Wilko Müller jr. (Hrsg.): Der Wunderschmied (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 13. September 2016 16:30
Wilko Müller jr. (Hrsg.)
Der Wunderschmied
Übersetzung: Wilko Müller jr., Gerd-Michael Rose
Titelbild: Mario Franke
Edition SOLAR-X, 2015, Paperback, 142, Seiten, 10.00 EUR, ISBN ISBN 978-3-945713-08-2
Rezension von Irene Salzmann
Fitzjames O’Brien: „Der Wunderschmied“ („The Wondersmith“, 1859)
Herr Hippe, „der Wunderschmied“, und seine Vertrauten befassen sich mit dämonischen Mächten zu üblen Zwecken. Außerdem hütet der böse Zigeuner ein junges Mädchen, Zonela, die weiß, dass sie einst gestohlen wurde. Ihre ganze Zuneigung gilt dem Buckligen Solon, mit dem sie am liebsten fliehen würde. Doch die beiden werden ertappt.
Fitzjames O’Brien: „Das Kind, welches ein Grab liebte“ („The Child Who Loved A Grave“, ca. 1860)
Ein kleiner Junge, mit dem keines der anderen Kinder spielen mag, findet Trost bei einem verwahrlosten Grab, das sich durch ein Wappen von allen anderen Gräbern unterscheidet. Er pflegt es, bis Männer kommen, die ihn wegschicken und das Grab öffnen.
Fitzjames O’Brien: „Was war es?“ („What Was It? A Mystery“, 1859)
Ein Haus, in dem es angeblich spukt, lockt neugierige Mieter an. Lange Zeit rührt sich nichts, doch dann wacht eines Nachts der Erzähler auf, weil jemand auf ihm hockt und ihn würgt. Aber wohin er auch schaut, da ist - nichts!
Thomas Love Peacock: „Calidore“ („Calidore“, 1815)
„Calidore“, ein junger Mann aus einem weit entfernten Land, erreicht mit seinem Boot die walisische Küste. Die Töchter des Vikars sind die ersten Menschen, denen er begegnet, und beider Freude ist groß, als er sie wenig später in ihrem Elternhaus aufsucht - aber nicht lange, denn er ist nicht das, was sich christliche Eltern als Schwiegersohn wünschen. Doch Ellen hat ihre eigenen Pläne und verspricht, auf ihren Liebsten zu warten, bis er seine Geschäfte in London erledigt hat.
Louisa May Alcott: „Verirrt in einer Pyramide oder Der Fluch der Mumie“ („Lost in a Pyramid, or the Mummy’s Curse“, ca. 1875)
Paul Forsyth ist aus Ägypten zu seiner Verlobten Evelyn heimgekehrt. Von der Reise, die er beinahe nicht überlebt hätte, weil er sich in einer Pyramide verirrt hatte, bringt er ihr ein Schmuckkästchen mit, das offenbar einer Magierin gehörte und einige Samenkapseln enthält. Aus Sorge, aus ihnen könnte etwas Giftiges wachsen, vernichtet er sie. Bis auf eine, die er einem Professor, der ebenfalls an jener Reise teilgenommen hatte, zur Aufzucht überlässt. Das soll Pauls Überraschung für Evelyn am Tag ihrer Hochzeit sein. Doch auch die Braut, die seit geraumer Zeit kränkelt, wartet mit einem unverhofften Geschenk auf.
Louisa May Alcott: „Eine seltsame Insel“ („A Strange Island“, ca. 1875)
Die junge Erzählerin gelangt auf eine Insel, die viele seltsame Bewohner hat, welche sich oft recht merkwürdig benehmen. Eine Erklärung dafür hat sie zunächst nicht.
Anonymos: „Die Geisterkutsche von Blackadon“ („The Spectral Coach of Blackadon“)
Der Streit um ein Stück Land scheint einen der Interessenten frühzeitig in den Tod getrieben zu haben. Seither gehen dort seltsame Dinge vor sich, und sogar eine Kutsche mit einem schwarz gekleideten Mann, die von kopflosen Pferden gezogen wird, wurde gesehen. Der Pastor Mr. Dodge wird von einem Kollegen gebeten, die Angelegenheit zu untersuchen.
„Der Wunderschmied“ ist eine Anthologie mit Geschichten, die der Klassischen Phantastik zuzuordnen sind. Sie stammen aus dem 19. Jahrhundert und wurden von Autorinnen und Autoren verfasst, die wenig oder gar nicht bekannt sind. Soweit über sie Informationen vorlagen (natürlich nicht über „Anonymos“), wurden diese hinzugefügt, teils ergänzt mit kurzen Erklärungen zu den Storys, die aus aktueller Sicht auch schon mal gegen die Regeln der political correctness verstoßen („Der Wunderschmied“) oder ein abruptes Ende nehmen, bevor das Thema zufriedenstellend behandelt wurde („Calidore“).
Die Verfasserinnen und Verfasser verarbeiten ihnen vertraute und in der damaligen Gesellschaft beliebte Motive in Kombination mit fantastischen Elementen. So finden sich mit Magie beseelte Spielzeugfiguren, geheimnisvolle Gräber, ein Unsichtbarer, ein vergessener Kontinent, auf dem die alten Götter und die Helden mythischer Schlachten leben, der Fluch einer Mumie, die Figuren aus Kinderliedern und -reimen sowie nächtlicher Spuk in einem Moor. Nicht immer wird vollständig aufgelöst, worum es sich bei den Phänomenen handelt, denn viel wichtiger ist die atmosphärische Vermittlung des Wundervollen, des Unheimlichen, des Unerklärlichen und des Bedrohlichen, dem der Mensch oft nicht gewachsen ist.
All diese Themen haben in späteren Zeiten die Autoren der Phantastik regelmäßig aufgegriffen und weiterentwickelt. Sie in ihren frühen Formen lesen zu können, ist dementsprechend interessant und wird insbesondere jenem Publikum gefallen, das ein Faible für die Klassiker von Edgar Allan Poe, Jules Verne, Bram Stoker, Edgar Rice Burroughs, Sir Arthur Conan Doyle und so weiter hat.
Eine reizvolle Sammlung früher fantastischer Geschichten von wenig bekannten Autoren - lesenswert!