlung, auch der Gestaltung der „Kladden“.

Normalerweise werden in unserer Zeit Bücher eher lieblos am Fließband hergestellt. Alles muss schnell gehen, wird dem Zwang der Gewinnmaximierung unterworfen. Viele Autoren haben hier schon geklagt, einige Wenige konnten sich bei ihrem Hausverlag bezüglich einer etwas gediegeneren Ausstattung durchsetzen. Bedauerlicherweise sind dies rühmliche Ausnahmen, der verlegerische Alltag sieht keine besondere, teure Gestaltung vor.

Valerian Çaithoque aber hat Partner gefunden, für die eine besondere Ausstattung selbstverständlich ist. Seine Bücher enthalten eine Fülle - soll heißen, mehrere Hundert - Innenillustrationen, die den Text nicht nur begleiten, sondern optisch um eine weitere Dimension ergänzen.

Das Schriftwerk selbst wurde äußerlich auf alt getrimmten „gedunkelten“ Kunstdruckpapier-Seiten gedruckt, mit Lesebändchen versehen und fest eingebunden. Der Deckel wie auch der Rücken wurde dabei reich geprägt, im Innern finden sich die ersten beiden Karten eines Tarot-Kartenspiels, das die Ariach Raphadona und Al´Nathrach zeigen.

Natürlich hat diese mehr als luxuriöse, gediegene Ausstattung ihren Preis, doch vergleicht man diesen mit den eher lieblosen Hardcover-Ausgaben der Großverlage, so liegt er erstaunlich moderat über dem Salär, das man sonst für ein gebundenes Buch ausgeben muss.

Inhaltlich geht es, nachdem man zunächst eine Begegnung mit Amizaras hatte, gleich hinein ins Abenteuer. Bekannte, historisch verbürgte Figuren (Crowley, Houdini) gesellen sich zu den Ariach, es wird intrigiert, betrogen und erforscht, dass es eine helle Freude ist. Die beschriebenen kultischen Handlungen sorgen für jede Menge Flair, das viktorianische London als hauptsächlicher Handlungsort für die passende Kulisse.

Auch ohne Kenntnis der „Amizaras“-Trilogie ist dieser Roman, der eine eigenständige Geschichte erzählt, zu goutieren, wartet ein Abenteuer der besonderen Art darauf, dass sich der Leser Zeit für es nimmt. Und Zeit sollte man sich lassen - Zeit dafür, die kongenialen Illustrationen zu betrachten, die Fußnoten und Hinweise zu beachten, und dem Plot zu folgen.

Auch mit diesem Band zeigen Autor und Verleger wieder, dass die Bände um Amizaras etwas Besonderes, etwas Einzigartiges sind, das neben dem haptischen Erleben des Mediums gedrucktes Buch auch inhaltlich bestens unterhält.