Ursula K. Le Guin: Rückkehr nach Erdsee (Buch)

Ursula K. Le Guin
Rückkehr nach Erdsee
(The Other Wind, 2001)
Übersetzung: Joachim Pente
Karte: Erhard Ringer
Piper, 2014, Taschenbuch, 282 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-492-28542-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Ursula K. Le Guin scheint ihre „Erdsee“-Saga nicht so recht loslassen zu können. Denn fast dreißig Jahre nach der ersten Trilogie erschien nun auch ein weiterer Roman, der die Geschichte der Welt fortschreibt, nämlich „Rückkehr nach Erdsee“.

 

Erle, Sohn einer Hexe und nicht auf Rok ausgebildeter Zauberer, wird Nacht für Nacht von einem schrecklichen Traum gequält, der immer intensiver und bedrohlicher wird. Deshalb glaubt er schon bald daran, dass die Vision von der zusammenbrechenden Steinmauer, die die Welt der Toten von der der Lebenden trennt, wirklich Wahrheit werden könnte. Deshalb macht er sich auf die Reise nach Rok, um bei dem ehrwürdigen alten Erzmagier Hilfe zu suchen. Doch der ist mittlerweile alt und schwach und rät dem jungen Mann, an den Hof des Königs Lebannen zu gehen, wo gerade auch seine Frau Tenar und seine Tochter Tehanu weilen, um dort Unterstützung zu finden.

Doch dort hat man andere Sorgen, denn die Zeichen mehren sich, dass die weit im Westen lebenden Drachen eine Invasion der Menschenlande planen, um das Land zurückzuholen, das sie als das ihre erachten. Allerdings nehmen der junge Herrscher und seine Freunde Erles Traum schon bald ernst, denn der Schlüssel für beide Probleme könnte in der Vision selbst liegen.


Es ist immer interessant zu lesen, wenn Autoren nach Jahrzehnten in die Welt ihrer erfolgreichsten Geschichten zurückkehren und diese dann weiter ausbauen. Nur die wenigsten schaffen es, den alten Ton zu bewahren und das Neue im Stil der alten Geschichten weiter zu spinnen. Doch schon im Vorwort ihrer Kurzgeschichtensammlung „Das Vermächtnis von Erdsee“ machte Ursula K. Le Guin deutlich, dass sie sich nicht scheut oder gar schämt, die Veränderungen in ihrem Stil und ihrem eigenen Geschmack auch an „Erdsee“ weiter zu geben.

Tatsächlich ist der Unterschied gar nicht einmal so krass - eher im Gegenteil. Genauso wie die Autorin sind auch die geliebten Charaktere alt geworden und tragen die daraus resultierende Weisheit und den Erfahrungsschatz an die jüngere Generation weiter. Sie sind nicht mehr unbedingt die Helden im Mittelpunkt, wohl aber die ruhenden Pole, die den Jüngeren dabei helfen, ihren Weg zu finden und die wichtigen Entscheidungen zu treffen.

Das ist auch in diesem Roman zu spüren, in dem der Zuschauer mehr in die Haut von Erle als von Tenar und Ged schlüpft, in der er miterleben darf, wie menschlich die Legenden eigentlich sind, und wie wenig sie sich um ihren Ruhm und Ruf scheren, weil sie längst erkannt haben, was im Leben für sie wirklich zählt. Das macht den besonderen Zauber der Serie aus und auch diesen Roman spannend, auch wenn die Action eher verhalten ist und Konflikte ohnehin mehr mit dem Verstand und Worten gelöst werden als mit Faust und Schwert.

„Rückkehr nach Erdsee“ atmet den Geist der Saga und macht deshalb durchaus Lust auf mehr, weil der Roman in der Tradition seiner Vorgänger steht, es ihm aber auch gelingt, lebendige neue Facetten und Entwicklungen in die Welt einzubringen, die sie um so faszinierender machen.