Gruselkabinett 105: Mitternachtsweg, Benjamin Lebert (Hörspiel)

Benjamin Lebert & Marc Gruppe (Script)
Mitternachtsweg
Gruselkabinett 105
Sprecher: Matthias Lühn, Marius Claren, Melanie Hinze u.a.
Cover von Ertugrul Edirne
Titania Medien, 2015, 1 CD, ca. 80 Minuten, ca. 8,99 EUR, ISBN 978-3-7857-5168-8

Von Christel Scheja

Normalerweise ist die „Gruselkabinett“-Reihe Autoren vorbehalten, die bereits lange tot sind und ihre Werke zwischen dem 18. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfasst haben. Gelegentlich wird jedoch eine Ausnahme von der Regel gemacht, wie bei „Mitternachtsweg“, einer Erzählung des 1982 geborenen Autors Benjamin Lebert.

 

Der pensionierte Journalist Peter Maydell erhält einen Brief und ein Manuskript von dem jungen Autor und Historiker Johannes Kieland, den er schon eine ganze Weile protegiert. Diesmal aber ist der Text, den er sich anschauen soll, etwas ganz Besonderes, erzählt der junge Mann doch von einem Friedhof der namenlosen Seeleute, die im Laufe der Zeit an die Küste von Sylt angeschwemmt und dort begraben wurden, aber auch von der geheimnisvollen Helma Brand, die einer verlorenen Liebe nachtrauert.

Dadurch wird er zum Teil des seltsamen Geschehens, das auch schon Johannes in den Bann geschlagen hat, beginnt er doch nicht nur eine Beziehung mit Helma, sondern lässt sich auch von der dunklen Magie des Friedhofs in den Bann schlagen. Nach und nach enthüllt sich so eine Geschichte, die ihre Anfänge in der fernen Vergangenheit hat und Verlorenen und Vergessenen mehr Stimme zugesteht als gut sein könnte…


Auch wenn „Mitternachtsweg“ dem Schauer-Roman zugeneigt ist, trägt die „Gruselkabinett“-Crew doch der Zeit Rechnung, in der die Geschichte spielt. Die Musik ist modern, rhythmisch und manchmal auch elektronisch verzerrt, die Helden sprechen weitaus moderner und handeln aktiver, als man es gewohnt ist. Dennoch sollte man auch diesmal nicht mit Action rechnen, sondern stattdessen eher mit einem Flickenteppich aus unterschiedlichen Szenen und Sichtweisen. Denn die Geschichte wird nicht nur aus der Sicht der beiden Hauptfiguren erzählt, sondern springt immer munter hin und her, so dass bald ein eng miteinander verbundenes Gewebe entsteht, das nach und nach die Fäden zusammenfügt.

Durch die zahlreichen Figuren bleibt kaum Zeit, die Charaktere zu entwickeln, dennoch machen die Sprecher ihre Arbeit gut und holen eine Menge aus den wenigen Sätzen, die ihnen zugestanden werden, ehe die Szenerie schon wieder wechselt.

Alles in allem gehört „Mitternachtsweg“ zu den Episoden, die größere Aufmerksamkeit beim Hören verlangen, aber mit einer komplexen Geschichte belohnen, die dem Hörer näher kommt als so manch andere Gruselgeschichte der Reihe.

Daher lohnt es sich durchaus, „Mitternachtsweg“ auszuprobieren, belohnt das Hörspiel doch mit gut aufgelegten Sprechern, einer abwechslungsreichen Handlung und nicht zuletzt einer gelungen modernen Interpretation klassischer Schauer-Romantik.