Spider-Man: Der Schwur (Comic)

Dan Slott
Spider-Man: Der Schwur
(Amazing Spider-Man: Renew Your Vows, Part 1-5, 2015)
Übersetzung: Michael Strittmatter
Titelbild: Adam Kubert
Zeichnungen: Scott Hanna, Adam Kubert, John Dell u.a.
Panini, 2017, Paperback, 124 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-7416-0188-0 (auch als Hardcover erhältlich, 25,00 EUR)

Rezension von Irene Salzmann

Das bekannte Marvel-Multiversum existiert nicht mehr. Auf Battleworld kämpfen die Überlebenden aus verschiedenen Welten und Zeit-Altern für sich und ihre Freunde - und gegen Dr. Doom, der über den Planeten herrscht. Peter „Spider-Man“ Parker ist wie ab den späten 80er Jahren mit Mary Jane Watson verheiratet, und die beiden haben eine Tochter, Annie Mayday Parker. Plötzlich verschwinden etliche Superhelden, und Spider-Man hat deutlich mehr zu tun.

 

Als er sich an die Avengers mit seinen Fragen wenden will, brechen diese gerade auf, um Augustus „Regent“ Roman zu bekämpfen. Spider-Man kann sich ihnen nicht anschließen, da seine Familie von Venom bedroht wird.

Einige Jahre später sind nahezu alle Helden ausgelöscht und Regent herrscht absolut über sein Volk - dank der Kräfte, die er den Toten gestohlen hat. Peter und Annie tragen Inhibitoren, die ihre Fähigkeiten unterdrücken, andernfalls würde Regent auch sie von seinen Schergen entführen lassen und sie ihrer Talente berauben, um noch stärker zu werden. Obwohl für Peter die Sicherheit seiner Familie an erster Stelle steht, muss er schließlich doch eingreifen, um Unschuldige zu beschützen. Nun wissen alle: Spider-Man ist wieder da!

Um an ihn heranzukommen, lässt Regent nach Annie fahnden und stößt auf eine heiße Spur. Er bringt Spider-Man in seine Gewalt, aber Annie und MJ werden von einer anderen Gruppe fortgebracht. Beide beschließen, nicht länger davonzulaufen, sondern ihren Helden, Ehemann und Vater zu retten…


Man kann diese in sich abgeschlossene Story problemlos lesen, auch wenn man das ganze Crossover um das Ende des bis dahin bekannten Marvel-Universums und die „Battleworld“-Episoden nicht kennt. Gerade die reiferen Leser, die noch die großartigen Geschichten von früher kennen, dürften an diesem Szenario viel Freude haben. Denn hier sind Peter Parker und MJ Watson junge Erwachsene, die in ihren Berufen erfolgreich sind und eine Familie gegründet haben. Das war - wie sehr viel früher schon bei den Fantastic Four - die logische Entwicklung eines verliebten, einander vertrauenden Paares.

Leider jedoch wurde dieser Meilenstein im Leben Spider-Mans ausgelöscht, die Ehe und das Kind - „Bobby lebt!“ - auf fadenscheinige Weise aus dem Marvel-Kanon entfernt (2007: Mephisto erlaubt Peter, sich für seine verstorbene Tante May zu opfern, woraufhin seine Ehe und Annie/May aufhören zu existieren und jeder, der seine wahre Identität kannte, diese vergisst). Überhaupt ging es mit der Beziehung von Peter und MJ bergab, beide wurden ‚verjüngt‘ und in Hinblick auf ihre Karrieren zurückgestuft. Damit mag man vielleicht junge Leser bedienen können, die sich wenig aus Pantoffel-Helden im Alter von 20+ machen, aber für das ältere Publikum war das ein Schlag ins Gesicht (zumal „Spider-Man“ nicht die einzige Serie war, deren Protagonisten wieder kindlicher wurden, man denke nur an „X-Faktor“).

Wie auch immer, hier agiert ein Ehepaar, das sich in seinen Zwanzigern/Dreißigern befindet und eine Tochter hat, die sich vom Klein- zum Schulkind entwickelt. Ihnen allen ist gemein, dass sie sich umeinander sorgen, aber es nicht ertragen, wenn sich vor ihren Augen Ungerechtigkeit, Mord und Totschlag abspielen. Natürlich riskiert Peter alles, um seine Familie zu beschützen und bricht dafür sogar mit seinen (typischen Superhelden-) Prinzipien, was seine Gegner überrascht: Spider-Man ist bereit zu töten, wenn es sein muss. Aber auch seine Familie bleibt nicht tatenlos, sondern unterstützt ihn im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Obwohl die Parkers sich nach Regents Übernahme zurückziehen und versuchen, nicht aufzufallen, können sie sich der Verantwortung nicht entziehen. Diese empfinden sie füreinander, doch sie können trotzdem nicht tatenlos zusehen, wenn andere gequält oder/und ermordet werden. So fliegen sie - was sonst? - auf und müssen sich einem übermächtigen Feind stellen. Es sieht gar nicht gut aus, aber alle wachsen über sich hinaus.

Und hier wird es doch ein bisschen unglaubwürdig. Obschon Annie die Kräfte ihres Vaters geerbt hat, ihre geringe Größe und Agilität zu nutzen weiß, wirkt es etwas übertrieben, dass sie sich erfolgreich mit Schurken anzulegen vermag, die Spider-Man immer wieder in Bedrängnis bringen konnten. Das ist zwar nett und rührend erzählt, aber nicht wirklich überzeugend.

Darum geht es jedoch gar nicht, sondern um das „What if?“, einst eine Serie, die Möglichkeiten auslotete, die nicht für den Kanon bestimmt waren, aber ihre Anhänger hatten, und um eine Ära, der ein großer Teil des Publikums gewiss noch heute nachtrauert.

Sehr schön ist zudem, dass hier einige Figuren auftreten, die man selten oder kaum noch zu sehen bekam/bekommt wie Prowler, Dagger und Tigra.

Die Zeichnungen sind sehr gefällig und erinnern an die frühen 90er Jahre, als der Einsatz von Computerprogrammen die Illustrationen und die Kolorierung revolutionierte.

In der Summe ist „Spider-Man: Der Schwur“ in erster Linie ein Geschenk an langjährige Leser, die wehmütig an damals denken und sich diese Ära zurückwünschen, aber auch an Gelegenheitsleser, die sich relativ abgeschlossene Storylines wünschen, und an die Freunde ansprechender Illustrationen.

Wenn man schon so manchen Reboot mitgemacht hat, fragt man sich schon, ob Marvel wirklich immer die ‚richtigen‘ Entscheidungen getroffen hat…

„Spider-Man: Der Schwur“ ist ein must have für Fans (und nicht nur), erinnert an eine vergangene, vielleicht sogar schönere Ära und lässt wünschen, dass nicht dauernd für einen auf Schock-Effekten beruhenden kurzfristigen Verkaufserfolg gewachsene Handlungen über den Haufen geworfen werden, was bloß einen weiteren Teil der Stammleser vergrault,

Toller Comic, wie man ihn gern öfter lesen möchte.