Der Realist (Comic)

Asaf Hanuka
Der Realist
Titelbild und Zeichnungen von Asaf Hanuka
Übersetzung aus dem Hebräischen von Uri Reick
Cross Cult, 2015, Hardcover, 192 Seiten, 29,95 EUR, ISBN 978-3-86425-594-5

Von Christel Scheja

Asaf Hanuka hat sich bewusst dazu entschieden in seinem Heimatland Israel und dann auch noch in Tel Aviv zu bleiben, einer Stadt, in der er jederzeit damit rechnen kann, dass ein Anschlag ihn, Familie oder Freunde aus dem Leben reißt. In einseitigen Strips erzählt der 1974 geborene Künstler, wie es ist, als Vater und Israeli auf einem Pulverfass zu leben.

 

Gleich zu Anfang erwartet den Protagonisten ein Schock. Die Wohnung wurde gekündigt und nun geht es darum, innerhalb der nächsten drei Monate eine neue zu finden. Doch der Vater, ein weltfremder Künstler weiß erst einmal nicht so recht, wie er das anfangen soll, was nach und nach doch zu Spannungen in der Familie führt. Aber die Suche kann auch spannend sein, vor allem mit einem kleinen Kind, das immer wieder für Überraschungen gut ist.

Als Comiczeichner hat der Vater auch nicht verlernt zu träumen und sich vorzustellen, er sei Superman oder der Hulk. Allerdings ist die Realität weit davon entfernt von diesen Wünschen und manches Erlebnis ernüchtert auch einfach nur. Immer wieder wird die Familie auch mit der politischen Lage konfrontiert. Darf und kann man den Palästinensern trauen? Und sind manche von ihnen nicht genau so wie sie selbst? Ist der Unterschied zwischen den Volksgruppen überhaupt so groß, abgesehen von der politischen Einstellung oder der Religion?

Auch wenn manche Nacht in Angst vergeht, der Künstler weiß auch, dass er sich in Amerika nicht auf Dauer wohlfühlen würde, denn das Leben dort stellt genau so viele Anforderungen an ihn wie in Tel Aviv.


Man merkt, dass der Künstler aus dem Leben erzählt, von seinen eigenen Erlebnissen und Erfahrungen, dass er vermutlich nicht einmal sonderlich viel hinzu erfindet, sondern den Lebensalltag in der Hauptstadt Israels so wiedergibt wie er ihn Tag für Tag erfährt und miterlebt.

Alltägliche Momente werden eher mit einem heiteren Unterton erzählt, so dass man unwillkürlich über diese Augenblicke, die man mit ihm und seiner Familie teilen darf, schmunzelt. Tatsächlich gibt es nur wenige Unterschiede zur westlichen Welt; die, die es tatsächlich gibt, vor allem im Bezug auf Amerika, werden frech auf die Schippe genommen.
Düsterer und ernster sind die Onepager, die mehr auf Staat und Gesellschaft, auf die politischen und religiösen Konflikte eingehen, mit denen auch ein Israeli in Tel Aviv immer wieder konfrontiert wird. Sie wirken durchweg bissig, haben oft auch eine zynische und bittere Wut, spinnen Wahrheiten weiter, die er nicht einmal laut aussprechen muss, da sie auch aus den Bildern und zwischen den Zeilen gut herauszulesen sind.

Die Sammlung bietet damit eine interessante Mischung aus der Situationskomik des Alltags, interessanten, autobiographischen Kommentaren zum eigentlichen Leben und der persönlichen Einstellung des Künstlers und gesellschaftlicher Satire, die allesamt einen Einblick in eine Welt geben, die westlichen Leser sonst eher verschlossen bleibt.

Nicht alle Strips bleiben im Gedächtnis haften, einige aber bringen den Leser durchaus zum Nachdenken und Grübeln, wirken noch eine Weile nach - so wie der Moment, in dem der Künstler vom Geheimdienst in die Mangel genommen wird oder er Isralis mit den Palästinensern vergleicht.

„Der Realist“ ist eine beeindruckende Sammlung von Comic-Strips, die einen spannenden Einblick in die Lebenswelt einer Region geben, die wir nur als ständig in Konflikt oder in Krieg befindliche Zone kennen. Dass dort aber auch Menschen leben, die genauso wie viele im Westen denken und trotz aller Unterschiede ähnliche Alltagssorgen haben, das wird erst durch Bücher wie diese in die Erinnerung zurückgebracht.