Sabine Thiesler: Nachts in meinem Haus (Buch)

Sabine Thiesler
Nachts in meinem Haus
Heyne, 2017, Hardcover, 512 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-453-26969-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Der erfolglose Kunstmaler Tom Simon lernt die vermögende Gräfin Emilia von Orosz kennen und lieben. Zunächst ist ihre Ehe glücklich, doch dann kommt die Studentin Theresa Kastner regelmäßig in das Haus des Paares, um Emilia das Klavierspielen zu lehren. Es dauert eine ganze Weile, bis Tom begreift, dass die Frauen eine Affäre haben. Er wendet sich an seinen Freund, den unbekannten Anwalt René Bergmann, der dank der Beweise bei der Scheidung eine hübsche Abfindungssumme für Tom herausschlagen kann.

Von da an haben Tom und René, der seinen Anteil bekommen hat, erst einmal keine Geldsorgen mehr und aufgrund der richtigen Publicity betuchte Kunden. Bei der Einweihungsfeier von Renés neuem Penthouse lernt Tom Charlotte, die große Liebe seines Freundes, kennen, und kurz darauf sind er und die Filmproduzentin verheiratet. Derweil tröstet sich Tom mit seiner Sekretärin Leslie. Bei beiden Ehepaaren, obschon die Beziehungen glücklich sind, stellt sich die Langweile ein, und Tom beginnt ein Verhältnis mit Leslie.

Eines Nachts, als die beiden ihre Liebe genießen, werden sie von Geräuschen im Haus aufgeschreckt. Mit einer Harpune bewaffnet schleicht Tom nach unten und schießt auf einen Schatten. Als er das Licht anschaltet, erkennt er den vermeintlichen Einbrecher: Charlotte, die eigentlich auf Reisen hätte sein sollen!
Leslie verschwindet, und Tom wendet sich in seiner Not an René. Dieser kommt sofort, schickt Tom in das italienische Ferienhaus, welches einst seiner (Renés) verstorbener Schwester gehört hat, und verspricht, alles wie einen Einbruch aussehen zu lassen. Dann jedoch entdeckt René im Bett von Tom und Charlotte Leslies Ohrring und weiß Bescheid. Damit ändert sich alles, und der treulose Freund soll büßen.

Während die Polizei zu ermitteln beginnt, erreicht Tom sein Ziel und scheint einstweilen in Sicherheit zu sein. Doch stetig geht es bergab. Er ist bald pleite, da er an seine Millionen nicht herankommt. Obwohl er ahnt, dass René Verdacht geschöpft hat, muss er weiter auf ihn bauen, und gemeinsam schmieden sie einen fatalen Plan…


„Nachts in meinem Haus“ ist das, was man einen ‚Frauen-Triller‘ nennen könnte, denn der Schwerpunkt der Handlung liegt nicht etwa auf dem Verbrechen und den daraus resultierenden Plänen, die zu weiteren Untaten führen, sondern vor allem auf dem Umfeld der Beteiligten, ihren Beziehungen, Affären, Versprechen und Betrügereien. In Konsequenz werden die Straftaten relativ kurz geschildert, während sich ein aufwändiges Drumherum entfaltet.

Tatsächlich beginnt der Roman mit dem Tod von Charlotte, der eigentlich ein Unfall ist, da sie ihre Reise abbricht, für einen Einbrecher gehalten und aufgespießt wird. Tom begeht den Fehler, seine Affäre mit Leslie geheimhalten zu wollen, um für sie beide Probleme mit René zu vermeiden, der den beiden auf die Schliche kommt, auf Rache sinnt - und damit hat Tom schon verloren, weil die Polizei ihn als Mörder sucht und er keine Hilfe mehr zu erwarten hat.

Dann erst wird aufgerollt, wie der arme Schlucker Tom unverhofft zum Glückskind wird: Seine gescheiterte erste Ehe macht ihn zu einem reichen und prominenten Mann. Er lässt René an seinem Glück teilhaben, beide erleben einen gesellschaftlichen Aufstieg, auf den der tiefe Fall folgt, weil sie gewissermaßen den Hals nicht voll bekommen und nach immer neuen Vergnügungen, dubiosen Investitionen etc. suchen.

Obwohl er reichlich Zeit hat, über die Angelegenheit nachzudenken, und sich Renés Revanche schnell bemerkbar macht - Tom geht das Geld aus, die versprochene Unterstützung stellt sich nicht ein -, ändert er keineswegs seinen Kurs und hofft weiterhin, dass der Freund zu ihm hält, obschon Leslie warnt, dass sie wohl aufgeflogen sind. Und auch von ihr erhält er vor allem Versprechungen und wenig Beistand. Dass Tom immer tiefer stürzt, ist die logische Konsequenz, und wieviel schlimmer es wird, das möchte man gar nicht verraten, denn einige kleine Überraschungen soll der recht vorhersehbare Roman seinen Lesern doch bieten.

Fast schon interessanter sind im Vergleich die Schicksale einiger Nebenfiguren.´Die Freunde der Simons und Bergmanns bleiben relativ blass, da sie die Klischee-Schickeria präsentieren, welche nicht weiß, wohin mit dem Geld, und sich über Belanglosigkeiten ereifert, von denen sie keine Ahnung hat - und bei der der Versuch, zumindest einem Paar mehr Tiefe zu verleihen, zu spät erfolgt und daher aufgesetzt wirkt. Im Vergleich erscheinen die Konflikte von Carabinieri Donato Neri und seiner Frau Gabriella viel realistischer, atmen italienisches Flair, wenn auch in einer typischen Weise, wie man sie aus entsprechenden Filmen kennt.

Wer im weiteren Verlauf der Ereignisse den Weg von Tom und René kreuzt, wird relativ schnell und leider auch auf gängige Art beschrieben und abgehandelt, sei es der ungebundene Spät-Hippie, die heruntergekommene Prostituierte oder die an einer mysteriösen Krankheit leidende junge Frau, die trotz der spannungsheischenden Kapitelüberschrift „Der Fluch“ kein ‚Hexen-Feeling‘ aufkommen lässt.

Regelmäßig wechseln die Perspektiven zwischen den zahlreichen Protagonisten. Man begleitet Tom in seiner Abwärtsspirale, erfährt von Renés Hass auf den Freund, Leslies opportunen Ansichten, den Sorgen der Neris und so weiter, darunter Dinge, die nicht immer wirklichen oder bloß indirekten Einfluss auf die Ereignisse nehmen.

Gerade dadurch liest sich das Buch abwechslungsreich und aufgrund der Beziehungsdramen unterhaltsam - wenn man das haben möchte und akzeptiert, dass die Krimi-Handlung an zweiter Stelle rangiert, d. h., dass man mehr Rosemarie Pilcher als Richard Laymon bekommt. Das soll nun keine negative Kritik sein, denn die Geschmäcker sind verschieden, und „Nachts in meinem Haus“, das den Leser zu fesseln versteht, ist nun mal Non-Hardcore, was ebenfalls sein Publikum hat und guten Stoff fürs TV liefern könnte. Die Autorin schreibt flüssig und flott, es gibt keine Längen - und wenn man sich für diese Art Thriller erwärmen kann, darf man sich an einer spannenden, dramatischen Lektüre erfreuen.