The First Avenger: Civil War (Film)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 21. April 2016 19:25
The First Avenger: Civil War
USA 2016, Regie: Anthony Russo und Joe Russo, mit Chris Evans, Robert Downey Jr., Chadwick Boseman u.a.
Von Christel Scheja
Auch in diesem Jahr wird die Geschichte der Avengers mit zwei Filmen fortgeschrieben und man kann sich inzwischen denken, dass die einzelnen Abenteuer enger denn je miteinander verbunden sind. So knüpft „The First Avenger: Civil War“, der am 28. April in Deutschland anläuft, nicht nur an seinen direkten Vorgänger an, sondern auch an „Avengers: The Age of Ultron“, haben einige der Ereignisse doch direkte Auswirkungen auf die Entwicklungen in diesem Film.
Captain America ist zusammen mit Black Widow, Scarlet Witch und Falcon auf einer Mission in Nigeria, genauer in Lagos, einer schmutzigen und lärmenden Metropole. Dort versuchen sie die Söldnertruppe von Crossbones aufzuhalten, die es auf ein Seucheninstitut abgesehen haben. Bei dem Kampf mit ihren Feinden kommt es allerdings zu einem folgenschweren Ereignis, einen Fehler von Scarlet Witch, bei dem auch unschuldige Zivilisten sterben. Das erschüttert die Weltöffentlichkeit und vertieft bei den Verantwortlichen in den Regierungen das Verlangen, das bisher geduldete Treiben der Superhelden nicht länger nur mitanzusehen, sondern jetzt wesentlich schärfer zu kontrollieren, damit sie nur noch dann aktiv werden, wenn es die UNO selbst erlaubt. Zu diesem Zweck wird eigens ein Abkommen entworfen, das nur noch der Zustimmung der entsprechenden Länder bedarf, was bei einer Versammlung in Wien geschehen soll.
Tony Stark und die anderen Superhelden werden allerdings schon vorab unterrichtet, damit sie wissen, was sie erwartet - denn wenn sie den Vertrag nicht unterzeichnen, dann sind sie mehr oder weniger vogelfrei. Während Iron Man bereit ist, sich den Forderungen der Öffentlichkeit zu beugen, weil er selbst von starken Schuldgefühlen gegenüber den Hinterbliebenen geplagt wird, fühlt sich Captain America in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, denn er sieht auch die negativen Seiten der Kontrolle über die Superhelden. Das hat Auswirkungen auf das Team, das bisher am gleichen Strang zog, denn auch die anderen Mitglieder der Avengers spalten sich nach und nach in zwei Lager, schließen sich entweder dem ersten Avenger oder Tony Stark an.
Das Zerwürfnis wird sogar noch stärker, als ein Bombenanschlag die Versammlung in Wien erschüttert und Bucky Barnes alias Winter Soldier durch eine Fernsehaufnahme als mutmaßlicher Attentäter identifiziert wird. Captain America kann und will nicht glauben, dass sein ehemals bester Freund wirklich der Schuldige ist und macht sich selbst auf die Suche nach dem Flüchtigen, während die Treibjagd beginnt und schließlich in Berlin zu enden scheint.
Und das bringt ihn nicht nur in Konflikt mit den Regierungen sondern auch Iron Man und seinen anderen Freunden. Bald heißt es tatsächlich Avenger gegen Avenger; ein Konflikt, der auch bisher unbescholtene Helden in einen Kampf zieht, den scheinbar nur einer gewinnen kann - der wahre Drahtzieher hinter allen Entwicklungen.
Die Filme um Captain America waren immer schon etwas anders als der Rest der Avengers-Reihe. Düsterer und politischer als der Rest, zeigen sie immer wieder, was passiert, wenn Organisationen und Regierungen den Bogen überspannen und versuchen, ihre Macht auszunutzen oder Kontrolle auszuüben, wo keine sein sollte.
Der erste Avenger wird wieder einmal gezwungen, sich zwischen seinen alten und seinen neuen Freunden zu entscheiden, die Vergangenheit oder die Gegenwart mehr zählen zu lassen und dabei doch nicht sein Gespür für die Wahrheit oder sein Gewissen außer Acht zu lassen. Allerdings lässt auch er sich diesmal deutlich von Gefühlen leiten - gerade was seinen ehemals besten Freund betrifft.
Ihm gegenüber steht Iron Man, alias Tony Stark, der mehr denn je unter Schuldgefühlen und einem alten Trauma steht und deshalb mehr als bereit ist, die Verantwortung in die Hand anderer zu legen, nicht ahnend, dass jemand genau in diesen Dingen seine Achillesferse gefunden hat.
