Janet Clark: Black Memory (Buch)

Janet Clark
Black Memory
Heyne, 2016, Paperback mit Klappenbroschur, 482 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-453-41833-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Eine Frau wird im Ozean vor Indonesien gefunden und, weil sie keinerlei Erinnerungen hat, inhaftiert. Die Polizei glaubt, einen Coup gelandet zu haben, weil eine gewisse Clare Brent mit einem internationalen Haftbefehl wegen Kindesentführung gesucht wird. Kurz darauf holen sie zwei dubiose Männer aus ihrer Zelle und bringen sie nach London. Einer von ihnen ist den Behörden nicht bekannt, und der andere behauptet, ihr Mann Paul zu sein.

Clare möchte Paul gern glauben, aber es gibt zu viele Ungereimtheiten. Allein das Gefühl, Bonnie zu vermissen, erscheint ihr echt. Aber wenn sie das Mädchen wirklich entführt hat: Warum? War Paul, mit dem sie angeblich keine gute Ehe führte, der Grund? Hat er, gemäß einer vagen Erinnerung, versucht, Clare zu töten, um des Kindes habhaft zu werden?

In ihrer Not - die Zeit drängt - vertraut sich Clare dem Portier Raphael an, der ihr rät, sich an eine italienische Hypnotiseurin zu wenden, um Zugang zu ihren Erinnerungen und damit zu Bonnies Schicksal zu erhalten. Aber auch er und die Spezialistin scheinen nicht mit offenen Karten zu spielen.

Längst weiß Clare nicht mehr, wem sie vertrauen darf, denn jeder will offenbar bloß die Fähigkeiten von Bonnie ausbeuten, die angeblich geheime Erinnerungen anderer Menschen sehen kann, die sie zwar nicht zu erzählen, aber zu malen vermag…


„Black Memory“ hält sich nicht lange mit der verzweifelten Situation der Hauptfigur auf, aus deren Perspektive die Handlung geschildert wird, sondern versetzt Clare Brent sehr schnell in die Lage, aus ihrer Inaktivität auszubrechen und zur Akteurin zu werden, auch wenn sie weder weiß, was sie getan hat, noch wer auf ihrer Seite steht. Alles, was sie hat, sind ihre Intuition und die Hoffnung, dass sie ihr Gedächtnis schnellstens zurückerhält.

Was auch immer Clare zugestoßen ist, hat einen Teil ihrer Erinnerungen ausgelöscht. Zwar kann sie noch auf allgemeines Wissen und ihren Background als Medizinerin zurückgreifen, nicht aber auf persönliche Erlebnisse, weshalb sie immer wieder rätselt, wem wirklich an ihrem und Bonnies Wohl gelegen ist und wer das Kind aus welchen Gründen entführt hat.

Clare fühlt sich ständig hin und her gerissen, wenn es darum geht, jemandem zu vertrauen, denn alle verschweigen ihr wesentliche Dinge und versuchen zu verhindern, dass sie mit bestimmten Personen redet. Wann immer sie annimmt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, passiert etwas, wodurch alles wieder infrage gestellt wird.

Wie nicht anders zu erwarten, ist Bonnie ein Teil der Lösung: was vor wenigen Jahren mit ihrer Familie geschah, ihre erstaunlichen Fähigkeiten, die jedoch eine Qual für das Mädchen bedeuten, Clares Bemühungen, ihr als Ärztin durch das Hinzuziehen von Spezialisten zu helfen. Letzteres bringt den Stein ins Rollen, Clare entführt angeblich Bonnie, verliert jedoch ihrerseits das Kind - und die Romanhandlung setzt ein.

Da Clare den Menschen, die behaupten, sie zu kennen, nicht traut, sucht sie in Italien Hilfe, muss aber erkennen, dass sie offenbar mit Bonnie schon einmal dort gewesen war und Dottoressa Torenzo entgegen ihrer anfänglichen Behauptungen Clare sehr wohl schon begegnet ist. Um ihre Erinnerungen wiederherzustellen, lässt sich Clare dennoch auf das riskante Spiel ein und findet endlich eine heiße Spur. Von da an geht die Jagd erst richtig los, und noch immer liegen nicht alle Puzzle-Stücke an den passenden Stellen. Es folgen einige unerwartete Wendungen, bis Clare schließlich die ganze Wahrheit erfährt, und der Band endet mit einem kleinen Showdown.

Janet Clark ist es gelungen, die Handlung spannend und glaubhaft zu inszenieren. Der Leser weiß immer so viel wie die Protagonistin und kann nur gemeinsam mit ihr spekulieren. Man mag irgendwann etwas ahnen, aber bis Gewissheit herrscht, dauert es sehr lang, und bis dahin ist man ebenfalls unsicher, wer die Guten und wer die Bösen sind. Vor allem Leserinnen, die packende, rätselhafte Krimis mit toughen Frauen schätzen, werden sich von der ersten bis letzten Seite gut unterhalten fühlen.