Freundeskreis Science Fiction Leipzig e.V. (Hrsg.): Leipzig-Visionen - Gestern und Heute (Buch)

Freundeskreis Science Fiction Leipzig e.V. (Hrsg.)
Leipzig-Visionen - Gestern und Heute
Titelillustration von Mario Franke
Edition Solar X, 2015, Hardcover, 534 Seiten, 29,90 EUR, ISBN 978-3-945713-09-9

Von Carsten Kuhr

Die Stadt Leipzig und die Phantastik, das ist eine schon lang andauernde Liebe.  Seit Jahrzehnten veranstaltet der Freundeskreis SF in Leipzig regelmäßig Lesungen und Diskussionsabende, dazu kommt alle zwei Jahre der Elstercon, auf dem sich jeweils drei internationale Ehrengäste wie auch weitere deutschsprachige Prominenz die Ehre geben. Das Who is Who der Gäste liest sich dabei wie eine Auflistung der interessantesten und erfolgreichsten Verfasser der internationale SF. Dass es den Veranstaltern immer wieder gelingt, Big Names über den großen Teich zu holen liegt auch in der Unterstützung durch die Stadt begründet.

Weil Leipzig dieses Jahr seinen 1000. Geburtstag feiert, hat dies bei den umtriebigen Vereinsmitgliedern das Projekt einer international besetzten Anthologie um Leipzig in der Zukunft auf den Plan gerufen. Die Ausschreibung war denkbar einfach gefasst: Die Geschichte sollte als Handlungsort in und um Leipzig spielen und aus Sicht des Erzählers in der Zukunft angesiedelt sein.

Beigeben wollten die Herausgeber dem Band dann noch städtebauliche Visionen Leipzigs. Damit nicht genug, haben sich die Verantwortlichen auf die Suche nach klassischen Beiträgen gemacht und diese überaus seltenen Geschichten dem Buch hinzugefügt.


So eröffnet ein Beitrag aus dem Jahr 1836 den Reigen, in dem uns der Verfasser die Stadt vorstellt, wie er sie sich im Jahr 1938 vorstellt. Oder aber, im nachfolgenden Beitrag Leipzig im Jahre 2036, das mit Verschönerungen und technischen Neuheiten glänzt. Mit Robert Krafts „Die Totenstadt“ präsentiert der Band dann zum ersten Mal eine fast schon dystopisch anmutende Erzählung. Der Äquator wurde verlegt, die Wirkungen sind markant. Die allermeisten Menschen starben, die wild wuchernde Natur hat das Zepter übernommen - oder war doch alles nur ein Albtraum?

Max Bunge zollt in „Die Dollarfürstin aus der Petersstraße“ der internationalen Messestadt Leipzig seine Achtung. Mehrere Gedichte von Erik Simon sowie eines von Erich Kästner sind dazwischen eingeschoben, Gustav Hermann beschreibt eine erschreckend wirklichkeitsnahe Zukunftsvision im 1930 erschienen „Einer von Brühl“.

Kurt Reiße lässt in Leipzig ein Raumschiff starten, das auf dem Mars eine fremde Zivilisation vorfindet. Es schließen sich diverse Entwürfe an, die die städtebauliche Entwicklung der Metropole zum Großteil mit wunderbar gestalteten,farblichen Entwürfen versehen vorstellen. Werner Bender widmet sich dann dem aus seiner Sicht (1956) zukünftigen Messe-Abenteuer im Jahre 1999, während Jason Dark seinen Geisterjäger John Sinclair in einem Auszug in Leipzig ermitteln lässt.

In weiteren Romanauszügen erweisen auch Norman Spinrad, Marcus Hammerschmitt, Andreas Eschbach, Tino Hemmann, Brian Lumley und Christian von Ditfurth Leipzig ihre Referenz. Wolfgang Schüler lässt gar Sherlock Holmes in Leipzig ermitteln, während Christian von Aster seine ganze eigenen Erlebnisse mit den Hop-on, Hop-off-Bussen verarbeitet. Anja Buchmann berichtet uns vor einer zweiten Revolution gegen die überbrodelnde Technik , die in Leipzig ihren Anfang nimmt. Christiane Gref zeigt uns einige Jugendliche Leipzigs, die in der Kanalisation auf Hinterlassenschaften ihrer Vorfahren stoßen. Claudia Hornung berichtet von Flüchtlingen, die in die Stadt ihrer Vorväter zurückkehren. Liv Modes setzt uns in einer Zeitmaschine und besucht dabei die Stadt an der Elster, während Wilko Müller Jr. Dde Metropole gleich verschwinden lässt - doch wo ist Leipzig mit all seinen Bauten und Einwohnern nur abgeblieben?

Uwe Schimunek berichtet uns in einer bitterbösen Satire von dem Umgang mit den Organlieferanten, den Alten der Stadt. Die Steinmüllers betrachten Leipzig durch die Cyberbrille während ihr Erzähler auf sein Blind Date wartet.

Zum Abschluss haben die Herausgeber nochmals historische Postkarten, Plakate und Zeichnungen zusammengetragen, die uns in ihrer Farbpracht die Stadt beleuchten.


Dass dieses Buch nicht nur ein Lesespaß sondern auch ein Augenschmaus ist, hängt auch mit den unzähligen Illustrationen zusammen. Zumeist farbig sind sie auf dem Kunstdruckpapier abgebildet, unterstreichen und ergänzen die Textbeiträge dabei wunderbar und sorgen immer wieder dafür, dass man verweilt, sich die Ideen anschaut und nachdenkt, wie die Stadt wohl aussehen würde, wenn man das eine oder andere Vorhaben umgesetzt hätte.

So ist dies ein umfangreicher Band geworden, der die Liebe seiner Macher zu ihrer Heimat ebenso dokumentiert, wie ihre Verbundenheit zur SF, der Neugier weckt auf die Romane, die sich hinter des präsentierten Auszügen verbergen und die beweisen, wie lebendig Stadt und der Verein sind.