Paul O. Williams: Die Zitadelle von Nordwall - Pelbar 1 (Buch)

Paul O. Williams
Die Zitadelle von Nordwall
Pelbar 1
(The Breaking of North Wall, Pelbar Cycle Book 1, 1981)
Übersetzung aus dem Englischen von Irene Holicki
Titelbild von Martin Frei
Cross Cult, 2016, Paperback mit Klappenbroschur, 470 Seiten, 16,00 EUR, ISBN-13: 978-3-86425-842-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Paul O. Williams gehört zu den Autoren, die nur wenige Romane verfassten, aber trotzdem Klassiker schufen. Der 2009 verstorbene Schriftsteller ist auch in Deutschland durch seinen siebenbändigen „Pelbar“-Zyklus bekannt geworden, der um 1985/1986 bei Heyne erschienen ist. Cross Cult legt die Reihe nun noch einmal in neuer Gestaltung auf.

 

Der nukleare Holocaust hat die USA völlig verändert zurückgelassen. Zwar hat sich die Natur inzwischen erholt und nur noch kleine Bereiche sind radioaktiv verseucht, aber nur wenige Menschen haben den Krieg und die Seuchen überlebt und haben sich entweder in kleinen, befestigten Siedlungen verschanzt oder ziehen als nomadisierende Jäger durchs Land. Erst jetzt beginnt sich das zu ändern, erste kulturelle Zentren bilden sich heraus, in denen mit wachen Augen die Vermächtnisse der Vergangenheit erforscht werden, und von denen aus mutige Männer und Frauen ausziehen, um herauszufinden, was jenseits der Grenzen ihrer Enklaven zu finden ist.

Eine dieser stetig wachsenden Siedlungen ist Pelbar am Herzfluss, dem ehemaligen Mississippi. Jestak war einer der Erkunder und für Jahre verschwunden, doch nun kehrt er zurück und erzählt dem staunenden, von Frauen geführten Rat nicht nur von den Völkern, die er jenseits der bekannten Stämme, mit denen die Pelbari bereits handeln, gefunden hat, sondern auch von den Gefahren, die am Horizont heranziehen. Denn da gibt es eine Gruppe, die das Schießpulver für sich wiederentdeckt hat und nun damit auszieht, um die anderen kulturellen Hochburgen zu vernichten. Erst will man ihm nicht glauben, dann aber rückt der Feind mit Kanonen an die Mauer von Nordwall heran.


Würde nicht explizit auf dem Klappentext verraten werden, dass es sich um die Erde nach dem atomaren Holocaust handelt und die Karte mit der Nase darauf stoßen, so würde der Leser gar nicht merken, wo und wann die Geschichte spielt, zumindest am Anfang. Das Szenario wirkt nämlich eher wie das einer Fantasy-Geschichte, in der Magie und fremde Rassen ausgespart werden. Denn weder die Namen der Figuren und Orte, noch die Beschreibungen deuten irgendetwas an. Erst nach und nach enthüllt der Autor dann die Spuren der Vergangenheit und nimmt es sehr genau bei der Schilderung, wie seine Protagonisten darauf reagieren. Das ist es dann wieder, was die Geschichte von der Fantasy löst, merkt man hier doch die Intention von Williams.

Ihm geht es nicht unbedingt darum, eine dramatische und epische Geschichte mit viel Pathos zu erzählen, wie es etwa Terry Brooks bei seinen „Shannara“-Romanen getan hat, die die Chancen des eigentlichen Szenarios verspielten, sondern detailreich zu enthüllen, wie seine auserwählte zentrale Kultur nach und nach die Welt wiederentdeckt und seine Protagonisten auf die verschiedenen Völker reagieren und mit anderen Gesellschaftsformen zurechtkommen. Denn erstaunlicherweise haben in Pelbar die Frauen das Sagen und das wird auch von den meisten Männern akzeptiert - in anderen Stämmen ist das nämlich nicht so. Immer wieder lässt er dabei die Schatten der Vergangenheit mit einfließen, aber das scheint noch Nebensache zu bleiben. Die Leser sollen Pelbar und die Welt erst einmal kennenlernen und in die fremdartig-vertraute Kultur hineinwachsen.

Da er sich dabei sehr viel Zeit nimmt und die Action eher im Hintergrund belässt, Konflikte eher mit Worten als mit Taten klärt, bleibt die Spannung eher moderat, die Handlung schreitet nur behäbig voran. Bei der Vielzahl von Figuren ist es auch nicht leicht, Sympathien für einige zu entwickeln, da die meisten Charaktere eher blass bleiben und keinerlei Profil entwickeln. Auch sollte man sich mit einem beschaulichen Erzählstil abfinden, der mehr an den eines Kinderbuches, als den einer düsteren Zukunftsvision erinnert

„Die Zitadelle von Nordwall“, der erste Roman des „Pelbar“-Zyklus, hinterlässt daher einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits präsentiert Paul O. Williams ein interessantes Konzept für eine Welt nach dem atomaren Holocaust, andererseits fehlt es der Handlung an Spannung und Überraschungen und fast allen Figuren an Profil, so dass man sehr viel Geduld mitbringen muss, um die Geschichte wirklich zu genießen.