Kai Meyer – Das Wolkenvolk: Drachenfriedhof – Lanze und Licht 1 (Comic)

Kai Meyer
Das Wolkenvolk: Drachenfriedhof
Lanze und Licht 1
Textadaption: Yann Krehl
Zeichnungen: Ralf Schlüter
Farben: Digikore Design
Lettering: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2010, Hardcover, 72 Seiten, 15,80 EUR, ISBN 978-3-868669-067-5

Frank Drehmel

Die Suche nach Rettung für das sterbende Volk der Hohen Lüfte führt Niccolo Spini zu dem unsterblichen Tieguai, einen der drei letzten Xian, der in den Bergen ein eremitisches, friedvolles Dasein fristet. Damit jedoch bringt Niccolo, der das Schwert der Götter mit sich führt, die einzige Waffe in das Heim des alten Mannes, mit der dieser getötet werden kann.

Trotzdem nimmt ihn Tieguai freundlich auf und teilt mit dem Jungen nicht nur Essen und Stube, sondern auch seine Philosophie, den Pfad des Tao, und unterweist ihn sogar im Schwertkampf. Als aus heiterem Himmel Mondkind auftaucht – das Mädchen, das Nicolo liebt –, hofft der Junge, die Gesandte des Aethers, die sämtliche Xian töten soll, um so die Verbindung zwischen Himmel und Erde zu zerstören, von ihrem Mordplan abhalten zu können. Doch Mondkind kann keine Gnade walten lassen, obgleich sie Nicolos Liebe erwidert und ihr die Trauer das Herz zu zerreißen droht.

An anderer Stelle erreichen zwischenzeitlich der Xian Li sowie Nuaga den Friedhof Drachen, wo sie Näheres über das Verschwinden und den Verbleib dieser Wesen zu erfahren hoffen, da nur der Wächterdrache Nuaga von dem Fluch erlösen können, der das Mädchen langsam töten wird. Doch statt eines Drachens wartet dort der Seelenschlund auf sie, eine mythische Kreatur, deren Daseinszweck es ist, von jedem Lebewesen ein Exemplar zu verschlingen, um sich das Wissen dieser Spezies und dieses Individuums anzueignen. Und ein Xian stand bisher noch nicht auf dem Speiseplan dieses Ungeheuers, das schon Götter verschlungen hat. Um an Informationen über den Verbleib der Drachen zu gelangen, ist Li bereit sich kampflos diesem Wesen zu ergeben.

Unterdessen suchen Whisperwind und der verzauberte Akrobat Feiqing einen eigenen Weg zu den Drachen und gelangen nach einigen Kämpfen mit bösartigen Raunen ebenfalls zu dem Friedhof, an dem zuvor Nuaga und Li gewesen sind, während in der Wolkenstadt wiederum die gefangene Prinzessin Alessia mit dem Aether in Verbindung tritt und von dessen Verderbnis erfährt.

Beginnen wir mit der offensichtlichsten Veränderung gegenüber dem Vorgängerband: der Koloration. Für die Farbgebung, die nun ohne Tuschen – zuvor Horst Gottas Part – unmittelbar auf die Pencils erfolgt, zeichnet Digikore Studios verantwortlich. Insgesamt sind die Farbübergänge und -verläufe diesmal erkennbar weicher als unter Dirks Schulz' Ägide, was den Bildern eine „realismusnähere“ Note verleiht. Allerdings kommt es in einem phantastischen Setting nicht primär auf Realismus an, sondern den „Sense of Wonder“; und genau der verliert durch die deutlich kraftloseren, weniger lebendigen und ausgebleichter wirkenden Farben.

Die Story selbst ist trotz vier unterschiedlicher mehr oder weniger stark verknüpfter Handlungsbögen problemlos nachvollziehbar, tritt allerdings in Teilen etwas auf der Stelle, wobei sich immerhin weitere Hintergründe in Bezug auf den Aether sowie einige Figuren erhellen.

Auf der Haben-Seite ist zu verbuchen, dass stärker als bisher erzählerische Elemente und Charakterkonzepte japanischer Comic-Traditionen an Bedeutung gewinnen: nicht nur, dass der Autor die Figuren, einem mangahaften Ansatz folgend, ambivalenter – „grauer“ – als zuvor zeichnet, sondern auch die (Weiter)Entwicklung des lockeren philosophischen Unterbaus zeugt von der kulturellen Nähe zur japanischen Perspektive.

Auf der Soll-Seite steht die kindische Beziehung zwischen Niccolo und Mondkind, die es in Bezug auf Kitsch durchaus mit einer Rosamunde-Pilcher-Schmonzette aufnehmen kann.

Fazit: Wer auf leichte, spannende Geschichten mit interessanten Charakteren vor japanischem Hintergrund steht, mit der typischen grafischen Manga-Ikonografie allerdings wenig anfangen kann, der ist mit der „Wolkenvolk“-Serie im Allgemeinen und „Drachenfriedhof“ im Besonderen bestens bedient.