Sarah Lukas: Der Kuss des Engels (Buch)

Sarah Lukas
Der Kuss des Engels
Titelillustration von Shutterstock
Piper, 2010, Hardcover, 410 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-492-70205-8

Carsten Kuhr

Als der angehende Arzt Rafael sich dafür entscheidet, seine Verlobte Sophie für ein paar Monate im kalten Deutschland zurückzulassen und auf ehrenamtlichen Einsatz nach Kolumbien zu reisen, ahnt er noch nicht, dass ihn diese Entscheidung sein Leben kosten wird. Im Kugelhagel der Guerilleros stirbt er mitten im Dschungel.

Für Sophie bricht eine Welt zusammen. All die Pläne für eine gemeinsame Zukunft in Hamburg perdu, mühsam nur gelingt es ihr zunächst ihr Leben weiterzuführen.

Um ihre Prüfung als Fremdsprachenkorrespondentin zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen reist sie nach Paris, mit dem festen Entschluss, dort noch einmal intensiv die Schulbank zu drücken. Trotz der Ablenkung durch die Beschäftigung mit der Sprache, einer Hauswirtin, die sie ins Herz geschlossen hat und netten Kommilitoninnen aber überfallen sie immer wieder Depressionsschübe. Eines Nachts ist sie auf einer Brücke über der Seine kurz davor, ins Wasser zu gehen.

Auf einem vorbeifahrenden Restaurantschiff glaubt sie ihren Augen nicht zu trauen, als sie im aufflackernden Schein eines Feuerzeugs die Züge ihres getöteten Verlobten zu erkennen glaubt. Verzweifelt beginnt sie, die französische Hauptstadt nach dem Unbekannten, der ihrem Rafael so gleicht, zu durchsuchen. In Jean, einem Dämonenjäger, findet sie Jemanden, der ihr endlich glaubt, auch wenn er keine guten Nachrichten für sie in Petto hat.

Rafe, so dessen Auskunft wäre ein gefallener Engel, der kurz davorsteht zum Dämon zu werden. Trotz aller Warnungen kann sie von ihrer einzig wahren Liebe nicht lassen. Voller Ungeduld, Hingabe und zwischen Hoffnung und Verzweiflung pendelnd durchstreift sie Paris um dem gefallenen Engel wieder zu seinem Platz im Himmel zu verhelfen, auch wenn sie dafür eine tödliche Vereinbarung mit einem anderen Dämon eingehen muss ...

Die Vögel zwitschern es von den Dächern, Urban Fantasy um Vampire und Werwesen sind out, jetzt kommen Dämonen und Engel in die Buchhandlungen. Als einer der ersten Verlage hat sich Piper, noch dazu mit dem Debütroman einer jungen deutschen Autorin, darauf eingestellt.

Und schon äußerlich kommt uns das Buch aufsehenerregend entgegen. Ein sehr stimmungsvolles Cover, Lesebändchen und Kapitelverzierungen, man merkt dem Hardcover an, dass sich der Verlag Mühe gegeben hat, das Werk aus der Flut der allmonatlichen Veröffentlichungen hervorzuheben.

Auch der Inhalt lässt sich sehen, respektive lesen. Zu Beginn überzeugt die Autorin mit einer sehr stimmungsvollen Zeichnung ihrer trauernden Protagonistin. Man merkt Sophie an, wieviel ihr Rafe bedeutet hat, wie sie sein plötzlicher, unerwarteter Gewalttod aus ihren Gleisen geworfen hat. Auch die Flucht in die Stadt der Liebe, in der ihr Rafael vor Jahren einen Heiratsantrag gemacht hat, erweist sich als nicht allzu glücklich. Überall sieht sie vermeintlich harmonische Paare, dabei erinnern sie die altbekannten Wahrzeichen nur zu gut an ihren Geliebten.

Lukas versteht es hier sehr gut, die einfühlsame Darstellung der Trauernden mit einer sehr detail- und kenntnisreichen Beschreibung der französischen Hauptstadt zu kombinieren. Man taucht als Leser förmlich ein in die Stadt der Hoffnung, durchwandert die malerischen Viertel rund um Sacre-Coeur und den Montmartre. Hier ist es der Autorin nicht nur gelungen, das Lokalkolorit atmosphärisch überzeugend und lebensecht einzufangen, sondern sie zeichnet auch ihre wenigen handlungsrelevanten Figuren sehr liebevoll.

Der Plot selbst, die Suche nach dem Getöteten, die dahinterlauernde Frage, wie dies überhaupt sein kann, und was hinter dem unerwarteten, letztlich traumatischen Wiedersehen steckt, treibt die Handlung in der ersten Hälfte des Romans voran. Man hat unwillkürlich Mitleid mit der jungen Frau, die bereits so viel hat durchmachen müssen, kann ihre Verzweiflung und Haltlosigkeit gut nachvollziehen.

Gegen Ende hin nehmen das Tempo und die Stringenz dann deutlich ab. Langatmige Szenen wechseln sich mit verschachtelten Dialogen ab, das Finale hängt dann in seiner Ausgestaltung ein wenig in der Luft.
Hier hätte ich mir gewünscht, dass das Lektorat ein wenig mehr eingegriffen hätte, um das Buch so in sich rund und komplett überzeugend zu machen.
So bleiben die wirklich guten Ansätze der ersten Hälfte leider ein wenig in der Luft hängen