Neil Gaiman: Niemalsland (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 30. Oktober 2016 09:35
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Neil Gaiman
Niemalsland
(Neverwhere, 2005)
Übersetzung: Tobias Schnettler
Eichborn, Paperback, 422 Seiten, 18,00 EUR, ISBN 978-3-8479-0615-5 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Gunther Barnewald
Neil Gaimans Prosa-Erstlingswerk erschien 1997 in Deutschland beim Heyne Verlag und erlebte dann mehrere Neuauflagen. Ähnlich wie bei „American Gods“ existiert auch für diesen Roman eine Art „Director´s Cut”, den der Autor 2005 veröffentlichte. Während die Extended Version von „American Gods“ jedoch die Ursprungsversion ist, hat Gaiman „Neverland“ nachträglich nochmals bearbeitet, hier eine elaboriertere Version erschaffen.
Mit der aktuellen Ausgabe von 2016 aus dem Eichborn Verlag liegt diese Version nun erstmals auch in Deutschland vor (ca. 390 Seiten). Zudem enthält die Ausgabe noch einen kleinen (zwei Seiten) zusätzlichen Prolog (hinten angestellt) und eine knapp 35seitige Kurzgeschichte, die nach dem eigentlichen Abenteuer spielt und beschreibt, wie der Marquis de Carabas seinen Mantel zurückerhält, den er bei seinem Tod verloren hatte.
Nach wie vor gehört „Niemalsland“ zu den unterhaltsamsten und phantasievollsten Büchern, die Neil Gaiman geschrieben hat und ähnlich wie in der (vielleicht von diesem Roman inspirierten) Serie von Ben Aaronivich wird London zu einem wunderbar magisch verklärten Ort, der den Gestank, die Abgase und die Hektik der Megacity vergessen lassen.
Denn im Untergrund wartet das Abenteuer auf den unbedarften Normalbürger Richard Mayhew, der einem kleinen Mädchen mit besonderen Fähigkeiten das Leben rettet und zum Dank dafür aus seinem wohlgeordneten Leben herausfällt. Entsetzt muss Mayhew feststellen, dass ihn keiner seiner Bekannten mehr längere Zeit wahrnehmen kann. Seine Wohnung wird ihm unter dem Hintern weg vermietet, sein Job einfach abgeschafft, sein Bankkonto gelöscht. Plötzlich ist Mayhew ein obdachloser Unsichtbarer und nur das Mädchen, dem er vor Kurzem das Leben rettete, kann ihm helfen, zu überleben.
Leider ist sie selbst gerade auf einer lebensgefährlichen Expedition durch den verwunschenen Untergrund Londons, in dem die Vergangenheit lebendig ist, in dem es U-Bahn-Stationen gibt, von deren Existenz nicht einmal die Einheimischen wissen, und in dem fabelhafte Sagengestalten ihrem unheimlichen Tagwerk nachgehen (oder doch vielleicht eher Nachtwerk!).
Und so ist der arme Mayhew (und mit ihm der hypnotisch gebannte Leser) gezwungen, sich auf all jene Wunderdinge einzulassen, die nur die Phantasie eines sehr guten Autors zu erschaffen vermögen. Und dies ist Neil Gaiman ohne Zweifel!
Schade nur, dass die Innenillustrationen dem wenig Tribut zollen und in ihrer Düsternis den Zauber der literarischen Vorlage leider nicht widerspiegeln.
Wer Gaimans Roman liebt, der wird sich auch für diese Ausgabe begeistern können. Wer ihn noch gar nicht kennt, sollte ehedem zugreifen, denn „Niemalsland“ ist zweifelsohne einer der schönsten und romantischsten Phantastik-Romane der letzten dreißig Jahre.