Der Film macht es sich nicht einfach. Jede der betroffenen Seiten hat eine nachvollziehbare und verständliche Motivation. Die Regierungen der Welt sind natürlich nicht glücklich darüber, wenn irgendwelche Leute mit besonderen Kräften glauben, ganze Stadtteile in Schutt und Asche legen zu müssen, auch wenn sie damit vielleicht die Welt retten… ans Aufräumen denken die Helden natürlich nicht, ebensowenig wie an die Kollateralschäden.
Es sind kleine Szenen, die immer wieder daran erinnern, dass manche Schlachten nicht nur Kollateralschäden fordern, sondern auch ganze Familien ins Unglück stürzen und die Überlebenden oder Familienmitglieder mit Wut und Schmerz im Herzen zurücklassen. Doch sollte man dann Gleiches mit Gleichem vergelten und sich nur noch der Rache hingeben? Vor allem, wenn man dabei alles Maß vergisst, um sein Ziel zu erreichen? Gerade eine der Figuren muss sich dieser Frage stellen und macht dabei einen interessanten und gelungenen Lernprozess durch.
Nach den bereits aus anderen Filmen bekannten Figuren - zuletzt Ant-Man -, werden ganz nebenbei einige neue Helden eingeführt, wie Black Panther und Spider Man. Gerade letzterer lockert als komisches Element ein wenig die ansonsten düstere Handlung auf. Jeder der neuen, aber auch die alten Helden bekommen ihre Momente im Film und wirken nicht nur wie Mitläufer, sondern dürfen weitere Facetten ihres Charakters zeigen. Das trifft auch auf den Winter Soldier zu, dessen komplette Hintergrundgeschichte nach und nach ans Licht kommt, Dreh- und Angelpunkt des Dramas wird.
Das sorgt für eine erstaunliche Vielzahl von ruhigen Szenen, in denen die Figuren nur miteinander reden, engere Beziehungen knüpfen oder ihre Entscheidungen begründen und so die Konflikte über die reinen Kämpfe hinweg heben. Langweilig wird die Handlung dadurch nicht, sie wirkt eher noch tiefgründiger und glaubwürdiger, da man Zeit bekommt, die zahlreichen Enthüllungen zu verdauen.
Letztendlich kann man in dem Film kaum Partei für eine Seite ergreifen, nicht einmal den Bösewicht verdammen, der sich angenehm von den Hydra-Parteigängern, Loki und Co. abhebt, weil er beweist, dass auch ein relativ normaler Mensch mit Verstand und Geschick Einiges an Schaden anrichten kann, wenn er ein ganz bestimmtes Ziel erreichen will. Die Macher schaffen es sogar, die Zuschauer wunderbar in die Irre zu führen und im Dunkeln zu lassen, um erst zum Ende hin zu verraten, was ihn eigentlich dazu gebracht hat, die Helden in diese Situation zu bringen.
Die Mischung aus Action und Charakter-Drama, garniert mit einem feinen Schuss Humor, kann sich jedenfalls mehr als sehen lassen und bietet in den zweieinhalb Stunden kurzweilige Unterhaltung, die man nicht so schnell aus dem Kopf bekommt.
Fans, die Berlin oder den Leipziger Flughafen kennen, werden ebenfalls die eine oder andere bekannte Location entdecken können, wurden Teile des Films doch auch in Deutschland und mit Mitteln der Filmförderung gedreht.
Wie immer gibt es natürlich auch einen amüsanten Cameo-Auftritt von Stan Lee und die obligatorischen Abspannszenen, wobei diese in den Pressevorstellungen noch fehlte.
Nach „The Return of the First Avenger“ gelingt es den Russo-Brüdern in „The First Avenger: Civil War“ tatsächlich noch einmal, sich zu steigern und die Helden zum Äußersten zu treiben - gerade weil sie diesmal nicht gegen einen mächtigen Feind kämpfen, sondern erstmals in einen Streit miteinander geraten, der die Gemeinschaft der Helden nicht ganz ohne seelische und körperliche Wunden zurücklässt. Gerade weil auch die dunklen Seiten der Superhelden-Kämpfe zur Sprache kommen, die Motivation aller betroffenen Seiten genauestens unter die Lupe genommen wird, ist der Film mehr als reines Popcorn-Kino.
Zwar wird wie immer die Unterhaltung groß geschrieben und die zumeist sehr düstere Atmosphäre mit Humor aufgelockert - aber man fühlt sich den Helden durch all ihre in diesem Film offengelegten Schwächen verbundener denn je und ist um so neugieriger darauf, wie es jetzt wohl mit den Avengers weitergehen kann.