Dmitry Glukhovsky: Metro 2035 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 30. Juni 2016 11:12
Dmitry Glukhovsky
Metro 2035
(METPO 2035, 2015)
Übersetzung von David Drevs
Heyne, 2016, Paperback, 774 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31555-6 (auch als eBook erhältlich)
Von Gunther Barnewald
„Metro 2035“ ist der dritte Teil von Glukhovskys Serie über das Überleben von Menschen in der Moskauer Metro nach einem verheerenden Atomkrieg im Jahre 2013. Erneut steht der junge Artjom im Mittelpunkt der Handlung, wie bereits in dem sensationellen ersten Roman „Metro 2033“ und der schwachen Fortsetzung „Metro 2034“.
Wie im ersten Band hat der Autor auch im dritten Teil ein extrem seitenstarkes Werk von diesmal über 700 Seiten erschaffen, das aber leider in zwei sehr unterschiedliche Teile zerfällt. Denn während die ersten 400 Seiten alte Sujets wiederkauen und völlig ohne jede neue Idee auskommen (und die meisten Leser eher langweilen dürften), sind die letzten knapp 300 Seiten dann eine irre Achterbahnfahrt mit einem genialen und zutiefst erschreckenden Plot, der jedem Putin-Fan die Luft nehmen dürfte.
Aber der Reihe nach: Artjom lebt mit seiner Geliebten Anja zusammen, die gerne Kinder von ihm möchte. Doch Artjom ist sich nicht sicher, ob er in die enge, unbequeme und immer barbarischer werdende Welt der Metro ein Kind setzen möchte. Er träumt von der Flucht der Menschen an die Oberfläche und sucht diese, trotz der verbreiteten Radioaktivität, immer wieder auf. Während Anja um Artjoms Fruchtbarkeit und Leben fürchtet, ist der junge Mann nicht bereit, von seinem Traum zu lassen. Als er von einem alten Mann, der sich Homer (wie der alte Grieche, nicht wie der Vater der Simpsons!) nennt und Artjoms frühere Abenteuer aufschreiben will, erfährt, dass jemand Signale aus einer anderen russischen Stadt aufgefangen haben soll, versucht er diesen Funker ausfindig zu machen.
Leider wird dieser hingerichtet, bevor Artjom ihn erreicht. Zudem scheint die Situation in den verschiedenen Metro-Stationen immer mehr zu eskalieren, die verschiedenen politischen Gruppierungen gehen sich gegenseitig an die Gurgel. Zu spät erkennt Artjom, was wirklich hinter den Konflikten steckt und welch obszön paranoider und menschenverachtender Plan hier wirklich verfolgt wird. Ab da ist Artjoms Leben keinen Pfifferling mehr wert...
ACHTUNG: AB HIER SIND ANTEILE VON SPOILERN MÖGLICH!
Der Plot, den sich der Autor ausgedacht hat, ist ebenso erschreckend wie realistisch, erleben wir doch heutzutage immer häufiger, dass Verfehlungen von Staaten oder Staatsapparaten mit dem Argument hinweggewischt werden, dass feindliche Verschwörungen durch Bestechungen dies alles nur erfunden hätten. Egal ob die Abhörtechniken der NSA, das russische Staatsdoping oder andere Schweinereien, immer berichten regierungskonforme Sender und Medien, dass diese Dinge nur die Lügen von bestochenen Landesfeinden und damit frei erfunden seien. Nahtlos passt Glukhovskis Plot damit in unsere Zeit, denn auch Artjom macht eine ungeheuerliche Entdeckung, die aber hier nicht verraten werden soll.
Autor Dmitry Glukhovsky läuft mit „Metro 2035“ akut Gefahr, zum „unpatriotischsten” Schriftsteller Russlands zu werden, hält er doch dem System Putin einen grauenvollen (aber leider allzu wahren) Spiegel vor.
Würde das Buch nur aus der zweiten Hälfte bestehen, wäre es einfach nur genial. Leider muss der Leser sich durch über 400 recht dröge Seiten kämpfen, um dorthin zu kommen, wo der Autor plötzlich und unvermittelt Vollgas gibt.
Diesem Roman somit eine Gesamtnote zu geben, ist deshalb fast unmöglich. Aber soviel sei verraten: Der fulminante zweite Teil entschädigt fast für den viel zu langen und bräsigen Auftakt (aber leider nur fast: deshalb sei den Lesern entweder geraten jenseits der Seite 400 zu beginnen, oder, wenn man die pure und gut beschriebene Atmosphäre mag und es doch etwas zu zäh wird in der ersten Hälfte, den ein oder anderen Abschnitt zu Beginn zu überspringen. Verpassen wird man dadurch nicht wirklich etwas Bedeutendes!).
Manchmal ist ein Weniger an Seiten halt doch ein Mehr an Lesegenuss! Aber wer sagt das Herrn Glukhovsky?