Batman: Europa (Comic)

Brian Azarello, Matteo Casali
Batman: Europa
(Batman: Europa 1-4, 2015/2016)
Übersetzung: Alexander Rösch
Titelbild: Lee Bermejo
Zeichnungen: Giuseppe Camuncoli, Jim Lee, Diego Latorre u.a.
Panini, 2016, Paperback, 140 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-95798-994-9

Rezension von Irene Salzmann

Ein Virus hat Batmans Systeme befallen, aber schlimmer noch: auch ihn! Und seinen Erzfeind Joker, dem zuzutrauen ist, seinem eigenen Leben ein Ende setzen zu wollen, wenn er auf diese Weise auch Batman grausam töten kann. Die Zeit läuft, beide werden schwächer, und ihr Denken verwirrt sich. Um zu überleben, müssen sie zusammenarbeiten und denjenigen finden, der sie infiziert hat.

Die Spur führt nach Berlin zu der Hackerin Nina, die, ohne nachzufragen, den Auftrag eines Unbekannten wegen des Geldes ausgeführt hat. Sie begleitet die Männer nach Prag, von wo aus der Auftraggeber operiert. Nina wird entführt, während Batman und Joker sich einer Armee altertümlicher Roboter erwehren müssen. Der Sender, mit dem Batman Nina versehen hatte, lässt die beiden nach Paris reisen, doch können sie der jungen Frau nicht mehr helfen. Die Art ihres Todes liefert den Fingerzeig auf Rom, wo der mysteriöse Mörder schon wartet und endlich seine Identität enthüllt.


Die vierteilige „Batman: Europa“-Mini-Serie erschien bei Panini bereits in zwei Bänden im Mai und Juli 2016. Anders als die meisten Geschichten um den Dark Knight, die in den USA, vorzugsweise in Gotham (New York), oder an exotischen Schauplätzen weltweit spielen, wählten die Autoren Brian Azarello („100 Bullets“, „Hellblazer“, „Lex Luthor: Man of Steel“) und Matteo Casali („Catwoman“, „Justice League Unlimited“, „99 Days“) für dieses Abenteuer gezielt Europa beziehungsweise namhafte Hauptstädte mit einer bedeutsamen Historie, die genauso wie Gotham als düstere, abweisende, fast schon lebendige Kulisse dienen: Berlin, Prag, Paris, Rom.

Jede dieser Stationen wurde von einem anderen Zeichner dargestellt, beginnend mit Jim Lee („X-Men“, „WildC.A.T.S“, „All Star Batman“), der die Ausgangssituation in Gotham und die weiteren Ereignisse in Berlin inszeniert hat, über Giuseppe Camuncoli (Prag; „The Amazing Spider-Man“, „The Superior Spider-Man“), Diego Latorre (Paris; „Hulk: Broken Worlds“, „Dante‘s Inferno“) und Gerald Parel (Rom; „Iron Man: Season One“).

Da hier absichtlich für jeden Teil der Story andere Illustratoren eingesetzt wurden - und nicht aus ‚Verlegenheit‘ mitten drin in der laufenden Handlung, weil der aktuelle Künstler mehr oder minder plötzlich abgesprungen ist -, sieht man die individuellen Stile auch nicht als Bruch an. Im Gegenteil, die Bilder wirken sehr homogen, da man die Zeichner wohl auch nach ihrem Stil auswählte, und selbst Jim Lee, bekannt für realistisch-idealistische Illustrationen, zeigt sich hier von einer weniger bekannten Seite.

Meist wurde auf klare Linien verzichtet. Die Protagonisten verschmelzen beinahe mit ihrer Umgebung, passen sich auf ihrer Mission wie Chamäleons an, um praktisch ungehindert der Person nachzujagen, die sie zu einer tödlichen Schnitzeljagd wie ‚eingeladen‘ hat. Dabei wird der Eindruck vermittelt, je rascher das Virus sich in Batmans Körper ausbreitet, umso verschwommener nimmt er wahr, was um ihn herum passiert, und mit ihm der Betrachter. Die Autoren haben seine Perspektive gewählt und lassen Batman mutmaßen, was in Joker vor sich geht, der aufgrund seiner Unberechenbarkeit und Verrücktheit mit der Situation offenbar wesentlich besser zurechtkommt, sodass er manchmal Batman zurück auf die Spur bringen und ihn sogar retten muss.

Dieser Punkt ist es auch, der die Geschichte reizvoll macht: Zwei geschworene Feinde müssen sich verbünden, um ihr Leben zu retten, wobei jeder wachsam zu sein hat - eigentlich nur Batman, wenn man es genau nimmt, da er kein Mörder ist -, denn der andere könnte einen Moment der Schwäche ausnutzen, um den tödlichen Streich zu versetzen. Allerdings wissen beide, dass sie aufeinander angewiesen sind und nur gemeinsam das Mittel finden können, welches sie heilt. Dabei entdeckt jeder am anderen bisher ungeahnte Wesenszüge. Es wundert nicht, dass prompt das berühmte Schlusszitat aus „Casablanca“ einen Platz findet: „Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“ - natürlich nicht wörtlich zu nehmen.

Auf den Hintermann des Ganzen kommt man wirklich nicht leicht, da ein solch perfider Plan durchaus dem Joker zugeschrieben werden könnte. Insofern überrascht ein anderer übler Gegner Batmans das Publikum.

„Batman: Europa“ ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von irgendwelchen laufenden Titeln gelesen werden, was freilich ein großes Plus bedeutet. Die geschichtsträchtigen Städte und ihre Darstellungen liefern eine wichtige, bedrohlich anmutende Kulisse, die Tragödien atmet und vor der zwei Protagonisten um ihr Leben und um ihren Verstand kämpfen. Die Bilder sind angemessen düster, wirken teilweise schon surreal. Zwei Feinde arbeiten temporär zusammen, gewinnen neue Erkenntnisse übereinander, doch jeder bleibt, wer er ist. Infolgedessen übt auch umgekehrt dieser Band keinen weiteren Einfluss auf die Serien aus. Ein interessantes, gelungenes Experiment, auch wenn der Drahtzieher am Ende doch etwas wie ‚aus dem heiteren Himmel fällt‘.