Tex: Der letzte Rebell (Comic)

Tex: Der letzte Rebell
(L’ultimo ribelle)
Text: Claudio Nizzi
Artwork: Colin Wilson
Übersetzung: Monja Reichert
Panini, 2015, Hardcover, 240 Seiten, 29,99 EUR, ISBN 978-3-95798-392-3

Von Frank Drehmel

Obschon das Sujet auf den ersten Blick ein Ur-US-amerikanisches zu sein scheint, ist der europäische Comic ohne Western-Geschichten kaum vorstellbar. Seit vielen Dekaden haben Serien wie „Jerry Spring“, „Blueberry“ oder „Comanche“ erzählerische und künstlerische Maßstäbe gesetzt und zweifelsohne gehören die seit 1948 erscheinenden „Tex“-Storys ebenfalls in die Phalanx europäischer Western-Klassiker.

Überwogen zu Beginn kurze Episoden, so erscheinen seit 1988 in regelmäßigen Abständen umfangreichere Sonderbände, für die zunächst und für viele Jahre Claudio Nizzi als federführender Autor verantwortlich zeichnete und in denen sich zahlreiche Künstler gleichsam die Klinke in die Hand gaben. Das vorliegende Album erschien im Original im Jahre  2000 und mit dem Neuseeländer Colin Wilson konnte ein Zeichner gewonnen werden, der seine Liebe zum Western insbesondere durch seine Arbeiten an den Jugendabenteuern Leutnant Blueberrys unter Beweis stellte.


Seit etwa einem Jahr begeht eine Verbrecherbande in Virginia rund um den Fluss Shenandoah Überfälle, wobei Ausmaß und Brutalität zunehmen und ein politischer Hintergrund immer wahrscheinlicher wird. General Davis sieht keinen anderen Ausweg, als Tex Willer und dessen Freund Kit Carson um Hilfe zu bitten. Sie sollen sich in die Bande einschleusen und Informationen über Hintergründe und Hintermänner der Verbrechen sammeln. Dazu bedarf es jedoch eines ausgeklügelten Plans: Zunächst muss Tex als Häftling ins Gefängnis von Petersburg einfahren, um dort Kontakt zu einem verhafteten und augenscheinlich in der Hierarchie bedeutenden Mitglied - Hauptmann Fremont - suchen, während Carson von draußen als Rückendeckung die Flucht Tex’ und seines - hoffentlich - neuen Freundes inszeniert. Problematisch an diesem Vorhaben ist, dass Tex’ Identität keinem der Gefängniswärter, die innerhalb der Mauern ein hartes Regiment führen, enthüllt werden darf und dass sich unter den Gefangenen zwei konkurrierende Banden bis aufs Blut bekämpfen. Dennoch gelingt es Tex, Fremonts Vertrauen zu erringen und gemeinsam mit ihm zu fliehen.

Und tatsächlich führt sie der Hauptmann in das Versteck der Bande, wo sich ein ehemaliger General der Südstaaten als Wortführer und Drahtzieher der Überfälle entpuppt. Für General Jackson ist der Sezessionskrieg trotz der Kapitulation der Konföderation noch nicht verloren und mittels der Überfälle sollen genug Ressourcen - Waffen und Geld - beschafft werden, um in kleineren Guerilla-Aktion rebellische Brandherde zu schüren. Doch nicht jeder der Bandenmitglieder verfolgt solch idealistische Ziele; einigen Schurken geht es lediglich darum, ihre eigenen Taschen mit Gold zu füllen. Für Tex und Carson könnte dieser pekuniäre Pragmatismus ein Hebel sein, um die Pläne Jacksons zu vereiteln.


Obgleich die vorliegende Geschichte deutlich mehr als 200 Seiten umfasst und obwohl der Sezessionskrieg in zahlreichen Western-Comics thematisiert wurde, vermag  „Der letzte Rebell“ rundum zu überzeugen. Die Geschichte weist einen geradezu fesselnden Flow auf, entwickelt sich ganz ohne Längen schlüssig und dynamisch, auch wenn einzelne Motive und Konstellationen aus einschlägigen Filmen und Romanen entliehen scheinen. Natürliche, pointierte Dialoge in Verbindung mit einem Habitus, der zwar einen starken Eindruck vermittelt, der jedoch nicht irreal und vollkommen „overpowered“ daherkommt, nehmen den Leser selbst dann für die Charaktere ein, wenn er zuvor noch keinen Kontakt zu Tex & Co. hatte, er also ohne weitere Serien-Vorkenntnisse dieses Western-Neuland betritt.

Der gefällige Erzählfluss resultiert nicht zuletzt aus dem Artwork: Wilsons Zeichnungen sind gleichermaßen klar, wie auch rau genug, um ein dreckig-lässiges und zuweilen brutales Western-Feeling zu vermitteln, wobei explizite Gewalt kein Mittel der Darstellung ist. Zugute kommt der Geschichte, dass das Layout mit nur fünf oder sechs Panels pro Album-Seite einerseits vergleichsweise großzügig erscheint, sich die Handlung also nicht im bildlichen Kleinklein verliert, andererseits jedoch wegen seines cineastischen Ansatzes und des markanten Strichs die Seiten niemals leer und inhaltslos wirken.

Fazit: Eine gefällige Western-Story, die zwar in Hinblick auf Originalität das Rad nicht neu erfindet, die aber dennoch dank eines überzeugenden Erzählflusses, bedachter Spannungsbögen und eines gleichermaßen leichten wie rauen Artworks voll überzeugt. Macht Lust auf weitere „Tex“-Spezial-Alben.